Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Trumps Eintritt in den Krieg Das kann ihn teuer zu stehen kommen

In der Nacht zum Sonntag haben die USA nach eigenen Angaben die drei wichtigsten Atomanlagen des Iran angegriffen und mutmaßlich zerstört. Die Folgen der Attacke sind unvorhersehbar – für den Nahen Osten und darüber hinaus.
Wenn es stimmt, was die US-Regierung unter Donald Trump behauptet, dann sind die Einrichtungen Isfahan, Natans und Fordo, in denen der Iran mutmaßlich waffenfähiges Uran anreicherte, Geschichte. Amerikanische Tarnkappenbomber vom Typ B-2 haben demnach über den Anlagen, so behauptet es der US-Präsident, "eine volle Bombenladung" abgeworfen. Auch wenn der Iran diese Aussagen nicht bestätigt und erst recht keine unabhängige Quelle sie verifizieren kann, ist nach Lage der Dinge davon auszugehen, dass das Mullah-Regime in Teheran auf dem Weg, eine Atommacht zu werden, weit zurückgeworfen wurde.
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Der Iran will "mit allen Mitteln" auf das militärische Eingreifen der USA reagieren. Am Morgen sandte er mindestens 40 Flugkörper gen Israel. Nicht alle konnte die israelische Luftabwehr vom Himmel holen: Dutzende Menschen wurden verletzt. Es steht zu befürchten, dass das nicht die letzte Reaktion der iranischen Führung war. Und auf jede ihrer Antworten werden Israel und die USA ihrerseits reagieren.
Jede neue Eskalation im Nahen Osten, jede weitere Umdrehung der Gewaltspirale, muss die Welt zutiefst besorgen. Denn kein noch so entschiedenes Machtwort von außen, kein noch so entschlossener Militärschlag kappt die Lunte zu diesem ewigen Pulverfass. Der US-Angriff mag die Lage im Nahen Osten zwar kurzfristig beherrschbarer und zumindest für Israel sicherer machen. Ein langfristiger Frieden oder aber eine nachhaltige Entspannung sind dennoch unwahrscheinlicher denn je. Im Gegenteil: die Krise droht zum endlosen Krieg zu werden, in den noch mehr Länder hineingezogen werden könnten und der andere teuer zu stehen kommen wird. Auch Donald Trump selbst.
Der Iran soll der Atomwaffe sehr nahe gewesen sein
Nach der Auffassung der internationalen Atombehörde IAEA verfügte der Iran zum Zeitpunkt der US-Luftschläge über Uran, das bis auf 60 Prozent angereichert wurde. Ab einer Anreicherungsstufe von 20 Prozent gilt Uran als "hochangereichert". Sobald ein Anreicherungsgrad von 90 Prozent erreicht wird, können damit auch atomare Sprengköpfe hergestellt werden.
"Die Atomwaffe" in der Hand religiöser Fanatiker, die die Auslöschung Israels mehr oder minder unverblümt zur Räson ihrer islamischen Republik gemacht haben, ist eine Vorstellung, die die internationale Staatengemeinschaft nicht akzeptieren kann. Israel schon gar nicht. Nichts würde die Auslöschung Israels für das Regime in Teheran erreichbarer machen als eine Batterie nuklear bestückter Raketen. Die Folgen für die ganze Welt wären unabsehbar.
Israel in seiner jetzigen Form wäre möglicherweise verloren. Kein amerikanischer Stützpunkt in der Region wäre mehr sicher, kein Verbündeter, auch die gesamte arabische Welt nicht, wo viele den Iran mit tiefem Argwohn sehen. Nicht auszuschließen, dass andere Mächte in der Region versuchen würden, sich ebenfalls in die Lage zu versetzen, Atomwaffen einsetzen zu können.
Reflexhafte Kritik und spontanes Aufatmen
Insofern hatte Donald Trump einige starke Argumente auf seiner Seite, als er den Befehl zum Angriff auf die iranischen Atomanlagen gab. So geübt man darin ist, Trumps Entscheidungen reflexhaft zu kritisieren und ihn zu dämonisieren: Den Iran auf seinem Weg zur Atommacht entscheidend zurückzuwerfen, ist nachvollziehbar, vielleicht sogar notwendig gewesen.
Die Menschen in Israel dürften darüber aufatmen. Sofern ihnen das überhaupt möglich ist, während sie gerade wieder einmal ihre Luftschutzkeller verlassen, in die sie sich vor jedem neuen aus dem Iran anfliegenden Raketen- und Drohnenschwarm flüchten müssen. Und dem Regime in Teheran könnte der harte Schlag der US-Luftwaffe deutlich machen: Die Geduld der internationalen Staatengemeinschaft im Allgemeinen und des US-Präsidenten im Besonderen ist endlich. Der Weg des Iran zurück an den Verhandlungstisch könnte daher Menschenleben retten, vor allem im Iran und gerade auch in der iranischen Führung selbst. Trump und Israels Ministerpräsident Netanjahu haben mehrfach deutlich gemacht, dass sie Pläne zur gezielten Tötung von Mitgliedern der religiösen, der politischen wie auch der militärischen Führung des Landes in der Schublade liegen haben.
Welche neuen Gefahren hat der US-Angriff heraufbeschworen?
Das alles könnten kurzfristige positive Folgen des US-Militärschlages sein. Doch bislang sieht es nicht danach aus, dass der Iran einlenkt. Daher wirft Trumps Entscheidung für einen Angriff Fragen auf, die mittel- und langfristig weit weniger Anlass zu Optimismus bieten:
- Über welches konventionelle Arsenal verfügt der Iran noch, wenn er nun auf Rache sinnt und vor allem Israel, möglicherweise aber auch amerikanische Ziele, in der Reichweite seiner Waffen ins Visier nimmt?
- Welche Mittel einer hybriden Kriegsführung stehen dem Mullah-Regime zur Verfügung? Welche Terroreinheiten kann er mobilisieren, um auch zivile, "weiche" amerikanische und israelische Ziele in der Region und über sie hinaus zu treffen?
- Waren die Luftschläge massiv genug, um die drei entscheidenden Aufbereitungsanlagen für das iranische Atomwaffenprogramm wirklich unschädlich zu machen? Die "New York Times" will erfahren haben, dass Fordo zwar "schwerbeschädigt" sei, aber nicht vollständig zerstört. Oder haben Israel und die USA mit ihren Luftschlägen ein Regime bis aufs Blut gereizt, das nach wie vor nicht weit davon entfernt ist, auch atomar antworten zu können?
- Hat der Angriff jede Chance auf eine diplomatische Annäherung mit Teheran endgültig zunichtegemacht – und damit jede Aussicht auf eine nachhaltige, langfristige Entspannung in der Region?
- Destabilisiert die neuerliche Eskalation des Krieges die Region noch mehr, in der stets alles mit allem zusammenhängt? Löst sie weitere Krisen, nationale Unruhen oder gar andere kriegerische Akte aus? Und setzt sie große Flucht- und Migrationsbewegungen in Gang?
- Zuletzt: Welche Weltmächte könnten die jüngsten Entwicklungen zum Anlass nehmen, sich in den Krieg zwischen Israel und dem Iran gleichfalls einzuschalten? Wie reagiert Wladimir Putin? Er verurteilte ihn nach dem Angriff umgehend als "unverantwortlich und völkerrechtswidrig". Der russische Präsident will Abbas Araghtschi, den Außenminister des Iran, am Montag im Kreml empfangen. Beide Länder haben eine strategische Partnerschaft, und Putin ist auf Waffenlieferungen aus dem Iran angewiesen, solange er die Ukraine seinerseits mit Krieg überzieht.
Diese und andere Fragen stellen sich derzeit viele Menschen. Selbst der Papst im Vatikan hat sich heute zu Wort gemeldet: Kein Krieg löse Probleme, twitterte Leo XIV. Krieg schlage tiefe Wunden, die über Generationen hinweg nicht heilten. Und weiter: "Die Diplomatie soll die Waffen zum Schweigen bringen!" Es deutet derzeit wenig darauf hin, dass sich dieser Wunsch rasch erfüllen könnte.
- Eigene Beobachtungen
- New York Times: Live Updates: Strikes Caused ‘Severe Damage’ to Iranian Nuclear Sites, U.S. Officials Say