Kanzleramtschef Braun warnt vor zweiter "Welle mit Wucht"
Die Politik sorgt sich, dass das Coronavirus im Herbst wieder um sich greifen kΓΆnnte. Koalitionsausschuss sowie Bund und LΓ€nder versuchen gegenzusteuern. Viele Fragen sind noch offen. Ein Γberblick.
Kanzleramtschef Helge Braun hat die jΓΌngsten BeschlΓΌsse von Bund und LΓ€ndern verteidigt, zur EindΓ€mmung der Corona-Pandemie keine weiteren Lockerungen zuzulassen und einige Corona-Auflagen zu verschΓ€rfen. Im Sommer sei es einfacher, das Virus im Griff zu halten, sagte Braun am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner". Wenn es kΓ€lter werde und sich viele Menschen in InnenrΓ€umen trΓ€fen, dann kΓΆnne es sein, dass eine "zweite Welle mit Wucht" komme.
Kanzlerin Angela Merkel und die MinisterprΓ€sidenten der LΓ€nder hatten am Donnerstag ΓΌber das weitere Vorgehen im Kampf gegen die Corona-Pandemie beraten und BeschlΓΌsse gefasst. Die EindΓ€mmung des Virus dΓΌrfte auch bei der Sommerpressekonferenz der Kanzlerin an diesem Freitag in Berlin eine Rolle spielen. Vor der Bund-LΓ€nder-Schalte hatte sich der Koalitionsausschuss von Union und SPD am Dienstag bereits auf einer VerlΓ€ngerung des Kurzarbeitergeldes und weitere MaΓnahmen zur UnterstΓΌtzung von Wirtschaft und Familien in der Corona-Krise verstΓ€ndigt.
Bund und 15 der 16 BundeslΓ€nder kamen am Donnerstag ΓΌberein, dass es kΓΌnftig ein MindestbuΓgeld von 50 Euro bei VerstΓΆΓen gegen die Maskenpflicht geben soll β nur Sachsen-Anhalt macht nicht mit. MinisterprΓ€sident Reiner Haseloff (CDU) sagte am Donnerstagabend in den ARD-"Tagesthemen", die Infektionszahlen in seinem Bundesland seien niedrig. VerschΓ€rfungen kΓΆnne er da kaum vor den BΓΌrgern oder Gerichten begrΓΌnden. Kanzleramtschef Braun sagte dazu: "Das bedauere ich sehr."
Die erst vor kurzem eingefΓΌhrten kostenlosen Corona-Tests fΓΌr ReiserΓΌckkehrer aus Nicht-Risikogebieten sollen zum Ende der Sommerferien mit dem 15. September wieder beendet werden. Die Regelung fΓΌr ReiserΓΌckkehrer aus Risikogebieten soll "mΓΆglichst ab dem 1. Oktober" geΓ€ndert werden. Sie sind dann verpflichtet, sich unverzΓΌglich und auf direktem Weg in die eigene Wohnung fΓΌr eine 14-tΓ€gige QuarantΓ€ne zu begeben. Diese Selbstisolation kann durch einen negativen Test frΓΌhestens ab dem fΓΌnften Tag nach der RΓΌckkehr vorzeitig beendet werden. Braun verteidigte dies als "kluge" Entscheidung und klare Ansage, Reisen in Risikogebiete zu unterlassen.
ΓrzteprΓ€sident: Polizei soll QuarantΓ€ne ΓΌberwachen
ReiserΓΌckkehrer aus Corona-Risikogebieten sollen nach dem Willen von ΓrzteprΓ€sident Klaus Reinhardt bei ihrer hΓ€uslichen QuarantΓ€ne durch Polizei oder OrdnungsΓ€mter ΓΌberwacht werden. "Die AmtsΓ€rzte sind voll damit ausgelastet, Infektionsketten nachzuverfolgen und QuarantΓ€nemaΓnahmen einzuleiten", sagte Reinhardt der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. "Die Γberwachung und die Sanktionierung dieser MaΓnahmen mΓΌssen andere ΓΌbernehmen, zum Beispiel Polizei und OrdnungsΓ€mter."
Der Beamtenbund dbb rechnet mit Mehraufwand fΓΌr Polizei und BehΓΆrden fΓΌr die Durchsetzung der MaΓnahmen gegen die Corona-Pandemie in der GrΓΆΓenordnung von mehreren tausend Stellen. "Es kommt eine Menge Arbeit auf die Kolleginnen und Kollegen, vor allem bei Polizei, Ordnungs- und GesundheitsΓ€mtern zu", sagte der Vorsitzende von dbb beamtenbund und tarifunion, Ulrich Silberbach, der dpa in Berlin. Silberbach begrΓΌΓte die beschlossenen MaΓnahmen. Sie kΓΆnnten helfen, einen zweiten groΓen Lockdown zu verhindern.
GroΓveranstaltungen bleiben verboten
GroΓveranstaltungen, bei denen eine Kontaktverfolgung und das Einhalten von Hygieneregelungen nicht mΓΆglich ist, bleiben bis mindestens Ende Dezember 2020 verboten. Konzert- und Eventveranstalter fordern daher Hilfe vom Staat, um finanziell zu ΓΌberleben. "Auch wenn sich die Sicherstellung der Nachverfolgung der Besucher umsetzen lieΓe, wird das Erfordernis von Abstand weiterhin einen kommerziellen Veranstaltungsbetrieb nicht mΓΆglich machen", sagte Jens Michow, PrΓ€sident des Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). Die bestehende FΓΆrderung helfe kaum weiter.
Bei den umstrittenen Feiern im Familien- und Freundeskreis konnten sich Bund und LΓ€nder nicht auf eine bundesweit geltende Teilnehmer-Begrenzung einigen. Die BΓΌrger werden gebeten, in jedem Einzelfall kritisch abzuwΓ€gen, ob, wie und in welchem Umfang private Feierlichkeiten nΓΆtig und vertretbar sind. Kanzleramtschef Braun rΓ€umte ein, der Bund hΓ€tte sich hier eine konkrete Zahl gewΓΌnscht. Wichtig sei aber, dass ein Mechanismus mit einem Herabsetzen der Grenzen in Kraft gesetzt werden, wenn die Infektionszahlen steigen. Bei Feiern funktionierten Abstandsregeln oft nicht. Daher gelt die Aufforderung, Familienfeiern "wirklich im kleinen Kreis" zu veranstalten.
Zufrieden mit den BeschlΓΌssen zeigte sich StΓ€dtetagsprΓ€sident Burkhard Jung. "Es ist gut, dass Bund und LΓ€nder sich auf einheitliches Vorgehen verstΓ€ndigt haben, wo dies sinnvoll ist", sagte Leipzigs OberbΓΌrgermeister dem Nachrichtenportal t-online.de. Er verwies unter anderem auf das MindestbuΓgeld fΓΌr Maskenverweigerer. Positiv bewertet er das Ende der kostenlosen Tests fΓΌr Reisende aus Nicht-Risikogebieten. "Wir mΓΌssen unsere begrenzten Ressourcen an Personal und Material gezielt fΓΌr die effektivsten MaΓnahmen einsetzen", sagte Jung.