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Zentrum für Politische Schönheit: "Terroristen" gegen Weidel und die AfD


Kunstgruppe übertönt Weidel-Interview
Plötzlich fährt ein ehemaliger Gefangenentransporter vor


22.07.2025 - 16:27 UhrLesedauer: 5 Min.
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Alice Weidel (AfD) im ARD-Sommerinterview: Das Gespräch war merklich von Störern übertönt worden. (Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/imago)
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Das "Sommerinterview" der ARD mit AfD-Chefin Alice Weidel wurde von Aktivisten lautstark übertönt. Das Kollektiv, das hinter der Aktion steckt, hat sich schon seit Langem dem Kampf gegen die AfD verschrieben.

Als der Leiter des ARD-Hauptstadtbüros, Markus Preiß, am Sonntag das Interview mit der AfD-Co-Chefin Alice Weidel eröffnete, waren sie schon da: Am Reichstagsufer im Berliner Regierungsviertel hatte sich eine Gruppe Demonstranten zusammengefunden – genau gegenüber von der Treppe des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, auf der das live im TV übertragene Gespräch stattfand. Mit Sprechchören und Trillerpfeifen machten die Protestierenden lautstark auf sich aufmerksam. Doch das sollte erst der Anfang sein.

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Weidel fühlte sich sichtbar von den Protesten gestört, machte auch immer wieder darauf aufmerksam, dass sie die Fragen des ARD-Journalisten kaum verstehen könne. Rund 13 Minuten nach Beginn des Gesprächs fuhr dann ein silberblauer Bus auf der Paul-Löbe-Allee vor, der dort – gut auf den Fernsehbildern sichtbar – Halt machte. Wenige Augenblicke später erklang ein Protestlied gegen die in Teilen rechtsextreme AfD vom Band, das offensichtlich von der Lautsprecheranlage des Busses stammte.

Video | ARD-Sommerinterview mit Alice Weidel von Protesten gestört
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Quelle: reuters

Das Gefährt ist als "Adenauer SRP+" bekannt, ein ehemaliger Gefangenentransporter, den das Kunstkollektiv Zentrum für Politische Schönheit schon seit dem vergangenen Winter auf verschiedene Anti-AfD-Proteste schickt.

Auch die Demonstration gegen das ARD-"Sommerinterview" mit Weidel organisierte das Kollektiv. Wer steckt hinter dem Zentrum für Politische Schönheit? Was ist das Ziel des Kollektivs? Und wie finanziert sich die Gruppe? t-online gibt einen Überblick.

Was ist das Zentrum für Politische Schönheit?

Beim Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) handelt es sich um ein Künstlerkollektiv, das seit 2009 regelmäßig mit Aktionskunst auf sich aufmerksam macht. Gegründet wurde die Gruppierung von Philipp Ruch, der noch immer in der Öffentlichkeit als Kopf des ZPS auftritt. Hinter Ruch sollen laut Angaben des ZPS aus dem Jahr 2023 zumindest an manchen Aktionen mehr als 100 Künstler mitwirken. Wie viele Menschen genau Teil der Gruppierung sind, ist öffentlich nicht bekannt.

Auf seiner Webseite nennt sich das ZPS selbst das "'Sturmgeschütz' des Humanismus". Ferner bezeichnet sich die Gruppierung als "einzige weltweit nur von Björn Höcke anerkannte Terrororganisation".

Was ist das Ziel der Arbeit des ZPS?

Das ZPS selbst schreibt in seinem Internetauftritt: "Wir lassen Aktionen mit Hochgeschwindigkeit in die deutsche Wirklichkeit krachen. Und erinnern die Öffentlichkeit an die Kraft des Humanismus." Darüber hinaus schreibt die Gruppierung, dass sie den Kampf für Menschenrechte radikalisiere und die "Macht der Fantasie" mit der "Macht der Geschichte" verschmelze.

Weiter heißt es: "Grundüberzeugung ist, dass die Lehren des Holocaust durch die Wiederholung politischer Teilnahmslosigkeit, der Abwehr von Hilfesuchenden und Feigheit annulliert werden und dass Deutschland aus der Geschichte nicht nur lernen, sondern auch handeln muss." Gedenken, heiße kämpfen, schreibt das ZPS weiter. Dabei grenzt sich die Gruppierung laut ihrer Webseite etwa von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ab, deren Arbeit dem ZPS eigenen Angaben zufolge nicht radikal genug ist.

Wie arbeitet das Künstlerkollektiv?

Erstmals auf sich aufmerksam machte das ZPS am 8. Mai 2009 mit dem "Thesen-Anschlag auf den Deutschen Bundestag". Zu dritt ritten damals Ruch und Kollegen zum Reichstagsgebäude, um nach Vorbild Martin Luthers die Gründungsthesen des Kollektivs und zur "künstlerischen Befreiung Deutschlands" am Haupteingang des Parlaments anzuheften. In den Folgejahren thematisierte das ZPS mit Aktionen etwa die westliche Mitverantwortung am Massaker von Srebrenica oder kritisierte deutsche Waffenexporte.

2014 rückte das ZPS die Fluchtbewegungen über das Mittelmeer nach Europa ins Zentrum der Aktion "Erster Internationaler Mauerfall", die auf die ertrunkenen Migranten an den EU-Außengrenzen aufmerksam machte. Zu jener Zeit wurden Gedenkkreuze der Berliner Mauertoten entwendet. Später entstanden Fotos, die unbekannte Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen mit solchen Kreuzen zeigten. Angeblich handelte es sich dabei um Reproduktionen – die Originale tauchten kurze Zeit nach ihrem Verschwinden grunderneuert wieder auf.

Spätestens seit 2017 ist die AfD das bestimmende Thema der meisten Aktionen des Kollektivs. Damals errichtete das ZPS auf einem Nachbargrundstück in Sichtweite des Hauses von Björn Höcke im thüringischen Bornhagen einen Nachbau des Berliner Holocaust-Mahnmals. Hintergrund der Aktion ist die vielfach kritisierte Rede Höckes vom Januar 2017, in der er in Dresden eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" forderte und das Holocaust-Mahnmal als "Denkmal der Schande" diffamierte. Höcke bezeichnete das Zentrum für Politische Schönheit daraufhin als "terroristische Vereinigung", was das Kollektiv seitdem zu Werbezwecken etwa auf seiner Homepage aufgreift.

Mitten im Bundestagswahlkampf 2021 lancierte das ZPS den "Flyerservice Hahn", ein fiktives Unternehmen zur Verteilung von Flugblättern. Verschiedene AfD-Gruppen nahmen die Dienste der angeblichen Firma an. Das ZPS bekam so laut Medienberichten insgesamt 85 Aufträge von AfD-Organisationen aus mehreren Bundesländern. Demnach soll der "Flyerservice Hahn" fünf Millionen AfD-Flugblätter erhalten haben, die jedoch nicht verteilt, sondern geschreddert wurden.

Im Dezember 2024 informierte das Zentrum für Politische Schönheit über den geplanten Umbau des ehemaligen Gefangenentransporters "Adenauer SRP+". Die SRP war die Sozialistische Reichspartei, die unter dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer verboten wurde. Neben einer potenten Lautsprecheranlage verfügt der Bus über verschiedene technische Eigenheiten, die seit Januar 2025 vor allem auf Demonstrationen gegen die AfD beziehungsweise für ein Verbot der Partei zur Anwendung kommen. Mehrfach wurde er von der Polizei beschlagnahmt, musste jedoch stets wieder herausgegeben werden.

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Wie finanziert sich das Zentrum für Politische Schönheit?

Laut eigenen Angaben finanziert sich das ZPS ausschließlich über Spenden. Dazu bietet die Gruppierung an, für zehn Euro im Monat "Kompliz:in", also Spender, zu werden. Spender haben daraufhin die Möglichkeit, Fanartikel auf der Webseite zu erwerben. Dazu gehören etwa neben T-Shirts des ZPS manchmal auch Überbleibsel der Kunstaktionen, etwa Produkte des fiktiven "Flyerservice Hahn".

Im September 2021 fragte der AfD-Abgeordnete Martin Hess die Bundesregierung, ob das Zentrum für Politische Schönheit Fördermittel des Bundes erhalte. Die damalige Große Koalition ließ dies über Staatssekretär Markus Kerber verneinen.

Tatsächlich arbeitet das ZPS auch mit anderen Künstlern und Institutionen zusammen, allen voran mit dem Berliner Maxim-Gorki-Theater. So wurde im vergangenen Februar kurz vor der Bundestagswahl ein Transparent an der Fassade des Theaters aufgehängt, das ein KI-generiertes Bild des heutigen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) beim sogenannten Bruderkuss mit AfD-Chefin Alice Weidel zeigte.

Darüber hinaus unterstützte das Gorki-Theater bereits 2014 logistisch die ZPS-Aktion "Erster Internationaler Mauerfall", wobei rund 10.000 Euro aus öffentlichen Geldern an das Zentrum für Politische Schönheit flossen. Das Theater nutzte dazu Mittel, die ihm im Zuge des damaligen Festivals "Voicing Resistance" zur Verfügung gestellt wurden.

Auf Anfrage der AfD erklärte die Bundesregierung damals, davon keine Kenntnis gehabt zu haben. Das Gorki-Theater habe für die Veranstaltung rund 100.000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds erhalten und im Rahmen des Festivals über die Ausgestaltung von Projekten mit diesen Mitteln selbst entscheiden können.

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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