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Verlorener Wahlgang von Friedrich Merz: Schaden für den Kanzler ist enorm


Merz-Debakel
Es droht eine bittere Enttäuschung

  • Philipp Michaelis
InterviewVon Philipp Michaelis

Aktualisiert am 06.05.2025Lesedauer: 3 Min.
Bundestag - KanzlerwahlVergrößern des Bildes
Friedrich Merz: Er ist bei der Kanzlerwahl im ersten Wahlgang durchgefallen. (Quelle: Sebastian Gollnow/dpa/dpa-bilder)
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Friedrich Merz geht schon an seinem ersten Tag im Amt in die deutsche Geschichte ein: als Bundeskanzler, der den ersten Wahlgang verlor. Wie es dazu kommen konnte und welche Folgen das hat, erklärt der Politologe Klaus Schroeder.

Friedrich Merz ist der zehnte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Nach der Wahl durch den Bundestag ernannte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Amtssitz Schloss Bellevue den CDU-Vorsitzenden zum Nachfolger von Olaf Scholz (SPD).

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Der Tag, der für Merz also die Erfüllung seines Lebenstraums bringt, ist zugleich der einer seiner schwersten Niederlagen. Im ersten Wahlgang im Bundestag fehlten ihm sechs Stimmen zur erforderlichen Mehrheit. Kein Bundeskanzler vor ihm musste zum Start seiner Amtszeit einen solchen Dämpfer einstecken. Wie beschädigt zieht Merz nun ins Kanzleramt ein? Warum und von wem wurde ihm dieser harte Schlag versetzt? Und welche Folgen könnte er haben? Fragen an den Politologen Klaus Schroeder.

t-online: Herr Professor Schroeder, wie optimistisch waren Sie vor dem zweiten Wahlgang?

Klaus Schroeder: Fünfzig zu fünfzig. Ich hätte nicht wetten wollen. Ich hatte aber wirklich gehofft, für das Land, auch für meine Kinder und Enkel, dass sich Friedrich Merz im zweiten Wahlgang durchsetzt. Und sei es auch nur mit einer einzigen Stimme Mehrheit. Deutschland trudelt. Wir stehen wirtschaftlich immer mehr am Ende der Schlange. Das Land befindet sich in einem stetigen Niedergang, und zwar auf allen Ebenen.

Klaus Schroeder: Der Politikwissenschaftler beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte der deutschen Teilung.
Klaus Schröder (Quelle: FU Berlin)

Zur Person

Prof. Dr. Klaus Schroeder (Jahrgang 1949) ist promovierter Soziologe und habilitierter Politikwissenschaftler. Er ist Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin sowie der Arbeitsstelle Politik und Technik des Otto-Suhr-Instituts.

Dass er im ersten Wahlgang so abgestraft wird, war nicht auszuschließen, aber auch nicht zu erwarten. Wie konnte das passieren?

Es gibt in der SPD Leute, die seit langer Zeit durchblicken lassen, wie sehr sie Friedrich Merz hassen. Dabei hätten sie dankbar sein müssen für all die Zugeständnisse und Ministerämter, die Merz ihnen in den Koalitionsverhandlungen zugestanden hat. Meiner Ansicht nach waren das viel zu viele, angesichts des katastrophalen, ja historisch schlechten Wahlergebnisses der Sozialdemokraten. Trotzdem haben manche SPD-Abgeordnete augenscheinlich ihre Abneigung gegen Merz über die Interessen der eigenen Partei gestellt. Manche sind offenbar so naiv – ich will das Wort "blöd" hier nicht verwenden –, dass sie ihre Hoffnungen auf Neuwahlen setzen. Ich nenne das: Selbstmord auf Zeit.

Viele vermuten die Abweichler gar nicht in der SPD, sondern in Merz' eigenen Reihen.

Ja, vielleicht waren auch ein oder zwei Abweichler aus der CDU dabei. Dort muss man Merz verübelt haben, wie sehr er in den Koalitionsverhandlungen auf die SPD zugegangen ist. Das ist aber Spekulation. Die meisten CDU-Abgeordneten werden ihn dennoch zähneknirschend gewählt haben. Ohnehin wird nun jeder vehement bestreiten, gegen Merz gestimmt zu haben. Egal, in welcher Partei die Frage gestellt wird.

"Merz fehlt Söders opportunistische Anpassungsfähigkeit"

War Merz der richtige Kandidat?

Die Union hätte Markus Söder aufstellen sollen. Söder mag unseriöser sein und definitiv unbeliebter bei der SPD, aber bei der Bevölkerung ist er populärer: Merz verfügt einfach nicht über diese, sagen wir: opportunistische Anpassungsfähigkeit.

War der erste Wahlgang auch ein Denkzettel für Merz' Flirt mit der AfD in Hinblick auf die Migration?

Die Sache mit der AfD hat er eigentlich in den vergangenen Wochen erfolgreich weggebügelt und ausgeräumt. Sein Vorgehen in Bezug auf die Schuldenbremse und das Sondervermögen dürfte viele Abgeordnete mehr belastet haben. Und nicht nur die Abgeordneten. Die Frage muss und darf gestellt werden: Wer zahlt den Spaß eigentlich zurück? Vor allem junge Menschen wissen sehr wohl: Das wird an uns hängen bleiben. Und wenn wir irgendwann in den Bereich einer Abwertung der Währung kommen, dann droht uns wirklich ein Bürgerkrieg.

Noch nie hat ein Kanzlerkandidat den ersten Wahlgang verloren: Wie geschwächt tritt Merz jetzt das Amt an?

Da wiederum bin ich gelassen. Nach ein paar Monaten, wenn die Wirtschaft womöglich auf der Basis der ersten Maßnahmen seiner Regierung wieder anzieht, dann wird dieses Debakel auch schnell vergessen sein.

Die AfD gibt sich teils überrascht, teils hellauf begeistert davon, dass Merz' Start so sehr holpert. Was bedeutet der heutige Tag für die rechtsextreme Opposition?

Die AfD wird weiter zulegen. So wie die Dinge derzeit stehen, wird sie 2029 stärkste Fraktion werden. Davon gehe ich ganz fest aus. Allerdings wird sie wieder keinen Koalitionspartner finden. Umso wichtiger ist jetzt: Stabilität. Schon jetzt wird man sich im Ausland über diese Regierungsbildung lustig machen. Wer noch daran glaubt, wir könnten eine europäische Führungsmacht sein, der wird bitter enttäuscht.

Verwendete Quellen
  • Interview mit dem Politikwissenschaftler Professor Klaus Schroeder (Freie Universität Berlin).
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