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Hamburg-Wahl 2020: Der AfD-Aufstieg kann gestoppt werden


Erkenntnisse zur Hamburg-Wahl
Der Aufstieg der AfD kann gestoppt werden

Eine Analyse von Tim Kummert

Aktualisiert am 24.02.2020Lesedauer: 5 Min.
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Ein Plakat der AfD steht in der Hamburger Landesgeschäftsstelle: Der Einzug der Partei in die Bürgerschaft war bis zuletzt nicht sicher.Vergrößern des Bildes
Ein Plakat der AfD steht in der Hamburger Landesgeschäftsstelle: Der Einzug der Partei in die Bürgerschaft war bis zuletzt nicht sicher. (Quelle: Frank Molter/dpa)

In der Hansestadt kann die SPD noch Wahlen gewinnen, sogar mit deutlichem Vorsprung. Das Bangen um den Einzug der AfD in die Bürgerschaft zeigt jedoch: die Partei kann auch verlieren.

Am Sonntag wurde die Hamburger Bürgerschaft neu gewählt. Die SPD verteidigt ihre Stellung als stärkste politische Kraft, die Grünen können ihr Ergebnis von 2015 verdoppeln. Die Linkspartei wird mit rund neun Prozent in dem Landesparlament vertreten sein, die CDU fährt ihr schlechtestes Ergebnis seit 70 Jahren bei einer Landtagswahl ein. FDP und AfD müssen zunächst um den Einzug in die Hamburger Bürgerschaft zittern – schaffen es dann aber laut erster Auszählung knapp.

Das Wahlergebnis könnte bundespolitische Folgen haben, vor dem Hintergrund der Regierungskrise in Thüringen und des Machtkampfs um die Parteispitze der CDU. Drei Thesen zur Hamburg-Wahl:

1. Die SPD kann Wahlen gewinnen – wenn sie dabei nicht wie die Bundes-SPD agiert

Peter Tschentscher führt seiner Partei vor, wie die SPD noch Wahlen gewinnen kann: Der bisherige Bürgermeister von Hamburg wird wohl auch der Neue sein. Der 54-Jährige mit der kreisrunden Brille hat die Wahl mit Abstand gewonnen, die SPD erhält mehr als 38 Prozent der Wählerstimmen. Prozentwerte, die sich der Zahl 40 nähern, sind für viele Sozialdemokraten sonst weit entfernt. Die Partei liegt deutschlandweit bei nur 14 bis 15 Prozent.

Die SPD in dem Stadtstaat macht eine wirtschaftsfreundliche Politik, auch wegen des Hamburger Hafens. Im Gegensatz zur Bundespartei, wo an der Spitze die personellen Querelen immer wieder aufklaffen, wurde Tschentscher von den Genossen dort mit 99 Prozent zum Spitzenkandidaten gewählt. Er gilt als Pragmatiker, der im Zweifel machbare Lösungen über ideologische Verbohrtheit stellt.

Was Winfried Kretschmann für die Grünen ist, ist Tschentscher für die SPD. Und er agiert mit klarer Linie, die realpolitisch geprägt ist. Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die Chefs der Bundespartei, stehen dagegen eher für einen linken Kurs. Die beiden Parteichefs traten im Hamburger Wahlkampf gar nicht auf. Aus der SPD Hamburg war zu hören, dass vor allem Esken potenzielle Wähler eher verschreckt statt angezogen hätte.

Der Linkskurs der Parteispitze hätte in Hamburg wohl kaum Erfolg gehabt. Zwar ist es nur eine Landtagswahl, dennoch könnten in der Partei nun erneut Debatten über den Richtungsstreit aufkommen. Walter-Borjans und Esken gelten ohnehin als umstritten, denkbar ist, dass der Druck auf sie weiter wächst. Für die Bundespartei ist das eine schlechte Nachricht: Die von vielen Genossen gewünschte Ruhe über die inhaltliche Ausrichtung wird kaum einkehren im Willy-Brand-Haus in Berlin.

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2. Die Folgen des Debakels im Thüringer Landtag bekommen FDP und CDU zu spüren

Die FDP und CDU hatten schon immer keinen leichten Stand in der politisch eher links orientierten Hansestadt. Doch nach den ersten Hochrechnungen am Sonntagabend haben beide Parteien nochmals deutlich an Wählern verloren: Etwa fünf Prozent für die FDP, gut 11 Prozent für die CDU. Das ist ein deutliches Signal, und diese Zahlen haben nicht nur etwas mit Hamburger Lokalpolitik zu tun.

Anfang Januar entfielen auf die FDP bei Umfragen noch sieben bis neun Prozent der Stimmen. Jetzt zittert die Partei um den Einzug in die Hamburger Bürgerschaft. Die FDP warb in Hamburg für eine starken Rechtsstaat, einen "Klimaschutz durch Innovationen" und einen "modernen Mobilitätsmix" – es war ein klassischer, liberaler Wahlkampf, der Erfolg versprach.

Bis zum 5. Februar 2020. An diesem Tag ließ sich Thomas Kemmerich, der FDP-Chef in Thüringen, mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen. Der öffentliche Aufschrei erfolgte prompt, Kemmerich kündigte seinen Rücktritt an – doch der Schaden für die Partei war immens.

Das Bild, das Kemmerich in Thüringen abgab, war das eines Mannes, der sich aus Machtversessenheit von der rechtspopulistischen AfD in den schönen Sessel des Ministerpräsidenten hieven ließ. Dieses Bild färbte auf die Liberalen in Hamburg ab, wohl auch, weil der Bundesvorsitzende Christian Lindner nicht schnell genug Kemmerichs Handeln verurteilte.

Zwar distanzierte sich die FDP-Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels in Hamburg schnell von dem Verhalten Kemmerichs. Sie ahnte, wie gewaltig der Schaden werden könnte, den die Hamburger FDP nach Thüringen nehmen könnte. Doch das half nur begrenzt: Denn die Hamburger sehen die FDP vor Ort nicht völlig losgelöst von anderen Landesverbänden.

Sollte die FDP tatsächlich den Einzug verpassen, ist auch die Zukunft von Parteichef Christian Lindner offen. Der hatte zwar vorher dem "Hamburger Abendblatt" gesagt: "In Hamburg wird nicht über mich abgestimmt." Ein erster Hinweis darauf, dass Lindner klar war, wie stark die Partei in Hamburg unter Druck steht – er wollte schon im Vorhinein nicht für eine mögliche Wahlniederlage verantwortlich gemacht werden.

Doch ein Insider der Partei sagte zu t-online.de: "Die Ruhe bei uns in den letzten Tagen war nur ein Burgfrieden, um die Parteifreunde in Hamburg nicht beim Wahlkampf zu stören. Gelingt uns kein Einzug in die Bürgerschaft, wird der Druck auf Lindner enorm groß."

Die CDU hat andere Sorgen: Die Partei könnte mit der aktuellen Wahl ihr bislang schlechtestes Ergebnis in Hamburg noch unterbieten. 15,9 Prozent der Wähler überzeugte die CDU 2015 in Hamburg, mit dem Spitzenkandidaten Marcus Weinberg erreicht sie jetzt nur noch rund 11 Prozent. In Hamburg sorgte der Zick-Zack-Kurs der CDU in Thüringen für nachhaltigen Schaden am Image der Partei: Erst wollte der dortige Landesverband mit der Linkspartei Gespräche führen, dann doch nicht, anschließend wählten die Unions-Abgeordneten einen FDP-Ministerpräsidenten zusammen mit AfD-Stimmen. Und nun könnten sie doch noch mindestens indirekt die Wahl eines Ministerpräsidenten Ramelow unterstützen.

Doch im Gegensatz zur FDP hat die CDU ein noch größeres Problem als die Querelen in Thüringen. Denn der Kampf um die Spitze der Bundespartei nach dem angekündigten Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer verursacht ein machtpolitisches Vakuum. Momentan ist die inhaltliche Positionierung unklar, verschiedene Kandidaten sind für den Vorsitz im Gespräch. Eigentlich hat die Volkspartei betonartig feste Positionen, doch aktuell geraten diese ins Wanken, weil noch unklar ist, wohin die Partei steuert.

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Der CDU-Wahlkampf in Hamburg hat zwar regionale Aspekte betont, doch für die ohnehin in Hamburg nicht starke Partei ist der Machtkampf an der Spitze der Bundespartei schlecht: Sie rutscht weiter ab. Dies könnte nun weitere Auswirkungen haben. Am Montag ist das nächste Treffen der CDU-Spitzen im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin angesetzt, um über die Nachfolge an der Parteispitze zu beraten. Das Wahlergebnis in Hamburg dürfte weiter Druck auf die Union ausüben, rasch zu einem Ergebnis zu kommen.

3. Der Aufstieg der AfD kann gestoppt werden

Der Hamburger Wahltag macht zunächst den Anschein, er könnte historisch werden: Zum ersten Mal sieht es so aus, als könnte die AfD den Wiedereinzug in ein Landesparlament verpassen: Nach der ersten Auszählung dann, kommt die Partei auf 5,3 Prozent. Selbst wenn die AfD den Einzug in die Bürgerschaft also doch noch knapp erreichen kann: Das Wachstum der Partei ist nicht unbegrenzt.

Eine Rolle dürfte dabei das rassistische Attentat von Hanau spielen, wo ein Mann mehrere Menschen mit Migrationshintergrund kaltblütig erschoss. Zwar versuchte die AfD den Täter als verwirrten Einzeltäter hinzustellen, und dennoch wurde klar, dass er rassistische Ideologien vertrat, die sich so in Teilen der AfD wiederfinden. Menschen in Deutschland wie auch in Hamburg, die mit der Partei liebäugelten, wurde auf deutlichste Weise vor Augen geführt, worin dieser Fremdenhass münden kann: Im mehrfachen Mord. Denkbar ist, dass dies etliche AfD-Wähler nun abgeschreckt hat.

Mit welcher Regierungskonstellation Hamburg künftig regiert wird, ist noch offen: Die Grünen hatten bereits verkündet, dass sie gern in einem Jamaika-Bündnis mit der FDP und CDU regieren möchten. Die Liberalen und die Union wiederum möchten eigentlich lieber selbst mit der SPD eine Koalition eingehen.

Doch so wie die Verteilung der Mehrheiten aktuell aussieht, wird das alte Regierungsbündnis auch das neue werden: Die Stadt wird voraussichtlich weiter von der SPD regiert, die Grünen bleiben Juniorpartner.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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