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Nord Stream 2: Schwesig-Vertrauter warnte vor eigener Stiftungsidee


Co-Architekt des Nord-Stream-2-Konstrukts
Schwesig-Vertrauter warnte vor Fake-Stiftungen

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Jonas Mueller-Töwe

11.07.2022Lesedauer: 4 Min.
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Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern: Die Stiftung ihres Landes steht in der Kritik.Vergrößern des Bildes
Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern: Die Stiftung ihres Landes steht in der Kritik. (Quelle: Political-Moments/imago-images-bilder)

Als Staatskanzleichef war Heiko Geue zentral an der Stiftungsgründung mit Nord Stream 2 beteiligt. Er hätte es besser wissen müssen.

Dr. Heiko Geue ist seit Jahrzehnten SPD-Politprofi. Für Kanzler Gerhard Schröder schrieb er Reden und entwarf mit Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier die berühmt-berüchtigte Agenda 2010. Für Peer Steinbrück managte er den Wahlkampf. Und für Ministerpräsidentin Manuela Schwesig orchestrierte er in Mecklenburg-Vorpommern als Chef der Staatskanzlei die Gründung der skandalumwitterten Klimastiftung mit Nord Stream 2. Nun ist er dort Finanzminister.

Und als Politprofi schrieb Geue selbstverständlich nicht nur Gesetzesentwürfe, Reden und Stellungnahmen für die Presse. Der heutige Finanzminister veröffentlichte zu Dingen, die ihn in seiner Laufbahn auch beruflich beschäftigen sollten. Vor über zehn Jahren verfasste er mit einem Co-Autor beispielsweise einen Gastbeitrag für das Wirtschaftsmagazin "enorm". Thema: "Wenn Stifter nur an sich selbst denken".

Es ist ein aus heutiger Sicht erstaunlicher Beitrag. Die von Geue mitverantwortete Klimastiftung ist fast schon zum Paradebeispiel intransparenten Gebarens geworden. In enger Abstimmung und mit 20 Millionen Euro der Gazprom-Tochter Nord Stream 2 wurde sie von der Landesregierung gegründet, um am Pipeline-Projekt beteiligte Unternehmen vor US-Sanktionen zu schützen. Seitdem übte sie sich in Geheimniskrämerei.

Ihr angeblicher Hauptzweck, der Klima- und Umweltschutz, spielte bei Gründung und im ersten Jahr ihrer Arbeit offenkundig eine untergeordnete Rolle, während sie den Bau der Pipeline mit weiteren von Nord Stream 2 zur Verfügung gestellten 165 Millionen Euro vorantrieb. Derweil bestand die Landesregierung stets darauf, dass es ums Klima gehe – "mit einem Augenzwinkern", lautete dazu die mit Nord Stream 2 abgestimmte PR-Strategie, die durch Recherchen der "Welt" öffentlich wurde.

Bemerkenswert ist Geues über zehn Jahre alter Beitrag für "enorm", weil er weite Teile der Kritik an der sogenannten Klimastiftung in Mecklenburg-Vorpommern vorwegnimmt – geäußert von einem der zentralen Architekten der Stiftung selbst.

"Teil der institutionellen Vertrauenskrise"

Geue und sein Co-Autor hatten 2011 ein schwerwiegendes gesellschaftliches Problem ausgemacht: Motive von Stiftungsgründern würden misstrauisch beäugt. "Es droht, dass auch Stiftungen Teil der institutionellen Vertrauenskrise werden, die Politik und Wirtschaft schon befallen hat – und das zu einer Zeit, in der nach dem Markt- und Staatsversagen, die von der Finanzkrise offenkundig gemacht wurden, viele Menschen große Hoffnungen in die Kraft der Zivilgesellschaft setzen", schrieben sie in ihrem Beitrag.

Die Feststellung aus der Feder Geues ist sozusagen wie der Titel des Magazins, das den Beitrag veröffentlichte: enorm. Denn Stiftungsexperten wie Transparency Deutschland bezeichneten die von Geue später mitverantwortete Klimastiftung "als Missbrauch der Rechtsform Stiftung", der geeignet sei, das Stiftungswesen insgesamt zu beschädigen – indem es einen "Präzedenzfall für unter externem Einfluss stehende Stiftungen" schaffe. Sogar der Verdacht auf einen Verstoß gegen das Geldwäschegesetz steht demnach im Raum.

"Gemeinwohl nur als Feigenblatt"?

Geue gab sich in seinem Beitrag damals eindeutig kritisch gegenüber solchen Machenschaften. Leider sei der den Stiftern entgegengebrachte Argwohn in Einzelfällen berechtigt, heißt es im Text: Es habe gerade in jüngerer Zeit Kritik an Konstruktionen gegeben, "mit denen nach Expertenmeinung weniger Gemeinwohlzwecke gefördert werden". Es sei demnach nicht verwunderlich, "dass bei gestifteten Vermögen nachgefragt wird, ob das Geld auf legitime Weise erworben wurde, oder dass mancher Einsatz für das Gemeinwohl nur als Feigenblatt angesehen wird".

Das ist hinsichtlich des eigenen Projekts eine vorausschauende Einsicht. Denn die sogenannte Stiftung Klima- und Umweltschutz MV wurde von der Landesregierung im Eilverfahren errichtet – ausdrücklich mit der Begründung, dass US-Sanktionen sonst den Weiterbau von Nord Stream 2 gefährdeten. In der Kommunikation zwischen Nord Stream 2 und Landesregierung und auch in der Plenardebatte zur Gründung war die Pipeline das bestimmende Thema. "Umweltschutz" sollte sogar ursprünglich nicht Teil der Satzung sein – der Stiftungsvorsitzende Erwin Sellering war dagegen.

Doch im Hauptzweck der Stiftung steht "Klima- und Umweltschutz". Und dass diese Darstellung korrekt ist, darauf bestehen bis heute die Landesregierung und die Stiftung selbst – während nicht wenige und die Landtagsopposition ohnehin das am Gemeinwohl orientierte Engagement als eben das bezeichnen, was Geue damals anprangerte: als Feigenblatt für privatwirtschaftliche Interessen.

Vor allem das Fazit von Geues Text aus dem Jahr 2011 entbehrt nicht einer gewissen Ironie: So könne "sanfter gesetzgeberischer Druck durchaus zu mehr Transparenz führen". Denn der Eindruck, "dass Engagement primär selbstreferentiellen Zwecken dient, ist ungemein schädlich". Deswegen sei eine Art Umkehr der Beweislast nötig: "der Nachweis (...), dass die eigenen Motive uneigennützig sind".

Eben diesen Nachweis zu erbringen, gelang weder Nord Stream 2 noch der Landesregierung im Falle der von Geue mitorchestrierten Klimastiftung. Lange Zeit mauerte die Stiftung gegenüber Medien in entscheidenden Fragen, Gerichtsurteile mussten Auskünfte erzwingen.

Bis heute sind Finanzfragen ungeklärt, politische Verantwortung wurde bislang nicht übernommen. Derzeit beschäftigt sich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit den Vorgängen. Dort wird zumindest die Landesregierung weiter Gelegenheit haben, die Öffentlichkeit von der Uneigennützigkeit der Stifter zu überzeugen.

Verwendete Quellen
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