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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trumps Militärschlag gegen den Iran Kommt es jetzt zum großen Krieg?
Donald Trump begibt sich als selbst ernannter Friedenspräsident in den Kriegsmodus. Sein Schlag gegen den Iran könnte einen historischen Wendepunkt markieren. Doch das Risiko ist enorm – außenpolitisch, innenpolitisch und persönlich.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
An dieser Aussage muss sich Donald Trump wie kaum ein anderer messen lassen. Getätigt hat er sie bei einem Wahlkampfauftritt im November vergangenen Jahres vor vielen muslimischen Amerikanern in Michigan. "Wenn Kamala gewinnt, erwartet euch nur Tod und Zerstörung. Denn sie ist die Kandidatin endloser Kriege. Ich bin der Kandidat des Friedens", sagte der damalige Präsidentschaftskandidat. Keine amerikanischen Kriege mehr – das ist ein Versprechen, das Trump auch den übrigen Amerikanern gemacht hat, besonders seiner eigenen Basis.
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Doch an diesem Samstag, dem 21. Juni 2025, gab der US-Präsident den Befehl, den Iran anzugreifen. Mit der weltweit schwerste Bunker brechenden Bombe vom Typ GBU-57 ließ Trump die amerikanische Air Force insgesamt drei Nuklearanlagen zerstören. Obwohl er kurz zuvor noch die Möglichkeit für Verhandlungen verkündet hat. Obwohl der US-Präsident sich für den Angriff auf den Iran nicht die Zustimmung des amerikanischen Kongresses geholt hat.
Die Täuschung ist ihm offenkundig gelungen. Zum Schein ließen die USA noch Tarnkappenbomber aus den USA in Richtung Pazifik verlegen. Es waren Kampfflugzeuge, die an diesem Wochenende kaum noch einen Schlag hätten ausüben können, weil sie dafür zu weit entfernt gewesen wären. Die Bomber mit der tatsächlichen zerstörerischen Fracht waren dabei längst von der anderen Himmelsrichtung aus unterwegs – und haben nicht nur den Iran, sondern die ganze Welt überrascht. Das tagelange Zögern des US-Präsidenten war wohl der wahre Bluff.
Wie erfolgreich und nachhaltig der Angriff auf Irans Nuklearanlagen wirklich war, muss sich allerdings erst zeigen. Die für den US-Präsidenten wichtigste Frage aber ist: Welche Konsequenzen zieht das iranische Regime aus dem Angriff der Amerikaner?
Wie reagiert der Iran?
Noch hat die Regierung in Teheran nur rhetorisch reagiert, nicht aber mit eigenen Gegenangriffen. Viel spricht dafür, dass die Führung im Iran aber unter massivem Druck steht, auf den Angriff der USA zu antworten. Das Mullah-Regime muss auch nach innen Stärke zeigen. Es braucht darum, wenn nicht militärisch, zumindest symbolisch eine Reaktion.
Die wahrscheinlichsten Szenarien sind schnell umrissen: Angriffe auf die zahlreichen US-Stützpunkte mit Zehntausenden Soldaten und die Botschaften in der Region. Weiterer Raketenbeschuss auf Israel. Gezielte Terroranschläge durch verbündete Milizen. Oder die Sperrung der Straße von Hormus, eine der weltweit empfindlichsten Handelsadern. Letzteres hätte unmittelbare Auswirkungen auf den Ölpreis und somit auf die US- und Weltwirtschaft.
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Die Stärke des Iran gilt allerdings als ziemlich ausgehöhlt: Baschar al-Assad in Syrien, einst wichtigster Partner Teherans, ist entmachtet. Die Terrororganisationen Hisbollah und Hamas, zentrale Stellvertretergruppen, sind extrem geschwächt, auch viele irakische Schiitenmilizen dezimiert. Die Option, eine effektive Vergeltung im großen Stil zu erreichen, ist militärisch begrenzt, gerade nach den massiven israelischen Angriffen der vergangenen neun Tage.
Deshalb ist eine asymmetrische Antwort womöglich wahrscheinlicher. Die Islamische Republik ist erfahren darin, mit gezielten Nadelstichen zu antworten.
Trumps Warnung – und die Angst vor der eigenen Basis
Auffällig ist, mit welcher Vehemenz Donald Trump den Iran nach dem Angriff ausdrücklich vor weiteren Schritten warnt. Das Weiße Haus spricht von "noch nie dagewesener militärischer Entschlossenheit". Hinter diesen martialischen Worten steht nicht nur der Wunsch, neue Eskalationen zu verhindern, sondern wohl auch die Angst vor den innenpolitischen Folgen.
Denn Trump selbst hat sich stets als "Friedenskandidat" inszeniert. Seine MAGA-Bewegung verzeiht vieles, aber ganz sicher keinen neuen Krieg im Nahen Osten. Das haben die zahlreichen kritischen Wortmeldungen aus der eigenen politischen Anhängerschaft deutlich gezeigt.
Trumps Sorge muss daher im ganz persönlichen Interesse sein: Sollte sich der Konflikt mit dem Iran zu einem Flächenbrand entwickeln, könnten sich selbst treue Anhänger weiter distanzieren. Mit seinem Vizepräsidenten JD Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth und der Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard sitzen im Irak erfahrene Soldaten sogar in seinem Kabinett.
Sie stehen für die breite und überparteiliche Ablehnung militärischer und tödlicher Abenteuer der Bush-Ära. Besonders in den wichtigen republikanischen Bundesstaaten des Mittleren Westens sowie den Swing States dürfte ein neuer Krieg kaum vermittelbar sein.
Nicht zuletzt mit Blick auf die Zwischenwahlen im kommenden Jahr hat Trump sich beim Angriffsbefehl im Situation Room des Weißen Hauses darum wohl ganz bewusst mit aufgesetzter rote MAGA-Baseballmütze in Szene setzen lassen.
Der rechtliche Spagat: Selbstverteidigung oder Verfassungsbruch?
Juristisch ist die Lage unübersichtlich. Der Präsident ließ die iranischen Atomanlagen ohne Zustimmung des Kongresses angreifen. Doch Trumps Anwälte dürften bereits daran arbeiten, sich auf Artikel II der Verfassung zu berufen: das Selbstverteidigungsrecht des Präsidenten als Oberbefehlshaber. Tatsächlich sprach Trump in seiner Ansprache von "Hunderten toten Amerikanern", die in den vergangenen Jahrzehnten "durch iranischen Terror" getötet worden seien. Hieraus will er offenbar die Selbstverteidigungs-Strategie ableiten.
Eine zweite mögliche Legitimationsbasis wäre das alte AUMF-Mandat ("Authorization for Use of Military Force"). Dieses Gesetz stammt aus der Zeit nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Zwar richtete sich dieses ursprünglich gegen al-Qaida und später gegen den "Islamischen Staat" (IS). Aber juristisch wurde es immer wieder kreativ ausgeweitet, auch auf iranische Ziele.
Ob diese Argumentation auch dieses Mal standhält, dürfte letztlich die Gerichte beschäftigen. Die Demokraten kündigten bereits Untersuchungen im Repräsentantenhaus an. Viele sprechen von einem Verfassungsbruch, den Trump begangen habe, indem er den Kongress in Kriegsfragen umgangen habe. Sogar ein Amtsenthebungsverfahren wird darum bereits von der linken Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez gefordert.
Die politischen Gefahren für Donald Trump dürften von dieser Flanke aus aber einigermaßen überschaubar sein. Denn ohne Mehrheit in beiden Kammern ist die politische Durchschlagskraft der Demokraten derzeit begrenzt. Ein erfolgreiches sogenanntes Impeachment-Verfahren gegen den US-Präsidenten ist darum sehr unwahrscheinlich. Vorausgesetzt, der Krieg mit dem Iran eskaliert nicht. Falls doch, könnte es politisch schwierig für Trump werden. Denn die Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus ist hauchdünn.
Ein Wendepunkt mit globaler Tragweite
Donald Trumps Angriff könnte ein historischer Wendepunkt sein. Der Ausgang ist indes vollkommen offen. Sollte die Operation tatsächlich das Ende des iranischen Nuklearprogramms bedeuten, hätte Trump nicht nur ein geopolitisches Ziel erreicht, sondern womöglich das Mullah-Regime nachhaltig geschwächt.
Der Schlag gegen die iranische Infrastruktur könnte zudem die Achse Moskau–Peking–Teheran–Pjöngjang empfindlich treffen. Gerade in Zeiten der neuen Blockbildung zwischen Autokratien und Demokratien wäre dies ein strategischer Coup. Es wäre ein "Enthauptungsschlag", der weit über den Nahen Osten hinaus Wirkung entfalten könnte.
Aber auch das Gegenteil ist möglich: Der Angriff auf die drei Nuklearanlagen könnte als derart feindliche Provokation gewertet werden, dass sie die Islamische Republik sogar zusammenschweißt statt spaltet. Die iranische Führung muss nicht nur mutmaßlich zig Milliarden Dollar Investitionen in ihr Nuklearprogramm verkraften, sondern auch die zahlreichen Tötungen von obersten Militärs und die Zerstörung vieler strategischer Anlagen.
Das Mullah-Regime könnte sich nun erst recht daran machen, eine Atombombe oder eine schmutzige Bombe – also eine Bombe, die radioaktives Material freisetzt – zu entwickeln. Auch könnte Teheran seine asymmetrische Kriegsführung fortsetzen: Neue Cyberattacken, verdeckte Operationen, Proxykriege sind nicht automatisch vorüber. Der Schlag der Amerikaner könnte auch eine ganz neue Phase hybrider Kriegsführung gegen den ganzen Westen einläuten, mit den üblichen Akteuren und den Großmächten Russland und China im Hintergrund.
Die US-Soldaten im Nahen Osten sind nicht ohne Grund in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden. Jede Stunde ohne Antwort aus Teheran erhöht aktuell die Anspannung. Die kommenden Tage könnten entscheiden, ob die Region in einen Flächenbrand gerät.
Sollte es Trump gelingen, aus einem völkerrechtlich umstrittenen Präventivschlag einen Friedensprozess zu machen, wäre das der wohl vorerst größte Erfolg seiner Präsidentschaft. Wenn nicht, könnte er statt als Friedensstifter als Kriegstreiber in die Geschichte eingehen.
- Eigene Überlegungen
- Ansprache des US-Präsidenten (Englisch)
- Truth Social Profil von Donald Trump (Englisch)