Wie entscheidet sich die SPD? Der komplizierte Weg zur großen Koalition
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kommt es zu Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union oder nicht? Am Sonntag stimmt die SPD auf einem Sonderparteitag darüber ab. Was bis dahin passiert und wie es danach weitergeht.
Am Sonntag sollen 600 Delegierte in Bonn darüber entscheiden, ob die Sozialdemokraten Koalitionsgespräche mit der Union aufnehmen. Die Kritik innerhalb der SPD an den Sondierungsvereinbarungen ist unüberhörbar. Die Zustimmung zu einer Fortsetzung der großen Koalition steht auf der Kippe.
Was passiert bis Sonntag? Was geschieht danach? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Was ist bisher geschehen?
Keine 24 Stunden nach Verkündung der Sondierungsergebnisse sprach sich der SPD Landesverband Sachsen-Anhalt gegen die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der Union aus. Auch Berlin und Thüringen sind gegen eine Neuauflage der großen Koalition. Brandenburg dagegen ist für eine GroKo. Der mächtige Landesverband Nordrhein-Westfalen verzichtete auf eine Abstimmung. "Wir haben Mitglieder, die sagen ja, und welche, die sagen nein, und dazwischen ist ein großer Teil von nachdenklichen Unentschlossenen", fasste der NRW-SPD-Chef Michael Groschek die Stimmung zusammen.
Was kommt noch?
Martin Schulz wird seine Werbetour durch die Landesverbände fortsetzen. "Es lohnt sich", sagte Schulz am Dienstag in einem Live-Chat mit Facebook-Nutzern. Es gehe darum, Deutschland und Europa besser zu machen. Es gehe um das Leben der Menschen und darum, dass es gerechter zugehe in der Bundesrepublik. Die Menschen warteten darauf, "dass wir etwas für sie tun". Ohne die SPD sei Deutschland "nicht regierbar", mahnte er. "Warum sollten wir es nicht tun, wenn wir das Leben der Menschen konkret verändern können?" Schulz wird am Mittwoch noch in Bayern und in Rheinland-Pfalz für die GroKo werben.
Die Jusos werden ihren Kampf gegen die GroKo ebenfalls fortsetzen. Für Freitag haben die Jungsozialisten in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) zu einer Demonstration gegen eine neue große Koalition aufgerufen.
Wer stimmt auf dem Sonderparteitag ab?
Insgesamt sind 600 Delegierte aus den Landesverbänden und 45 Vorstandsmitglieder beim Parteitag stimmberechtigt. Die SPD-Spitze hatte ursprünglich einen kleineren Parteikonvent geplant, um diesen Beschluss zu fassen. Auf Druck vor allem des Landesverbandes NRW wurde dann aber auf dem Bundesparteitag im Dezember entschieden, erneut eine große Parteiversammlung einzuberufen.
Zusammensetzung und Wahltendenzen der 600 Delegierten:
BADEN-WÜRTTEMBERG: 47 Delegierte (kein Beschluss, Chefin für GroKo)
BAYERN: 78 (kein Beschluss, Chefin für GroKo)
BERLIN: 23 (Beschluss gegen GroKo)
BRANDENBURG: 10 (Beschluss für GroKo)
BREMEN: 8 (kein Beschluss, Chef für GroKo)
HAMBURG: 15 (kein Beschluss, Chef für Groko)
HESSEN: 72 (Beschluss für GroKo)
MECKLENBURG-VORPOMMERN: 5 (kein Beschluss)
NIEDERSACHSEN: 81 (Beschluss für GroKo)
NORDRHEIN-WESTFALEN: 144 (kein Beschluss, Chef für GroKo)
RHEINLAND-PFALZ: 49 (kein Beschluss)
SAARLAND: 24 (Beschluss für GroKo)
SACHSEN: 7 (Kein Beschluss, Chef für GroKo)
SACHSEN-ANHALT: 6 (Beschluss gegen GroKo)
SCHLESWIG-HOLSTEIN: 24 (kein Beschluss)
THÜRINGEN: 7 (Beschluss gegen GroKo)
Wie wird am Sonntag abgestimmt?
Die Delegierten kommen ab 11 Uhr im World Conference Center in Bonn zum Sonderparteitag zusammen. Abgestimmt wird mit der Delegiertenkarte, die in die Höhe gehalten wird. Die Delegierten sind nicht an die Abstimmungsergebnisse oder Empfehlungen ihrer Landesverbände gebunden. Sie können nach Gewissen entscheiden. Es reicht die einfache Mehrheit für eine Ablehnung oder Zustimmung zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union.
Wie geht es weiter, wenn der SPD-Parteitag für Koalitionsverhandlungen stimmt?
Stimmen die Delegierten mehrheitlich für Koalitionsverhandlungen, werden die Gespräche sofort beginnen. Innerhalb von zwei Wochen sollen die Verhandlungen beendet sein, fordert Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Angela Merkel will die Gespräche "bis Fasching" beendet haben. Rosenmontag ist am 12. Februar.
Sollten SPD, CDU und CSU zu einer Einigung kommen, ist die GroKo jedoch nicht automatisch beschlossene Sache. Die SPD schreibt auf ihrer Webseite: "Unsere Basis entscheidet. Über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen wird ein verbindliches Mitgliedervotum eingeholt, an dem alle Mitglieder beteiligt werden. Das haben wir beschlossen und das zeichnet uns als lebendige Mitglieder-Partei aus." Diese Abstimmung soll drei, spätestens vier Wochen nach Ende der Koalitionsverhandlungen beendet sein. Da alle Mitglieder der SPD ihre Stimme abgeben sollen, ist eine Abstimmung per Brief wie vor vier Jahren die wahrscheinlichste Variante.
Wie geht es weiter, wenn der SPD-Parteitag gegen Koalitionsverhandlungen stimmt?
Dann ist eine Neuauflage der GroKo endgültig vom Tisch. Die Union muss überlegen, ob sie noch einmal Verhandlungen zu einem Jamaika-Bündnis aufnehmen, es mit einer Minderheitsregierung wagen will oder Neuwahlen ansteuert. Das letzte Wort dazu hat aber nicht Angela Merkel, sondern Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Nur er kann einen Termin für Neuwahlen ansetzen.
Quellen:
– eigene Recherche
– dpa