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Corona-Krise: Spannungen im Parlament – Konsens droht zu zerbrechen


Spannungen im Parlament
Der Corona-Konsens im Bundestag droht zu zerbrechen

dpa, Ulrich Steinkohl

Aktualisiert am 23.04.2020Lesedauer: 4 Min.
Ralph Brinkhaus: Der Fraktionschef der Union betont die hohen Kosten der Corona-Krise.Vergrößern des BildesRalph Brinkhaus: Der Fraktionschef der Union betont die hohen Kosten der Corona-Krise. (Quelle: Metodi Popow/imago-images-bilder)
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Kanzlerin Angela Merkel hat im Bundestag vor übereilten Lockerungen der Corona-Maßnahmen gewarnt. Im Parlament kommt dennoch erstmals deutliche Kritik auf – auch aus Merkels eigenen Reihen.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt kommt mit Gesichtsmaske, die Linken-Vorsitzende Katja Kipping mit einem braunen Schal vor Mund und Nase. Und in den Abgeordnetenreihen wie auf der Regierungsbank bleiben immer zwei Sitze frei. Auch in der zweiten großen Corona-Debatte im Bundestag herrscht am Donnerstag eine Art Ausnahmezustand.

"Werden noch lange mit Virus leben müssen"

Ein Zustand, der auch das ganze Land seit einem Monat beherrscht. Die Bundeskanzlerin macht schnell klar, dass dieser nicht so schnell vorbei sein wird. "Wir werden noch lange mit diesem Virus leben müssen", sagt Angela Merkel und mahnt weiter Disziplin an: "Bleiben wir alle klug und vorsichtig."

Als der Bundestag vier Wochen zuvor Schutzschirme für Bürger und Wirtschaft mit dreistelligen Milliardenbeträgen und dazu eine Aufhebung der Schuldenbremse beschlossen hatte, war Merkels Platz auf der Regierungsbank leer geblieben. Sie befand sich in häuslicher Quarantäne. Nun listet sie in einer halbstündigen Regierungserklärung die Entwicklung seitdem auf. Aus ihrer Sicht besonders wichtig: "Unser Gesundheitssystem hält der Bewährungsprobe bisher stand."

Merkel: Ausdauer und Disziplin in der Krise nötig

Doch die Kanzlerin ist besorgt, dass sich dies rasch ändern könnte, wenn nach Anfangserfolgen Leichtsinn einziehen sollte. Ihre Botschaft ist klar: Gerade am Anfang der Pandemie, und erst da stehe man, sei "größtmögliche Ausdauer und Disziplin" nötig. Dann werde sich wieder wirtschaftliches, soziales und öffentliches Leben entfalten können, und zwar schneller "als wenn wir uns vor dem Hintergrund ermutigender Infektionszahlen gerade am Anfang zu schnell in falscher Sicherheit wiegen".

Eine Warnung, die auch auf manche Ministerpräsidenten zielt. Sie stehe voll hinter den jüngsten Vereinbarungen mit den Ländern über vorsichtige Lockerungen. "Doch ihre Umsetzung seither bereitet mir Sorgen", sagt die Kanzlerin und schiebt hinterher: "Sie wirkt auf mich in Teilen sehr forsch, um nicht zu sagen zu forsch."

Es ist nicht der als Nächster sprechende AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, der erstmals größere Unruhe im Plenarsaal aufkommen lässt, sondern der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner. Vier Wochen zuvor hatte seine Fraktion Rettungspaketen und Neuverschuldung noch zugestimmt. Nun stellt Lindner die "Verhältnismäßigkeit des Zustandes insgesamt" und die "Geeignetheit einzelner Maßnahmen" infrage. "Und weil die Zweifel gewachsen sind, endet heute auch die große Einmütigkeit in der Frage des Krisenmanagements."

Den Bürgern könne wieder mehr Freiheit zurückgegeben werden, findet Lindner. Quarantäne und Isolation seien "Mittel des Mittelalters". Wo blieben moderne Apps? "Die digitalen Defizite kosten uns Gesundheit, Wohlstand und Freiheit. Und das ist nicht länger hinnehmbar."

Ähnlich, aber radikaler argumentiert Gauland für die AfD. Die weit überwiegende Mehrheit der Menschen gehe mit der Ansteckungsgefahr vernünftig um, die Quarantäne laufe selbst organisiert. "Der Staat ist dabei weitgehend überflüssig", sagt Gauland: "Es wird also Zeit, die Beschränkung der Grundrechte zu lockern und die Schutzmaßnahmen in die private Verantwortung der Bürger zu überführen."

Unions-Fraktionschef warnt: Dürfen nicht Maß und Mitte verlieren

Doch auch zwischen den GroKo-Partnern werden Haarrisse sichtbar. So regt sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich darüber auf, dass in dieser Woche im Plenum nicht auch über die Grundrente debattiert werde. Und er ärgert sich über "manche altmodische Diskussion" über Steuersenkungen. "Die Menschen stellen sich zurzeit überhaupt nicht die Frage, können sie vielleicht mit einer kleineren Einkommensteuer besser über die Runden kommen. Sondern die fragen: Habe ich noch Arbeit, um überhaupt noch Einkommensteuer zahlen zu können."

Umgekehrt hat Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) auch die SPD im Blick, als er warnt: "All das, was wir beschließen, übrigens auch das, was wir gestern Abend beschlossen haben, kostet Geld, viel Geld, das von irgendjemandem mal wieder zurückgezahlt werden muss." Man dürfe jetzt auch in der Krise "nicht Maß und Mitte verlieren".

Brinkhaus artikulierte seine Kritik an der Bundesregierung auch in einem am Donnerstag veröffentlichen Gespräch mit dem "Spiegel": "Die Zeit der Schnellschüsse ist jetzt vorbei. Ich werde da langsam unleidlich", sagte der CDU-Politiker. "Es kann nicht sein, dass sich in der Bundesregierung eine Einstellung breit macht, nach dem Motto: Alles Wichtige wird im Kabinett oder zwischen der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten entschieden. Die Ministerpräsidentenkonferenz steht meines Wissens auch nicht im Grundgesetz als politische Institution."

Der im Bundestag von Brinkhaus erwähnte Abend – das war die Sitzung des Koalitionsausschusses, die sich nach dem zuvor so reibungs- und lautlosen Schnüren der diversen Rettungspakete zäher als von manchen erwartet gestaltet. Nach einer länglichen allgemeinen Aussprache und dem Abendessen – Spargel mit paniertem Schnitzel und Salzkartoffeln – geht das Gezerre los. Bald wird aus der Runde signalisiert, die Gespräche hätten sich sehr verhakt. Die SPD will die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie nicht mitmachen, die CDU nicht die SPD-Pläne beim Kurzarbeitergeld.

Opposition kritisiert Geschachere der Union

Wie in den schlimmsten Krisenzeiten der großen Koalition geht es dann weiter: Immer wieder ziehen sich SPD und Union zu getrennten Beratungen zurück, es wird hart um Formulierungen gerungen, bis nach siebeneinhalb Stunden gegen 0.30 Uhr endlich ein Papier steht. Ein besonders harter Brocken dürfte gewesen sein, dass Brinkhaus – mit einem harten Mandat der Unionsfraktion versehen – die Anhebung des Kurzarbeitergeldes eigentlich ganz ablehnen will.

Nur ungern dürfte der am Morgen danach im Bundestag auf "fiskalische Solidität" pochende Brinkhaus im Plenum weitere teure Wünsche gehört haben. So springt Linksfraktionschef Dietmar Bartsch der SPD bei der Grundrente bei. "Ich sehe es als Frechheit an, wenn die Union in dieser Situation versucht, die Grundrente zu versenken." Und Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter moniert: "Dass Sie weiterhin ausgerechnet den Ärmsten der Armen wenigstens eine temporäre Erhöhung des Arbeitslosengelds II verweigern, das finde ich unverantwortlich."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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