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Bündnis Sahra Wagenknecht: Volle Kraft – nur wohin?


Wagenknecht-Partei
Wie sie es anders machen will, sagt sie nicht

Von dpa, TiK

08.01.2024Lesedauer: 4 Min.
Berlin: Wagenknecht bei der Vorstellung der neuen Partei am Montag in Berlin.Vergrößern des BildesBerlin: Wagenknecht bei der Vorstellung der neuen Partei am Montag in Berlin. (Quelle: NADJA WOHLLEBEN)
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Sarah Wagenknecht stellt in Berlin ihre Partei vor. Sie kritisiert fast alles in der deutschen Politik. Nur: Wie sie es anders machen will, sagt sie nicht.

Eines ist Sahra Wagenknecht ganz wichtig an diesem Montagmittag: Die Bilder müssen stimmen. Deshalb nimmt sie sich Zeit dafür. Dreizehn Minuten lang lächelt sie in die Kameras, bevor ihre Pressekonferenz beginnt. Sie dreht sich nach links, sie dreht sich nach rechts, sie schiebt das Kinn vor, sie rückt das Sakko zurecht. Zwischendurch klingelt ihr Handy, Wagenknecht drückt den Anrufer weg. Jetzt nicht. Niemand soll ihren großen Auftritt stören.

Um Punkt 13 Uhr beugt sich Wagenknecht dann vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz nach vorne und sagt: "Heute Vormittag haben wir die Partei 'Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit', kurz BSW, gegründet." Kunstpause. Und damit ihre Botschaft jeder versteht, schiebt Wagenknecht nach: Das sei "ein bisschen auch ein historischer Tag".

Eine Generalabrechnung mit der deutschen Politik

Das ist ihr Anspruch. An diesem Montag, so der Tenor von Wagenknecht, nimmt etwas Großes seinen Anfang. Etwas ganz Großes. Ihre neue Partei soll Deutschland verändern, besser machen, nach vorne bringen. Aufräumen mit alten politischen Gepflogenheiten. Die Rückkehr des gesunden Menschenverstands in die Politik soll es sein. Make Germany Great Again.

In der zweistündigen Pressekonferenz stellt Wagenknecht ihr Team vor, spricht über ihre politischen Positionen. Lange wird vor allem über die größten Probleme geredet, die es aus Wagenknechts Sicht gibt. Es ist eine Generalabrechnung. Mit den Entscheidungen in der Corona-Pandemie, mit der Migrationspolitik und mit der Ampelregierung im Allgemeinen. Kritik kann Wagenknecht, das wird deutlich. Doch was sie konkret wie anders machen will, das bleibt unklar.

Wagenknecht sitzt nicht allein auf dem Podium, und darin liegt ihre erste Botschaft. Zwar ist ihr Name auch der Name der Partei, aber sie weiß, dass viele ihr vorwerfen, die Bewegung nur auf sich selbst zuschneiden zu wollen.

Um diesen Vorwurf zu entkräften, hat Wagenknecht ihr neues Spitzenpersonal mitgebracht. Neben ihr sitzt die neue Co-Chefin Amira Mohamed Ali, stellvertretender BSW-Vorsitzender ist der Unternehmer und Hochschulprofessor Shervin Haghsheno, Generalsekretär ist der Bundestagsabgeordnete Christian Leye. Spitzenkandidaten für die Europawahl sollen der Finanzpolitiker Fabio de Masi und der ehemalige Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel werden. Sie alle sprechen am Montag nach Wagenknecht – auch um zu verdeutlichen, dass sie nicht Staffage sind.

Doch keiner von ihnen sagt, wofür die neue Partei stehen will. Eher wogegen. Das am Montag veröffentlichte Parteiprogramm ist mit fünf Seiten nach wie vor sehr dünn. Es entspricht dem "Gründungsmanifest", das seit Oktober bekannt ist. Obwohl die BSW-Führung am Montag zwei Stunden Rede und Antwort bei der Pressekonferenz stand, blieb vieles vage.

Es solle eine Begrenzung der Migration "auf eine Größenordnung, die unser Land und seine Infrastruktur nicht überfordert", geben. Ziel sind zudem "gut bezahlte, sichere Arbeitsplätze", ein "gerechtes Steuersystem", Investitionen in Bildung und Infrastruktur, höhere Leistungen der Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Die bisherige Klimapolitik mit Abkehr vom Verbrennungsmotor und völliger Umstellung auf erneuerbare Energien trägt das BSW nicht mit.

In der Außenpolitik ist das BSW gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und fordert sofortige Friedensverhandlungen. In dem fünfseitigen Programm heißt es: "Die Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln lehnen wir grundsätzlich ab." Die neue Partei positioniert sich gegen die Nato und argumentiert, die Allianz schüre "Bedrohungsgefühle und Abwehrreaktionen und trägt so zu globaler Instabilität bei". Nötig sei ein "defensiv ausgerichtetes Verteidigungsbündnis".

Sie wollen vor allem eines sein: erst mal langsam. Klimapolitik? Na ja, aber mit Augenmaß. Integration? Bitte nicht zu viel. Verkehrspolitik? Die Bahn habe ihre Kapazitäten zum Gütertransport abgebaut, das sei ja nicht klug gewesen. "Rückkehr der Vernunft in die Politik", nennt Wagenknecht das.

"Einen direkten Wechsel von der AfD wird es nicht geben"

Die Frage ist, wie Wagenknechts künftige Basis in der Partei aussieht. Wenn sich das BSW vor allem gegen die aktuelle Politik richtet, dürfte das Regierungskritiker von links bis rechts anziehen. Dabei könnte die Parteiführung schnell den Überblick verlieren. Wagenknecht sagt, man wolle "in einem ersten Schritt 450 Menschen aufnehmen". Wer sich danach neu anmelden wolle, dem lege man nahe, sich "erst mal als Unterstützer einzubringen", eine Art Vorstufe zur Mitgliedschaft.

Wagenknecht sagt: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in die Falle tappen, dass wir Menschen aufnehmen, die nicht so konstruktiv sich einbringen." Über vorherige AfD-Mitgliedschaft sagt sie zudem: "Einen direkten Wechsel wird es nicht geben. Wer jetzt aktuell in der AfD Mitglied ist, der teilt die dortige Programmatik."

Qualifizierte Kandidaten für die Landesliste sollen gefunden werden

Es ist Wagenknechts Versuch, die Kontrolle zu bewahren. AfD-Wähler anziehen, aber keine AfD-Funktionäre. Die Stimmen der Rechtspopulisten abgreifen, ohne selbst ins Radikale zu kippen. Kann das klappen? Die erste Bewährungsprobe wird die Europawahl am 9. Juni sein, bei der sich Wagenknecht ein zweistelliges Ergebnis erhofft. Bei den ostdeutschen Landtagswahlen im September will Wagenknecht in die Parlamente einziehen.

Doch vorher muss alles ganz schnell gehen. Bereits Ende Januar ist der Gründungsparteitag, innerhalb weniger Wochen sollen nun Kandidaten für die Listen der Landtagswahlen im Osten gefunden werden. Und zwar qualifizierte Kandidaten, wie Wagenknecht betont, nicht irgendwer. Es wird nicht einfach, so viel ist sicher.

In einer Insa-Umfrage für "Bild" vom Dezember kam das BSW auf bundesweit 12 Prozent – da war die Partei noch nicht einmal offiziell gegründet. Und es gab kein abschließendes Programm. Die Zahlen waren eine Prognose, über ihnen lag noch der Nebel. Wenn er sich lichtet, wird feststehen, wie viel vom Zuspruch übrig bleibt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Beobachtung
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