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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Treffen zur Migrationspolitik Das plant Dobrindt auf der Zugspitze

Schon der Tagungsort ist extravagant. Innenminister Dobrindt empfängt Kollegen aus Nachbarländern auf der Zugspitze. Bei dem brisanten Treffen in schwindelerregender Höhe soll es um die europäische Abschiebepolitik gehen.
Sein Ziel ist klar: Innenminister Alexander Dobrindt will eine härtere europäische Migrationspolitik. Der CSU-Politiker hat deswegen Kollegen aus der Europäischen Union auf den höchsten Berg Deutschlands eingeladen. Er will eine "Agenda für den Migrationsturbo in Europa" vorlegen. Auf der Zugspitze will sich der CSU-Politiker, der eine "Migrationswende" für Deutschland ausgerufen hat, mit Partnern aus den Nachbarländern darüber austauschen. Was steckt hinter dem Spektakel auf 2.962 Metern Höhe?
Wer soll kommen?
Dobrindt erwartet auf der Zugspitze seine Amtskollegen aus den Nachbarländern Frankreich, Polen, Österreich, Dänemark und Tschechien. Damit sind allerdings nicht alle Nachbarländer Deutschlands vertreten – es fehlen Kollegen aus dem Nicht-EU-Land Schweiz, aus Luxemburg, Belgien und den Niederlanden. Auf die Frage, wie das kommt, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums am Mittwoch in Berlin lediglich: "Es ist jetzt so: Die Zusammensetzung ist gewählt. Das ist ein Anfang." Ebenfalls eingeladen ist der für Migration zuständige EU-Kommissar Magnus Brunner.
Was macht das Treffen so brisant?
Dobrindt hat sich seit Amtsantritt voll auf die Migrationspolitik konzentriert – und den Mund mit Ankündigungen und Versprechen recht voll genommen. Gemessen wird er an den Ergebnissen. Dabei läuft er Gefahr, mit dem Treffen vor spektakulärer Kulisse den Eindruck zu erwecken, dass es ihm mehr um mediale Wirkung als um tatsächliche Substanz geht. Stichworte: Inszenierung und Symbolpolitik. An Wortwitzen zu dem Treffen hat es bisher jedenfalls in der Presse und bei Kritikern nicht gemangelt – vom "Gipfel auf dem Gipfel", "dünnem Eis" oder "dünner Luft" war schon die Rede.
Seit Amtsantritt hat Dobrindt tatsächlich diverse Vorhaben vorangebracht – dabei aber nicht immer ein glückliches Händchen bewiesen. Viel Kritik gab es an seinem Vorschlag, direkte Gespräche mit den radikalislamischen Taliban aufzunehmen, um Abschiebungen nach Afghanistan zu erleichtern. Für die Bundesregierung soll es künftig außerdem leichter werden, Länder als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Auch eine Begrenzung beim Familiennachzug ist vorgesehen – ein Vorhaben, das auch beim Koalitionspartner SPD Bauchschmerzen auslöste. Die SPD stimmte aber schließlich zu.
Der Bundesinnenminister hat ebenfalls angeordnet, die zuvor sporadischen Grenzkontrollen zu verstärken, und damit die Regierungen in den Nachbarländern ziemlich vor den Kopf gestoßen. Vor allem Polen fühlte sich offenbar übergangen, zog gleich und führte seinerseits strengere Kontrollen ein. Die Grenzkontrollen dürften in den Gesprächen mit den Partnern – und vor allem mit Polen – auf der Zugspitze zur Sprache kommen.
Was will Dobrindt erreichen?
Der CSU-Politiker wünscht sich eine "Verschärfung der europäischen Migrationspolitik". Im Anschluss an das Treffen soll es eine sogenannte Zugspitz-Erklärung mit "mit konkreten Punkten und Maßnahmen" geben, die dann von den Teilnehmern auf EU-Ebene vorangetrieben werden sollen. Welche Punkte konkret am Ende in der Erklärung festgehalten werden, ließ das Innenministerium offen. Das wäre Gegenstand der Beratung, sagte eine Sprecherin. Auf der Agenda stehen aber wohl Themen wie Schleuserkriminalität und Abschiebungen.
Eine Angelegenheit, die zur Sprache kommen dürfte, ist eine Verschärfung des sogenannten GEAS-Regelwerks. GEAS steht für "Gemeinsames Europäisches Asylsystem". Das komplexe Regelwerk wurde 2024 reformiert – bis Mitte 2026 soll es EU-weit umgesetzt werden. In Deutschland ist das bisher nicht passiert. Man strebe aber eine "zügige Umsetzung des EU-Beschlusses in deutsches Recht" an, so das Innenministerium.
Konkret dürfte es Dobrindt bei einer Verschärfung von GEAS um etwas gehen, das sich recht sperrig Verbindungselement nennt. Das bedeutet, dass Asylsuchende nur in Drittstaaten geschickt werden dürfen, zu denen sie eine persönliche Verbindung haben – etwa weil sie früher einmal dort gelebt oder dort Familie haben. Diese Regelung soll sicherstellen, dass Asylsuchende nicht willkürlich in ein sicheres Drittland abgeschoben werden. Dobrindt würde diese Regelung gern aus der GEAS-Reform streichen – die schwarz-rote Koalition hat das auch in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Würden sich die Teilnehmer des Zugspitz-Treffens tatsächlich darauf einigen, würde das den politischen Druck erhöhen und wäre ein Signal in Richtung Brüssel, wo die Streichung von der Kommission befürwortet wird.
Dem Magazin "Focus" sagte der CSU-Politiker bereits im Februar: "Das wollen wir abschaffen und gleichzeitig unsere strategischen Partnerschaften mit Drittstaaten ausbauen." Hätte Dobrindt damit Erfolg, wäre theoretisch ein Asylpakt denkbar, wie ihn etwa Großbritannien und Ruanda ausgehandelt hatten. Das ostafrikanische Land hatte sich für eine Millionensumme zur Aufnahme abgelehnter Geflüchteter – ungeachtet ihrer Herkunft – aus Großbritannien bereit erklärt. Premierminister Keir Starmer hatte die Pläne seines konservativen Vorgängers aber wieder verworfen.
Was sind die Reaktionen?
Kritik an Dobrindts Plänen kommt besonders von links. Die innen- und fluchtpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, sieht in einer Streichung des Verbindungselements einen "Türöffner für Abschiebungen in Länder, die alles andere als sicher sind". "Damit wird klar: Rechtsstaatlichkeit und humanitäre Standards werden zur Verhandlungsmasse politischer Machtspiele", teilte sie t-online mit.
Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Marcel Emmerich, bewertet die mögliche Abschaffung des Verbindungselements als "die nächste Eskalation". Dobrindt missbrauche sogar die Zugspitze für seine "Abschottungspolitik", so Emmerich zu t-online. "Doch wer in luftiger Höhe tagt, hat noch lange keinen Weitblick."
Die Flüchtlingsorganisationen Pro Asyl, Leave No One Behind und der Bayerische Flüchtlingsrat warnen: "Der höchste Punkt Deutschlands darf nicht zum moralischen Tiefpunkt der Nation werden. Menschenrechte gelten überall, auch auf 2.962 Metern."
Warum findet das Treffen auf der Zugspitze statt?
Eigentlich ist der höchste Berg Deutschlands im Südwesten Bayerns ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen aus aller Welt. In dieser Woche ist der Gipfel aber vor allem bei Politikern beliebt. Am Dienstag empfing der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dort bereits Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu einer Sitzung des bayerischen Kabinetts. Nun folgen am Freitag Dobrindt und seine EU-Kollegen. Damit hat sich der Innenminister einen Treffpunkt ausgesucht, der ihm nicht ganz fremd sein dürfte. Denn die Zugspitze befindet sich im Bundestagswahlkreis 226 – das ist Dobrindts Heimatwahlkreis.
- Eigene Recherchen
- Nachrichtenangenturen dpa und AFP