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Polnische Grenzkontrollen: Das bringen sie und so soll es weitergehen


Polnische Grenzkontrollen
Warum Deutsche an der Grenze umkehren müssen


11.07.2025 - 08:28 UhrLesedauer: 4 Min.
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Polnische Grenzschützer stehen auf der polnischen Seite am Grenzübergang: Es ist eine Reaktion auf die deutschen Maßnahmen. (Quelle: IMAGO/Winfried Mausolf)
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Seit Montag finden die polnischen Grenzkontrollen statt. Das hat auch Auswirkungen auf Deutschland – und bis zum Ende der Maßnahme könnte es noch lange dauern.

Für Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) sind die am Montag begonnenen polnischen Grenzkontrollen ein positives Zeichen. Er sieht darin einen wichtigen "Schritt im gemeinsamen Vorgehen gegen illegale Migration; ein Schritt, den wir ausdrücklich begrüßen". Dabei hatte der polnische Innenminister Tomasz Siemoniak Dobrindts Vorschlag zu gemeinsamen Grenzkontrollen ausdrücklich abgelehnt.

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Und auch deutsche Urlauber dürften Dobrindts Ansicht kaum teilen. Schließlich haben in den ersten Bundesländern bereits die Sommerferien begonnen, viele Urlauber befürchten nun Staus an der polnischen Grenze. Einige Touristen wurden bereits an der Grenze abgewiesen und mussten umkehren, meist weil sie keinen Ausweis dabeihatten.

Die polnischen Maßnahmen zeigen bereits Auswirkungen in Deutschland. Nicht nur die Grenztouristen müssen sich umstellen, auch die Polizei wird nun noch mehr belastet. Und ein Ende der Situation ist nicht in Sicht.

Was bringen Grenzkontrollen wirklich?

Die Wirkung der Kontrollen ist ohnehin zweifelhaft. Migrationsexperte Raphael Bossong von der Stiftung Wissenschaft und Politik betont im Gespräch mit t-online: "Welchen neuen Effekt die polnischen Kontrollen bringen sollen, erschließt sich mir nicht. Es ist vor allem ein politisches Signal." Primär solle die starke Rechte innenpolitisch zufriedengestellt werden, um der Darstellung entgegenzuwirken, Premierminister Donald Tusk sei "nur der Handlanger Deutschlands".

(Quelle: Stiftung Wissenschaft und Politik)

Zur Person

Dr. Raphael Bossong ist stellvertretender Forschungsgruppenleiter für Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er forscht dort insbesondere zur Migrations- und Asylpolitik sowie zur Justiz der EU. Seine Forschungsschwerpunkte sind Grenzsicherung und die Auswirkungen der Migrationskrise auf die EU.

Auch in Deutschland ist ein Effekt bisher kaum nachweisbar. Zwar sind die Asylgesuche in Deutschland und ganz Europa zuletzt deutlich gesunken, ein Zusammenhang mit den verschärften Grenzkontrollen der Bundesregierung ist für Bossong jedoch nicht belegt: "Ein Abschreckungseffekt durch die Grenzkontrollen lässt sich nicht konkret nachweisen." Vielmehr seien Vereinbarungen mit Drittstaaten, die veränderte Lage in Syrien und neue Maßnahmen in umliegenden Staaten der EU – etwa gegenüber Afghanen – verantwortlich für den Rückgang.

Dobrindt sieht sich dennoch in seinem Kurs bestätigt. Nachdem bekannt geworden war, dass die Asylgesuche im ersten Halbjahr um 43 Prozent gesunken sind, erklärte er der "Bild": "Das sind deutliche Erfolge der Migrationswende. Wir gehen den Weg, die Migration wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, konsequent weiter."

Ärgernis für Touristen

Polen will nun nachziehen. Auch Andreas Roßkopf, Vorsitzender des Bereichs Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte im Vorfeld der polnischen Kontrollen vor einem Pingpong-Spiel gewarnt. Was er damit meinte: Dass sich deutsche und polnische Behörden gegenseitig Asylbewerber hin- und herschieben. Seiner Ansicht nach ist dieser Fall jedoch nicht eingetreten – insbesondere weil "die polnischen Kollegen mit sehr viel Fingerspitzengefühl arbeiten", wie er t-online erklärte. So kontrollierten diese in der Regel nur Busse, Kleintransporter und besonders verdächtige Fahrzeuge.

In der nun beginnenden Ferienzeit kommt es dennoch zu Staus, bisher jedoch laut Polizei nur in geringem Ausmaß. Maximal 30 Minuten sollen die Wartezeiten Richtung Polen aktuell betragen.

Doch es gibt Ausnahmen: Am Donnerstag bildete sich auf der A 12 Richtung nahe Frankfurt (Oder) über Stunden ein kilometerlanger Stau. Hinzu kommt der Frust jener, die bei Kontrollen ihren Ausweis vorzeigen müssen – ihn aber aus Gewohnheit an offene Grenzen nicht dabeihaben und umkehren müssen. Kein guter Start in den Urlaub.

Und auch die Wirtschaft ist in Sorge. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigt sich alarmiert. So sagte DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov dem "Handelsblatt": "Aus der Wirtschaft und insbesondere von den IHKs vor Ort bekommen wir besorgniserregende Rückmeldungen." So ist der Warenverkehr über die Grenze durch die Staus wesentlich beeinträchtigt. Und auch Berufspendler kommen schlechter zur Arbeit ins Nachbarland.

Polizei: Arbeit nimmt weiter zu

Doch die Maßnahmen haben weitere Konsequenzen auf deutscher Seite – insbesondere für die Polizei. War die Zusammenarbeit auf deutscher und polnischer Seite vorher eng, ist sie nun teilweise eingeschränkt. Deutsch-polnische Streifen, die es früher gab, wurden vorübergehend ausgesetzt. Eine Sprecherin der Bundespolizeidirektion Berlin erklärt hingegen auf Anfrage von t-online, man führe "die Grenzkontrollen in einer abgestimmten Weise durch, die die beiderseitigen Kontrollinteressen wahren".

Auch Roßkopf betont die weiterhin gute Zusammenarbeit zwischen deutschen und polnischen Kollegen, die sich oftmals bereits seit vielen Jahren kennen und nun lediglich "politische Anweisungen, behördliche Anweisungen" ausführen.

Allerdings hätte sich Roßkopf gemeinsame Kontrollen gewünscht. So hätte es "von Anfang an eine bessere Abstimmung" geben können. "Die polnischen Kollegen waren da, die Behörden waren dazu leider nicht bereit", bedauert der Polizeigewerkschaftler. Ähnlich sieht es der Experte Bossong: "Gemeinsame Kontrollen wären sinnvoller, aber in Polen will man zeigen, dass man sich von Deutschland nichts gefallen lässt. Deswegen ist es folgerichtig, dass Polen eine Kooperation ablehnt."

Insbesondere die Arbeitsbelastung sei für die Bundespolizisten noch einmal gestiegen – dabei hatte die GdP bereits nach Einführung der verschärften Kontrollen kritisiert, dass die Arbeit "kaum noch zu bewältigen" sei. Nun kommt laut Roßkopf noch mehr dazu: "Jeder Fall, jede Zurückweisung, jede Ablehnung produziert zusätzlich Arbeit."

Zwei weitere Jahre mit Grenzkontrollen?

Wie lange das nun so weitergeht, weiß niemand. Zwar hat Polen die Kontrollen bis zum 5. August anberaumt, jedoch bereits angekündigt, sie fortzusetzen, solange Deutschland seine Maßnahmen verlängert. Bossong glaubt, dass das so schnell nicht passieren wird: "Ich wäre sehr überrascht, wenn Deutschland in den nächsten zwei Jahren alle Grenzkontrollen einstellt."

Seine Prognose: "Ich befürchte, dass man nun monatelang weiterwurstelt, die Kontrollen immer wieder erneuert und sich gegenseitig mit gewissen Vorwürfen bedenkt." Allerdings könne es auch passieren, dass die Bundesregierung die Kontrollen wieder abschwächt. Die sinkenden Asylzahlen könnten dabei als politische Begründung angeführt werden – "auch wenn es wohl keinen großen Zusammenhang gibt", schränkt Bossong ein.

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Europarecht in Gefahr

Dabei sind die Kontrollen europarechtlich weiterhin nicht vorgesehen. Bossong zeigt sich daher desillusioniert: "Die Normalisierung der eigentlich illegalen Grenzkontrollen wird weitergehen." Schließlich begründen zahlreiche Staaten das Abweichen vom Europarecht mit einem Ausnahmezustand, auch wenn sich die deutsche Regierung schwertut, dies konkret zu benennen.

Dieser Umgang mit dem Europarecht ist für Bossong problematisch und wirft Fragen für die Zukunft auf. "Ich habe die Sorge, dass die Verlässlichkeit des Europarechts wegbricht und erhebliche Schäden erzeugen kann", so der Migrationsexperte. Schließlich wird das Recht von manchen Staaten zeitweise ausgesetzt, wenn es zeitweise anscheinend nicht mit den politischen Zielen einer Regierung vereinbar ist. Der Widerstand gegen solche Maßnahmen nimmt zugleich ab – wohl auch, weil inzwischen zahlreiche Länder mitziehen. Und ihre Zahl wächst stetig.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Raphael Bossong

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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