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Hagen: Vereitelter Anschlag auf Synagoge – neue Details bekannt


"Islamistisch motivierte Bedrohungslage"
Vereitelter Anschlag auf Synagoge – neue Details bekannt

Von dpa, afp, t-online
Aktualisiert am 16.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Hagen: Wegen eines geplanten Anschlags ist es zu einem Großeinsatz der Polizei gekommen. (Quelle: Reuters)
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In Hagen hat die Polizei womöglich einen Anschlag auf die Synagoge verhindert. Hinweise sollen von einem Geheimdienst gekommen sein. Der mutmaßliche Täter stand wohl in Kontakt mit Islamisten.

Auf die Synagoge in Hagen sollte am jüdischen Feiertag Jom Kippur möglicherweise ein islamistischer Anschlag verübt werden. Mit Durchsuchungen und Festnahmen sei die Polizei einem sehr ernst zunehmenden und konkreten Hinweis nachgegangen, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag in Köln. "Konkret heißt übrigens: Tatzeit, Tatort und Täter waren benannt", so der Minister.

Der Hinweis lasse auf eine "islamistisch motivierte Bedrohungslage" schließen. Demnach hätte es während des Versöhnungsfestes zu einem Angriff auf das jüdische Gotteshaus kommen können. Ein 16-jähriger Hagener mit syrischer Staatsbürgerschaft wurde festgenommen und steht im Fokus der Ermittler. Er soll Kontakt zu einem bekannten Islamisten im Ausland gehabt und sich mit Fragen des Bombenbaus beschäftigt haben, hieß es aus Sicherheitskreisen.

Verdächtiger 16-Jähriger bestreitet Terrorplan

Den Kontakt zu einem Bombenbau-Experten via Telegram habe er zugegeben, Anschlagsabsichten auf die Synagoge aber bestritten, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Bei einer Wohnungsdurchsuchung waren auch sein Vater und zwei Brüder angetroffen und ebenfalls festgenommen worden. Gegen sie bestehe aber derzeit kein Tatverdacht, betonte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf. Am Abend seien die Drei wieder freigelassen worden.

Die Synagoge in Hagen und ihre Umgebung war mit Sprengstoffspürhunden abgesucht worden, gefährliche Gegenstände wurden dabei nicht entdeckt. Auch die Durchsuchungen bei dem 16-Jährigen brachten keine Bombenbauteile ans Licht. Es seien aber elektronische Medien wie Handys und Speichermedien sichergestellt worden, die nun ausgewertet werden müssten, berichtete der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Der "Kölner Stadt-Anzeigers" berichtete, dass gegen die Familie des Beschuldigten Staatsschutz-Erkenntnisse vorlägen. Demnach bewegte sie sich in radikalislamischen Salafistenkreisen.

Großeinsatz rund um die Hagener Synagoge

Die Behörde ermittelt wegen des Vorwurfs der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Unklar sei noch, ob gegen den verdächtigen 16-Jährigen ein Haftbefehl beantragt wird. Der Jugendliche, der bei seinem Vater lebt, soll in seiner Kommunikation im Internet Aussagen zu einem womöglich geplanten Anschlag gemacht haben.

Schwer bewaffnete Polizisten hatten den Zugang zu der Synagoge im Zentrum der Stadt am späten Mittwochnachmittag abgesperrt und das Gotteshaus stundenlang geschützt. Ein für den Mittwochabend geplanter Gottesdienst zu Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, wurde abgesagt. Ein ausländischer Partnerdienst hatte nach Informationen aus Sicherheitskreisen den Bundesnachrichtendienst (BND) vor einem mutmaßlichen Islamisten in Deutschland gewarnt.

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Scholz zu Anschlagsplänen in Hagen: "Es schmerzt"

Politiker zeigten sich eine Woche vor der Bundestagswahl entsetzt. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erklärte bei einem Wahlkampftermin im niedersächsischen Hittfeld, man sei jetzt dabei "aufzudecken, wie ernst dieser Anschlag war". Erhöhte Sensibilität sei gegenüber allen Extremisten erforderlich. "In Halle waren es die Rechtsradikalen, die einen Anschlag verübt haben. Anderswo sind es Islamisten. Am dritten Ort haben wir Linksextremisten", sagte der Kanzlerkandidat der Union. Alle Extreme müssten bekämpft werden. Laschet sprach sich für Abschiebungen von Terroristen aus.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schrieb auf Twitter: "Es schmerzt, dass Jüdinnen und Juden in Hagen einer solchen Bedrohungslage ausgesetzt sind und Jom Kippur nicht gemeinsam feiern können. Es ist unsere Pflicht, alles zu ihrem Schutz zu tun und bei Gefahr sofort einzuschreiten." Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, äußerte sich alarmiert. Die Bedrohung sei vielschichtig und komme "von verschiedenen Seiten", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Erinnerung an Anschlag in Halle 2019

An Jom Kippur vor zwei Jahren hatte ein bewaffneter Rechtsextremist in Halle in Sachsen-Anhalt versucht, gewaltsam in die dortige Synagoge einzudringen. Als die Tür standhielt, erschoss er in der Nähe zwei Menschen und verletzte auf der Flucht zwei weitere.

Auf den Anschlag von Halle bezog sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, in einer Stellungnahme: "Wir danken den Sicherheitsbehörden, die offenbar einen Anschlag auf die Synagoge in Hagen verhindert haben. Der Vorfall weckt schlimme Erinnerungen an den Anschlag an Jom Kippur vor zwei Jahren in Halle", hieß es darin. "Dass unsere Gemeinschaft erneut am höchsten Feiertag dermaßen gefährdet war, lässt uns tief besorgt zurück und zeigt, dass die Aufstockung der Sicherheitsmaßnahmen bei vielen jüdischen Einrichtungen notwendig war und ist", so Schuster.

"Wer mit Kippa unterwegs ist, begibt sich in Gefahr"

Die frühere Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, erklärte: Der mutmaßliche Anschlagsversuch zeige erneut, "dass jüdisches Leben ohne Angst in Deutschland noch immer nicht möglich ist, allen guten Worten zum Trotz." Ohne Polizeischutz sei es weiterhin undenkbar. "Wer mit Kippa unterwegs ist, wer eine Davidsternkette trägt oder wer am Abend des höchsten jüdischen Feiertages zu seiner Synagoge aufbricht, der begibt sich in Gefahr – so denken inzwischen viele in der jüdischen Gemeinschaft", sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern in einer Mitteilung.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte, für den Schutz jüdischer Einrichtungen müsse alles Menschenmögliche getan werden. Dieses Mal seien die Sicherheitsbehörden schneller gewesen. Für Antisemiten sei in der deutschen Gesellschaft kein Platz. Die Türkisch-Islamische Union Ditib verurteilte die mutmaßlichen Anschlagspläne. "Ein Anschlag auf eine Synagoge ist ein Anschlag auf ein Gotteshaus, und damit ein Anschlag auf die gesamte Gesellschaft", erklärte der Vorstandsvorsitzende des Ditib-Bundesverbandes, Kazim Türkmen, in Köln.

Die jüdische Gemeinde in Hagen ist klein. Sie hatte 2020 laut Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland 264 Mitglieder.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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