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Wahlkampfexperte Spreng im Interview: "Schulz hat mich nicht überzeugt"


Martin Schulz' Wahlkampf
"Von da an begann der Abstieg"

t-online, David Ruch

Aktualisiert am 22.08.2017Lesedauer: 5 Min.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bei einem Wahlkampfauftritt in Bremen.Vergrößern des BildesSPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bei einem Wahlkampfauftritt in Bremen. (Quelle: Michael Bahlo/dpa-bilder)
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Ist der Zug für Martin Schulz längst abgefahren? Wie groß sind die Chancen der SPD, das Ruder noch herumzureißen? t-online.de sprach mit dem Wahlkampf-Experten Michael Spreng.

Spreng kennt sich aus mit Wahlkampf: 2002 leitete der gebürtige Darmstädter und frühere "Bild am Sonntag"-Chef die Kampagne von Edmund Stoiber, schrammte mit dem damaligen CSU-Chef nur knapp an der Kanzlerschaft vorbei. Im Gespräch mit t-online.de analysiert der Politikberater die Wahlkampf-Strategien der Parteien, schätzt die Chancen der SPD ein und erklärt, wer aus seiner Sicht den besten Wahlkampf macht.

t-online.de: Mit der Nominierung von Martin Schulz löste die SPD zu Beginn des Jahres eine bemerkenswerte Euphorie aus. Mittlerweile liegen die Sozialdemokraten in Umfragen wieder weit hinter der Union. Halten Sie es für möglich, dass die SPD ein solches Feuer vor der Wahl noch einmal entfachen kann?

Michael Spreng: Ich halte es für ausgeschlossen, dass die SPD in den letzten Wochen des Wahlkampfes noch einmal 15 Prozent aufholt und die CDU überholt. Dafür müsste ein ganz außergewöhnliches Ereignis eintreten, in dem Frau Merkel große Fehler macht. Das ist aber nicht zu erwarten. Insofern sehe ich nicht, wie die SPD diesen Rückstand aufholen soll.

Für Martin Schulz sprach nach seiner Nominierung, dass er ein bundespolitisch unbefleckter Politiker war, dessen Sprache beim Wähler gut ankommt. Zudem war von einer gewissen Merkel-Müdigkeit die Rede. Ist das inzwischen alles verflogen?

Ja. Das war nur ein Stimmungsbild von vier bis sechs Wochen. Und zwar genau in der Zeit zwischen der Nominierung von Schulz und der Wahl im Saarland. Im Saarland hat die SPD den entscheidenden strategischen Fehler gemacht, auf Rot-Rot zu setzen. Das führte zur Mobilisierung von CDU-Wählern. Außerdem hatte zur selben Zeit Frau Merkel ihren Frieden mit Horst Seehofer gemacht. Die CDU/CSU trat wieder geschlossener auf. Diese beiden Ereignisse waren entscheidend. Von da an kehrte sich der Trend um und der Abstieg von Martin Schulz begann.

Hat die SPD im Wahlkampf noch weitere Fehler gemacht?

Natürlich. Martin Schulz war nach der Saarland-Wahl mehrere Wochen bundespolitisch verschwunden, anstatt Merkel mit Forderungen und Vorschlägen vor sich her zu treiben. Er folgte dabei dem Rat von Hannelore Kraft, was ein schlechter Rat war. Dadurch wurde der Abwärtstrend beschleunigt. Hinzu kamen die Wahlniederlagen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Ein weiterer Fehler von Schulz war, dass er die Macron-Euphorie nicht ausgenutzt hat für eine eigene, überzeugende Europa-Kampagne. Er hätte an der Spitze der deutschen Europa-Demonstrationen stehen müssen.

Zeigen die Wahlerfolge der CDU im Saarland, in Schleswig-Holstein und in NRW, dass der Wähler sich letztlich doch am Vertrauten orientiert?

Das stimmt. Der Wähler setzt auf das Beständige, das Vertraute: Irgendwie werde es mit der Kanzlerin schon weitergehen. Aber dazu kam eben dieser Wahlkampf der verpassten Gelegenheiten, den Martin Schulz gemacht hat. Beides zusammen hat zu diesen Veränderungen geführt.

Zur Unzeit kommt nun für die Sozialdemokraten auch noch die Debatte um die Kreml-Kontakte von Gerhard Schröder hinzu. Zwar hat sich die Parteispitze von ihrem Altkanzler distanziert. Aber hat die SPD nun dennoch ein Glaubwürdigkeitsproblem?

Für die SPD gilt der alte Fußballer-Spruch: Erst hatte man kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu. Schröder verhagelt den Wahlkampf jetzt endgültig. Diese Unterwerfung Schröders unter Putins wirtschaftliche und politische Interessen schadet der SPD im Wahlkampf natürlich sehr. Die halbherzige Distanzierung von Martin Schulz wird nicht ausreichen.

Sie haben 2002 den Wahlkampf von Edmund Stoiber gemanagt. Was würden Sie Martin Schulz in der jetzigen Situation raten?

Wenn ich ehrlich bin: Mir fällt kein Rat mehr ein, wie man das Blatt noch wenden könnte. Er kann den Wahlkampf jetzt eigentlich nur noch mit Anstand zu Ende führen. Etwas anderes bleibt ihm gar nicht übrig. Er kann noch auf das TV-Duell setzen und muss versuchen, Frau Merkel dort konkret zu stellen. Die Kanzlerin weicht ja in vielen Fragen aus oder hat unbestimmte Positionen etwa bei der Rente oder der Steuerpolitik. Aber auch das wird das Blatt am Ende nicht mehr wenden.

Für die Konkurrenz der Union ist es überhaupt schwierig, Frau Merkel zu stellen. Man wirft ihr häufig vor, Debatten aus dem Weg zu gehen. Ist das aber auch ein Teil ihres Erfolgsrezept?

So führt sie ja seit Jahren Wahlkampf, indem sie Konflikten ausweicht und versucht, nicht die Wähler der Gegenseite zu mobilisieren. Man spricht hier auch von asymmetrischer Demobilisierung. Das heißt, es geht weniger darum, die eigenen Wähler zu mobilisieren als vielmehr darum, die Gegenseite zu demobilisieren. Diese Strategie behält sie bei. Frau Merkel zu stellen, ist wie der Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln.

Halten Sie das nicht ein Stück weit für schädlich? Manche Beobachter meinen, das schade dem demokratischen Diskurs in unserem Land.

Es wirkt in jedem Fall entpolitisierend. Politik lebt von Kontroversen und unterschiedlichen Positionen, um die hart gerungen wird. Da Frau Merkel das nicht macht, entpolitisiert sie die Wahlkämpfe. Das ist sicherlich schädlich für die Demokratie. Aber sie ist damit erfolgreich und behält deshalb das Rezept bei.

Welche Parteien machen aus ihrer Sicht den handwerklich besten Wahlkampf?

Die Linke und die FDP. Die Linke macht einen sehr konkreten Wahlkampf und hat eine klare Linie der sozialen Gerechtigkeit, die sie konsequent durchzieht. Das sieht man etwa auf ihren Plakaten. Die FDP macht einen unkonventionellen Wahlkampf, der ganz auf Parteichef Christian Lindner zugeschnitten ist. Die Plakate sind eine Mischung aus Personenkult und Argumentation.

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Was vermissen sie in diesem Wahlkampf?

Es wird nicht über die Zukunft Deutschlands gestritten. Wo soll Deutschland im Jahr 2030 stehen? Was ist der Plan für die Zukunft? Was sind Chancen und Risiken für junge Leute? Dieser Wahlkampf ist sehr auf die Gegenwart bezogen. Die SPD führt mit ihrem Thema soziale Gerechtigkeit auch einen Status-Quo-Wahlkampf. Sie will die Lage von Unterprivilegierten verbessern. Das ist im Prinzip auch in Ordnung, ist aber eben kein Zukunftswahlkampf. Wir leben in einer Welt mit riesigen Umwälzungen. Keiner weiß, ob Jobs zukünftig noch sicher sind, ob uns die Computer bald überrollen. All die Fragen, die den Menschen auch Angst machen, spielen im Wahlkampf überhaupt keine Rolle.

Der Wahlkampf verlagert sich zunehmend ins Internet. Zugleich wird die Gesellschaft immer älter. Bleiben dabei gesellschaftliche Gruppen auf der Strecke?

Nein, das glaube ich nicht. Ein Wahlkampf wird ja nicht dadurch moderner, dass man ins Internet geht. Es hängt vielmehr von den Botschaften und Themen ab. Ein langweiliger und rein gegenwartsorientierter Wahlkampf wird auch nicht dadurch spannender, dass er mit modernen Mitteln geführt wird. Für die Älteren wird ja viel getan, was sich etwa in der Debatte um die Zukunft der Rente zeigt. Die Älteren können sich nicht beschweren, eher die Jungen.

Was werden Sie denn persönlich wählen?

Nur soviel: Schulz hat mich nicht überzeugt.

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