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BSW in Thüringen: Machtkampf eskaliert – heftige Kritik an Wagenknecht


Minister zum BSW-Chaos
"Das halte ich für einen schweren Fehler"

  • Carsten Janz
InterviewVon Carsten Janz

01.05.2025 - 12:03 UhrLesedauer: 6 Min.
Sahra Wagenknecht bei einer Pressekonferenz: Sie fordert eine Trennung von Partei- und Regierungsämtern. (Archivbild)Vergrößern des Bildes
Sahra Wagenknecht bei einer Pressekonferenz (Archivbild): Sie forderte eine Trennung von Partei- und Regierungsämtern. (Quelle: IMAGO/Peter Hartenfelser)
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Bei der Vorstandswahl beim BSW in Thüringen eskalierte ein Machtkampf zwischen der Parteichefin Sahra Wagenknecht und der Landeschefin Katja Wolf. Deren Mitstreiter Steffen Schütz kritisiert im t-online-Interview nun die Parteispitze in Berlin.

Im Thüringer Landesverband des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) ist es im Zuge der Vorstandswahlen zu einem offenen Machtkampf gekommen. Anlass war die Kandidatur zweier Lager: Einerseits Katja Wolf, die von Teilen der Basis unterstützt wurde, andererseits die von der Bundesspitze um Generalsekretär Christian Leye favorisierte Kandidatin Anke Wirsing.

Kritiker warfen der Parteiführung vor, einseitig in die Landesparteiarbeit eingegriffen und dadurch eine unnötige Eskalation heraufbeschworen zu haben. Der Konflikt kulminierte schließlich auf dem Landesparteitag, wo sich Katja Wolf klar durchsetzte. Der Bundesverband und auch die Parteichefin Sahra Wagenknecht gelten nun politisch als schwer beschädigt.

Es war nicht der erste Versuch der Bundespartei, auf den Thüringer Landesverband Einfluss zu nehmen. So wurden schon einmal über Nacht mehr als 20 Mitglieder neu aufgenommen, die zum Wagenknecht-Lager zählten. Seitdem ist die Stimmung angespannt. Der ehemalige BSW-Co-Vorsitzende Steffen Schütz, der sich im Streit über die neuen Vorstandswahlen zurückgezogen hatte, kritisiert im Interview mit t-online das Vorgehen der Bundespartei – und vor allem das Handeln des Generalsekretärs Christian Leye.

t-online: Hat es sich in Thüringen ein wenig "ausgewagenknechtet", nachdem dort so klar Position bezogen wurde – auch gegen die Haltung der Parteispitze?

Steffen Schütz: Leider haben wir zugelassen, dass der Eindruck entstand, es ginge hier um ein Battle zwischen Frau Wagenknecht und Frau Wolf. Die Presse hat das Thema teilweise wie ein Beziehungsdrama inszeniert, bei dem ich mir mitunter wie der tragische Held vorkam. Allerdings kann man der Presse keinen Vorwurf machen. Denn die Steilvorlagen hat das BSW leider selbst geliefert. Zum einen mit der Forderung nach einer Trennung von Amt und Mandat, von der weder beim Bundesparteitag noch während unserer Gespräche mit dem Bundesvorstand jemals die Rede war.

Sie wollen in Thüringen mitregieren: Steffen Schütz und Katja Wolf, BSW-Fraktionsvorsitzende.
Steffen Schütz, Digitalminister für das BSW in Thüringen (Quelle: Sascha Fromm/Imago Images)

Steffen Schütz, BSW

Schütz ist seit Dezember 2024 Thüringer Minister für Digitales und Infrastruktur im Kabinett Voigt. Als Mitbegründer des Landesverbands Thüringen des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) war er von März 2024 bis April 2025 Co-Vorsitzender der Landespartei. Zuvor leitete er über zwei Jahrzehnte eine eigene Kommunikationsagentur in Berlin. Im April 2025 verzichtete er auf eine erneute Kandidatur für den Landesvorsitz.

Frau Wagenknecht hatte ja erklärt, sie sei von einem Konsens ausgegangen. Um diesen zu erzielen, hätte es jedoch nach meinem Verständnis zumindest einen Meinungsaustausch, um nicht zu sagen, Kommunikation geben müssen. Zum anderen haben die in der Presse veröffentlichten Briefe an Mitglieder den Eindruck eines zerschnittenen Tischtuchs zwischen Berlin und Erfurt ziemlich eindeutig kommuniziert. Auch wenn unser Generalsekretär Leye, selbst einer der Absender, auf dem Parteitag in Gera genau das Gegenteil verkündet hat. Hier war, wie auch bei Maischberger, die Rede von einer angeblich großen Unzufriedenheit der Wähler mit der Thüringer Landesregierung, von "schlechtem Regieren" und davon, dass Wolf und ich "nicht dankbar" seien. Bei unserem Parteitag ging es aber nicht um Wagenknecht gegen Wolf, sondern um die Zukunft des BSW in Thüringen und insgesamt.

Wie bewerten Sie die Einmischung durch den Generalsekretär Christian Leye?

Was ich kritisiert habe, ist die einseitige Befürwortung einer Kandidatur in der Presse durch Herrn Leye, der sich ja davon neue Impulse für Thüringen versprochen hatte. Das konnte ich der Presse entnehmen. Welche das sein sollen, habe ich allerdings weder vor noch während des Parteitages erfahren. Durch diese einseitige Unterstützung einer Kandidatin und all das, was ich bereits kritisiert habe, musste natürlich in der Öffentlichkeit das Bild entstehen, man wolle Wolf und Schütz "weg haben". Das wiederum hat dem BSW geschadet. Denn wir sind das Bündnis Sahra Wagenknecht und nicht das Bündnis Wolf und Schütz gegen Wagenknecht.

Was genau ist Ihre Kritik?

Ich frage mich, warum man sehenden Auges in eine Neuauflage einer von Außen gepushten Rivalität geht, die nun wirklich niemand braucht? Wagenknecht und Wolf reden und arbeiten miteinander. Wolf bestreitet weder den Führungsanspruch von Wagenknecht, noch will Wolf Wagenknecht verhindern. Beide verbinden gemeinsame Werte und Ziele, wenngleich es unterschiedliche Auffassungen gab und gibt – in einer demokratischen Partei nichts Ungewöhnliches. Wenn aber bestimmte Kandidaten einseitig unterstützt werden und andere nicht, muss man sich nicht über Nachfragen wundern. Und ein Bild der Zerstrittenheit.

Frau Wagenknecht hat bei Maischberger in dieser Woche ordentlich gegen Ihre Regierung ausgeteilt.

Wenn Frau Wagenknecht zur besten Sendezeit bei Maischberger von einer schlechten Regierung in Thüringen redet und zum Beleg dieser Aussage eine Meinungsumfrage von Mitte Januar heranzieht, dann kann und werde ich das nicht unkommentiert lassen. Denn Frau Wolf und ich wurden am 13. Dezember 2024, also vier Wochen vor dieser Umfrage, vereidigt. Was bitte soll diese Regierung in vier Wochen so in den Sand gesetzt haben, dass uns die Wähler – wie uns vorgegaukelt wird – in Scharen weglaufen? Könnte das vielleicht auch daran gelegen haben, wie man aus Berlin Einfluss auf die Regierungsbildung genommen hat oder daran, dass uns die Wähler keine nennenswerten Kompetenzen in den wahlentscheidenden Politikfeldern zugetraut haben? Ich bin seit Mitte Dezember Minister in Thüringen. Und ich kann sehr gut beurteilen, welche Meinung die Menschen über unsere Arbeit in der Regierung haben, denen ich in der Straßenbahn oder auf Veranstaltungen begegne.

Vielleicht sollte sich mal jemand fragen, wie das, was wir im Vorfeld und während unseres Parteitages erlebt haben, bei den Menschen in Thüringen ankommt, die sich noch gut an Direktiven und Anweisungen aus Berlin erinnern. Vielleicht ist das auch eine Ursache dafür, dass wir derzeit nicht an unsere besten Zustimmungswerte anknüpfen können.

Sie hatten versucht zu schlichten und angeboten, sich aus dem Vorstand zurückzuziehen.

Mit meinem Angebot, auf meine erneute Kandidatur für den Landesvorsitz zu verzichten, habe ich den Weg für eine konstruktive Lösung freigemacht. Es spiegelte das berechtigte Anliegen vieler Mitglieder und Unterstützer wider, dass an der Parteispitze auch Personen stehen sollten, die keine Regierungsämter innehaben. Ich habe damit aber gleichzeitig auch sichergestellt, dass Katja Wolf als Vizeministerpräsidentin unsere BSW-Forderungen weiter auf Augenhöhe gegenüber unseren Koalitionspartnern vertreten kann.

Nicht selbst zu kandidieren, war ein Angebot der ausgestreckten Hand, das leider weder gesehen noch gewürdigt wurde. Wenn Sahra Wagenknecht oder Christian Leye es aufgegriffen hätten, wäre das Thema Wagenknecht gegen Wolf gar nicht erst hochgekocht. Diese Auseinandersetzung war schlichtweg unnötig.

Hätten Sie sich eine Doppelspitze mit Frau Wirsing und Frau Wolf vorstellen können? Oder hätten Sie Frau Wolf favorisiert?

Nein, eine Doppelspitze Wolf/Wirsing wäre sicher nichts gewesen, für das ich auf meine Kandidatur verzichtet hätte. Ich hatte Frau Wirsing gefragt, welche Ideen für Thüringen sie konkret einbringen möchte, nachdem auch sie in der Presse neue Impulse angekündigt hatte – auch von ihr habe ich bis heute keine Antwort erhalten.

Gernot Süßmuth habe ich als Kandidaten unterstützt, weil mir wichtig war, dass an der Landesspitze gemeinsam mit Katja Wolf jemand steht, der von der Basis kommt und weder in der Regierung noch in der Fraktion sitzt.

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Wenn wir neben einer Vizeministerpräsidentin Wolf jemand als Vorsitzenden wollen, der keine "Beißhemmung" gegenüber Regierung und Fraktion hat, dann ist Herr Süßmuth der ideale Counterpart zu Katja Wolf. Damit "verzwergen" wir uns einerseits nicht in der Regierung, bewahren uns aber andererseits auch einen Blickwinkel außerhalb von Kabinett und Parlament.

Ist dieses Vorgehen ein weiteres Beispiel – ähnlich wie in Berlin – dafür, wie schlecht die Bundesspitze mit dem Landesverband in Thüringen kommuniziert?

Es ist jedenfalls kein Beispiel für eine gelungene und geschlossene Zusammenarbeit.

Wie kann das sein?

Das müssen Sie diejenigen fragen, die dafür verantwortlich sind. Ich habe getan, was ich konnte, um zu vermeiden, was den Parteitag überschattete und seit Tagen die Schlagzeilen bestimmte. Ich habe verzichtet, weil es ums BSW ging und nicht um Posten oder persönliche Egoismen. Mein persönliches Glück hängt nicht an Titeln, und ich brauche keine Ämter, um zufrieden zu sein. Dass es überhaupt so weit kommen musste und man glaubte, dieses Vorgehen sei der richtige Weg, halte ich für einen schweren politischen Fehler.

Ist Frau Wagenknecht manchmal etwas realitätsfern, was politische Prozesse angeht?

Nein, Frau Wagenknecht ist alles andere als realitätsfern. Sie hat mit der Gründung dieser Partei und damit Deutschlands erfolgreichstem Neugründungsprojekt nun wirklich bewiesen, sehr genau zu wissen, was geht und was nicht. Sie hat sich über zu wenig Dankbarkeit beklagt. Frau Wirsing hat genau das ja ebenfalls in Gera vorgelesen. Ich bedaure das, vor allem deshalb, weil ich das Gefühl mangelnder Dankbarkeit kenne.

Ist die Geschichte des BSW durch diese Auseinandersetzungen nicht schwer belastet – vielleicht sogar schon so gut wie abgeschlossen?

Nein. Ich glaube, gerade jetzt brauchen wir Geschlossenheit. Themen gibt es genug. Die Kriegsgefahr, das Schuldenpaket der neuen Bundesregierung – es gibt unendlich viele Gründe, warum es gerade jetzt das BSW braucht.

Eine Freundschaft zwischen Ihnen, Frau Wagenknecht und Frau Wolf wird daraus aber vermutlich nicht mehr?

Ich bin nicht in die Politik gegangen, um Freunde zu finden, sondern um etwas zu verändern.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Steffen Schütz (BSW), Minister für Digitales in Thüringen
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