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Jens Spahn: Islamgesetz in Österreich "könnte ein Vorbild sein"


Islamgesetz in Österreich: "Das könnte ein Vorbild sein"

Von Miriam Hollstein

Aktualisiert am 01.12.2022Lesedauer: 6 Min.
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Jens Spahn ist Vizevorsitzender von CDU und CSU im Bundestag. Er ist für die Themen Wirtschaft, Klima und Energie zuständig.Vergrößern des Bildes
Jens Spahn ist Vizevorsitzender von CDU und CSU im Bundestag. Er ist für die Themen Wirtschaft, Klima und Energie zuständig. (Quelle: Christian Spicker/imago images)

Der Vize der Union im Bundestag, Jens Spahn, hält die WM-Kritik für verlogen. Wer Katar kritisiere, müsse auch in Deutschland härter gegen Islamisten durchgreifen.

Jens Spahn ist im Stress. Er kommt verspätet von einem Treffen der Fraktion, das länger gedauert hat als geplant. Das nächste fängt gleich an. Trotzdem nimmt er sich Zeit für ein Thema, das ihm am Herzen liegt: die Doppelmoral der WM-Kritiker, die die Missstände in Katar verurteilen, aber darüber hinwegsehen, was in einigen Moscheen in Deutschland gepredigt wird. Für gefährlich hält er auch eine andere Entwicklung in Deutschland.

t-online: Herr Spahn, gucken Sie im Moment Fußball oder boykottieren Sie die WM?

Jens Spahn: Ich habe bislang lediglich das Spiel Deutschland gegen Japan gesehen. Das hat aber keine politischen, sondern terminliche Gründe. Grundsätzlich halte ich nichts davon, die Frage "WM schauen oder nicht" zu politisieren. Wir hatten zuletzt eine WM in Russland und Olympische Spiele in China, warum also gerade jetzt die Boykott-Debatte? Ich sehe da viel Gratismut bei den Kritikern.

Würden Sie mit Ihrem Mann nach Katar fliegen?

Nein, wir reisen privat prinzipiell nicht in Länder, die Schwule ablehnen. Die möchte ich nicht unterstützen, indem ich dort mein Geld lasse.

Warum stören Sie dann die Boykottaufrufe? Katar steht unter anderem in der Kritik, weil dort Homosexuelle verfolgt werden.

Ich verstehe die Kritik vollkommen. Alles an einer WM in Katar ist falsch: Das Land missachtet Menschenrechte, hat keine Fußballtradition und es ist eigentlich zu heiß für den Sport. Aber die Entscheidung, die WM an Katar zu vergeben, wurde 2010 getroffen. Jetzt bürdet man die Last der Folgen Fußballspielern auf, die damals zum Teil noch Kinder waren. Und den Zuschauern. Das ist unfair. Außerdem irritiert mich die Doppelmoral der Kritiker.

Wie meinen Sie das?

Dieselben Leute, die Katar wegen der Diskriminierung von Schwulen anprangern, sehen gern darüber hinweg, dass in vielen Moscheegemeinden in Deutschland genau der gleiche reaktionäre Unsinn gepredigt wird. Da wird regelmäßig gegen Schwule gehetzt, die Gleichwertigkeit von Frauen nicht akzeptiert und das Bild vom verweichlichten Westen gepredigt. Wie in Katar. Und Kritiker, die das ansprechen, wie Ahmad Mansour, werden sogar als islamfeindlich oder rassistisch diffamiert.

Daniel Funke und Jens Spahn: Das Unternehmen, für das Funke als Lobbyist tätig ist, hat Spahns Ministerium offenbar Masken verkauft.
Jens Spahn (re.) mit Ehemann Daniel Funke (Quelle: POP-EYE/imago-images-bilder)

Mit 20 in den Bundestag

Jens Spahn (42) sitzt seit 2002 für die CDU im Bundestag. 2018 kandidierte er vergeblich für den Parteivorsitz. Von 2018 bis 2021 war er Bundesminister für Gesundheit. Seit fünf Jahren ist er mit dem Lobbyisten Daniel Funke verheiratet.

Was fordern Sie?

Wer gegen die WM in Katar ist, der sollte rechtlich unterbinden, dass die Katarer Moscheen und Islamische Gemeinden in Deutschland finanzieren. Und der sollte mit seiner "One Love"-Binde lieber die nächste Millî-Görüş-Gemeinde besuchen und dort für Toleranz werben. Ich halte es außerdem für völlig falsch, dass Bundesinnenministerin Faeser den Expertenkreis Politischer Islamismus eingestellt hat.

Sie fordern neue rechtliche Regelungen?

Österreich hat ein Islamgesetz. In Deutschland ist so etwas wegen des Föderalismus schwieriger, aber in der Tat könnte das ein Vorbild sein. Wir brauchen Vorschriften für Transparenz bei der Finanzierung von Moscheen. Imame sollten gesetzlich verpflichtet werden, Deutsch zu sprechen. Und wir müssen aufhören, den reaktionären Islam in Deutschland schönzureden. Die neueste Theorie ist ja, dass junge Männer zu Islamisten werden, weil sie antimuslimischen Rassismus erleben.

Sie bestreiten, dass es Rassismus gegen Muslime in Deutschland gibt?

Nein, den gibt es. Und den müssen wir entschieden bekämpfen. Wer aber vor dem politischen Islam in Deutschland die Augen verschließt, dessen Kritik an Katar ist unglaubwürdig. Eine wachsende Zahl von Islamisten in Deutschland gibt es jedenfalls aus anderen Gründen.

Wo sehen Sie die Gründe?

Ein Grund für die Verbreitung von Islamismus in Deutschland ist, dass wir weghören, wenn die radikalen Prediger in Deutschland auf Menschenfang sind. Dass wir wegschauen, wenn die Türkei oder Katar in Moscheegemeinden politisch agitieren. Und dass wir aus einer falsch verstandenen Toleranz heraus Menschen zu Rassisten erklären, die all das kritisieren.

Was fordern Sie konkret?

Wir sollten uns viel stärker mit den liberalen Muslimen unterhaken. Es reicht nicht, nur mit den bekannten islamischen Organisationen zusammenzuarbeiten. Wenn im Zentralrat der Muslime Gruppierungen Mitglied sind, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, ist das inakzeptabel.

Nach dem WM-Spiel Belgien gegen Marokko haben junge Muslime in Brüssel Teile der Stadt verwüstet. Was läuft da schief?

Das ist ein Beispiel für gescheiterte Integration. Junge, gewaltbereite Männer mit nationalistischen oder reaktionären Weltbildern sind eine besondere Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden. In Brüssel leben nach Ethnie und Religion getrennte Parallelgesellschaften nebeneinander her, eine vergleichbare Situation haben wir auch in einigen deutschen Städten. Deshalb müssen wir das Gemeinschaftsgefühl stärken, einen weltoffenen Patriotismus fördern. Und das Wohlstandsversprechen – Wohlstand für alle – viel stärker für Zugewanderte einlösen, das galt leider für die Gastarbeiter-Generation zu oft nur bedingt. Da braucht es eine neue Erzählung: Wer mit anpackt und unsere Werte teilt, gehört ohne Abstriche dazu. Und mit denen, die mit uns das Land und unsere gemeinsame Zukunft gestalten wollen, sollten wir zusammen gegen die stehen, die unsere freie Gesellschaft und ihre Werte ablehnen. Eine beschleunigte Staatsbürgerschaft ist da nicht der springende Punkt.

Sie spielen auf die von der Ampel geplante Reform der Staatsbürgerschaft an. Die ist aber gerade ein Versuch, diejenigen schneller zu integrieren, die Teil unserer Gesellschaft sein wollen.

Das ist aber kein rechtliches Problem. Richtig ist: Wer deutscher Staatsbürger werden will, erlebt oft zu viel Bürokratie und einen schwierigen Umgang der überlasteten Behörden. Da entsteht das Gefühl, man sei nicht gewollt. Dafür brauchen wir aber kein neues Gesetz, sondern einen Abbau von Bürokratie und eine bessere Willkommenskultur in den Behörden. Auch bei der Fachkräfte-Einwanderung.

Die Reform sieht vor, dass man schon nach fünf statt nach acht Jahren deutscher Staatsbürger werden kann, in besonderen Fällen sogar schon nach drei – zum Beispiel, wenn man ehrenamtlich tätig ist. Was spricht dagegen?

Was spricht dagegen, die jetzigen Fristen beizubehalten? Acht Jahre Wartezeit für das Erlangen der Staatsbürgerschaft zeigt eben auch, wie wertvoll uns diese ist.

Ist eine Ehe, die nach fünf Jahren Beziehung geschlossen wird, per se schlechter als eine, die nach acht Jahren geschlossen wird?

Der große Unterschied besteht darin, dass sich eine Ehe leichter auflösen lässt als eine Staatsbürgerschaft. Wir haben laut OECD schon jetzt eines der modernsten Einwanderungsgesetze der Welt. Es ist ein Irrglaube, dass wir mehr Fachkräfte nach Deutschland bringen, wenn wir ihnen schon nach fünf Jahren die Staatsbürgerschaft versprechen. Daran scheitert die Fachkräftezuwanderung sicher nicht. Ich halte es auch für einen Fehler, die doppelte Staatsbürgerschaft wieder als Regelfall zuzulassen.

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Warum?

Weil es den sozialen Frieden gefährden kann, wenn Menschen sich nicht für ein Land entscheiden müssen. Was dazu kommt: Wir haben in absoluten Zahlen in den letzten zehn Jahren mehr Menschen aufgenommen als jedes andere Land. Aber diese sind längst nicht alle integriert. Zwei Drittel der syrischen Flüchtlinge haben keine Arbeit. Unsere Schulen und Kitas sind überfordert damit, den Kindern gerecht zu werden, weil allein die Sprachvermittlung so viele Kapazitäten bindet. Das alles reicht als Aufgabe, das löst man nicht mit schnelleren Staatsbürgerschaften. Der FDP-Generalsekretär Djir-Sarai hat deshalb völlig recht, wenn er darauf drängt, erst mal die Rückführungen von Ausreisepflichtigen konsequent durchzusetzen, bevor wir die Staatsbürgerschaft reformieren.

Zurück zu Katar: Die Deutsche Umwelthilfe hat das jüngste Energieabkommen mit dem Emirat als "schmutzigen Deal" mit einem fragwürdigen Regime kritisiert. Zu Recht?

Wir müssen als Exportnation aufpassen, dass wir nicht unsere gesamte Außen- und Wirtschaftspolitik moralisieren. Wir sehen bei Robert Habeck, wie schief das geht. Er macht einen Knicks vor dem Emir, um sechs Monate später zu erzählen, dass man die "One Love"-Binde bei der WM tragen soll. Eine Woche später unterzeichnet er einen 15-Jahres-Vertrag mit Katar – und findet den nach eigenen Worten super. Dieses Hin und Her ist nicht aufrichtig. Das Wichtigste ist: Wir dürfen uns nie wieder von einem einzigen Land so abhängig machen, wie wir es von Russland waren und von China sind.

Und dafür atmet man dann Menschenrechtsverletzungen einfach weg?

Natürlich muss man die ansprechen. Aber am Ende geht es um handfeste Politik. Armbinden beeindrucken Autokraten nicht. Mit Diplomatenstatus nach Katar zu fahren, sich mit "One Love"-Binde auf die Tribüne zu setzen und sich feiern zu lassen …

… Sie sprechen von Innenministerin Nancy Faeser ...

… wird an der Diskriminierung von Schwulen überhaupt nichts ändern.

Zum Schluss eine persönliche Frage: In einem Bericht des "Spiegel" wird angedeutet, Sie könnten das Geld für Ihre 4-Millionen-Euro-Villa durch undurchsichtige Geschäfte erworben haben. Haben Sie?

Nein. Mein Mann und ich haben Kauf und Renovierung unseres Hauses so finanziert, wie es Millionen Deutsche tun: den größten Teil mit einem Kredit meiner heimischen Sparkasse. Und durch Eigenkapital, in unserem Fall vor allem aus dem Verkauf von Wertpapieren. Ich habe als gelernter Bankkaufmann in den letzten 20 Jahren erfolgreich Geld angelegt, ja. Zudem bin ich als Politiker per Gesetz als sogenannte politisch exponierte Person eingestuft. Die Bank muss besonders sorgfältig prüfen. Das hat sie getan.

In einer früheren Version stand, die WM-Vergabe habe 2012 stattgefunden. Wir haben den Fehler korrigiert.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Jens Spahn im Bundestag
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  • Florian Schmidt
Von Florian Schmidt

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