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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Regierungszoff um Brosius-Gersdorf SPD-Generalsekretär: Stehen "zu 100 Prozent hinter ihr"

Hat Frauke Brosius-Gersdorf bei "Markus Lanz" einen Rückzug ihrer Kandidatur angedeutet? SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf widerspricht dieser Darstellung, die auch von Unionsseite verbreitet wird – und erklärt, die SPD stehe "zu 100 Prozent" hinter der Juristin.
Der Generalsekretär der Sozialdemokraten, Tim Klüssendorf, hat die SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, nach ihrem Auftritt bei "Markus Lanz" verteidigt. "Wenn man sich noch mal vor Augen führt, was diese Frau in den vergangenen Tagen über sich ergehen lassen musste, war es richtig, Dinge klarzustellen", so Klüssendorf im Interview mit t-online. Es sei ihr "gutes Recht", sich öffentlich zu äußern.
Brosius-Gersdorf hatte sich nach tagelanger Kritik unter anderem an ihrer Position zu Abtreibungen am Dienstag zunächst mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt. Später am Abend stand sie im TV-Talk "Markus Lanz" Rede und Antwort. Einige CDU-Abgeordnete sagten daraufhin, Brosius-Gersdorf sei nun erst recht "unwählbar".
SPD-Generalsekretär Klüssendorf ging in der Debatte um Brosius-Gersdorf nun den Koalitionspartner scharf an. "Es wurden viele Falschbehauptungen über die Positionen von Frau Brosius-Gersdorf verbreitet, leider auch aus der Union." Ein Mensch, der derart öffentlich angegriffen werde, müsse sich nicht alles bieten lassen, sagte er.
SPD steht "zu 100 Prozent" hinter ihr
Forderungen aus der Union, Brosius-Gersdorf auszutauschen, erteilte er eine klare Absage. Die SPD halte selbstverständlich an ihr fest, daran gebe es überhaupt keine Zweifel. "Frau Brosius-Gersdorf ist eine fachlich hoch anerkannte Staatsrechtslehrerin, die hervorragend geeignet ist als Verfassungsrichterin. Die SPD steht zu 100 Prozent hinter ihr."
Äußerungen von Brosius-Gersdorf bei "Lanz", denen zufolge sie ihre Kandidatur zurückziehen werde, sollte diese in eine Regierungskrise führen oder das Verfassungsgericht Schaden nehmen, will Klüssendorf nicht als Rückzugsankündigung verstehen. "Ich denke, sie wollte damit klarstellen, dass sie vor allem Wissenschaftlerin und kein politischer Akteur ist." Es zeichne sie aus, dass sie diese Perspektive abwäge. "Eine Exit-Strategie ist das nicht."
SPD war über Auftritt informiert – und einverstanden
Auf die Frage, ob die SPD-Spitze im Vorfeld über den Lanz-Auftritt Bescheid wusste, sagte Klüssendorf: "Wir waren informiert." Es sei aber "die selbstbestimmte Entscheidung von Frau Brosius-Gersdorf" gewesen, in die Sendung zu gehen. Die SPD, die in Kontakt zu Brosius-Gersdorf steht, habe auch nicht versucht, ihr das auszureden.
Sie habe bewusst diesen Weg gewählt, um Missverständnisse auszuräumen. "Sie hat das bei Lanz in einer transparenten, sachlichen und professionellen Art und Weise getan. Qualitäten, die ich mir von einer Verfassungsrichterin wünsche", so Klüssendorf.
Kritik an Spahn
Der SPD-Generalsekretär wirft zudem dem Koalitionspartner vor, die Koalition geschwächt zu haben. Die Ablehnung von Brosius-Gersdorf durch zahlreiche Unionsabgeordnete habe "das Vertrauen untereinander beschädigt". Es sei nicht der erste Vorgang, wo gemeinsame Entscheidungen danach wieder infrage gestellt worden seien.
Klüssendorf nahm dabei insbesondere Unionsfraktionschef Jens Spahn ins Visier: "Wenn der Fraktionschef des Koalitionspartners keine Mehrheiten organisieren kann oder selbst Kompromisse hinterfragt, setzt das auch bei uns Druckbewegungen in Gang." Die SPD habe ihrerseits schmerzhaften Kompromissen zugestimmt, damit diese Koalition arbeitsfähig sei.
- Gespräch mit SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf