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Neue Verteidigungsministerin: AKK – eine Frau zieht durch


Annegret Kramp-Karrenbauer – eine Frau zieht durch

Eine Analyse von Jonas Schaible

Aktualisiert am 17.07.2019Lesedauer: 4 Min.
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Annegret Kramp-Karrenbauer: Die CDU-Chefin wird nun doch Ministerin in Merkels Kabinett.Vergrößern des Bildes
Annegret Kramp-Karrenbauer: Die CDU-Chefin wird nun doch Ministerin in Merkels Kabinett. (Quelle: Hannibal Hanschke/reuters)

Kramp-Karrenbauer wird Verteidigungsministerin – das mag zunächst überraschen. Doch wer genau hinschaut, sieht das Kalkül dahinter – und ein Ministerium, das zur CDU-Chefin passt.

In den USA vertreiben sich Historiker und Politikbegeisterte gern die Zeit damit, die bisherigen Präsidenten in eine Reihenfolge zu bringen. Vom besten bis zum schlechtesten "Leader of the Free World". Dafür braucht es Kriterien und eines der Kriterien, das gewissermaßen die Grundlage für alles andere bildet, ist: Führungskraft, Entschlusskraft, Entscheidungsstärke. Wer zaudert, landet unten in den Rankings.

Man muss diesen Kult um persönliche Entschlusskraft nicht bedingungslos akzeptieren. Es gibt gute Gründe, dem Dezisionismus nicht zu huldigen, auch wenn es stimmt, dass falsch liegen kann, wer entscheidet; aber nur wer entscheidet, hat überhaupt die Chance, etwas richtig zu machen. Aber auch in Deutschland fiel in den vergangenen Jahren auf, dass Angela Merkel ihre Zögerlichkeit, ihr Abwarten, ihre fehlende Hemdsärmeligkeit sehr oft vorgeworfen wurde.

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Wer diese Kritik teilte, dürfte die überraschende Entscheidung Annegret Kramp-Karrenbauers, neue Verteidigungsministerin zu werden, mit Interesse verfolgt haben. Bis zum Abend raunte man sich in Berlin noch zu, Jens Spahn übernehme das Amt, dann plötzlich wurde bekannt, dass die CDU-Chefin selbst auf Ursula von der Leyen folgt, die als EU-Kommissionspräsidentin nach Brüssel wechselt.

Das Verteidigungsministerium gilt als schwieriges Ressort, die Truppe reagiert sensibel auf Kritik, die Bevölkerung reagiert sensibel auf alles, was nach Militarismus aussieht, und die langwierige Beschaffung sehr teuren Materials birgt die Gefahr von Skandalen. Deshalb ist es auf den ersten Blick nicht unbedingt naheliegend für Kramp-Karrenbauer, dieses Ministerium zu übernehmen.

AKK geht schon immer größere Risiken ein

Doch in der Entscheidung zeigt sich ein Muster in Kramp-Karrenbauers politischer Karriere: Sie geht größere Risiken ein als andere, wenn sich begründet vermuten lässt, dass sie sich lohnen könnten. Sie handelt dann schnell und auch für intensive Beobachter gern überraschend. Fehlenden Mut und fehlende Entschlusskraft kann man ihr nicht vorwerfen.

Als die bundesweit erste Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen im Saarland mit ihr an der Spitze nicht so reibungslos regierte wie erhofft, entschied sich Kramp-Karrenbauer 2012 zum Bruch der Koalition – ausgerechnet am Dreikönigstag, an dem sich die FDP jedes Jahr in Stuttgart zum großes Jahresauftakt trifft, verkündete Kramp-Karrenbauer die Nachricht. Sie setzte den Rest einer Amtszeit aufs Spiel – und gewann ein neues Mandat mit besserem Ergebnis.

Als Angela Merkel sie schon einmal ins Bundeskabinett holen wollte, im Frühjahr 2018, lehnte sie ab, schmiss ihr Amt als Ministerpräsidentin hin und wurde Generalsekretärin der CDU in Berlin – formal ein Rückschritt. Zumal sie Innenministerin hätte werden können, als erste Frau. Aber ein Rückschritt, der ihr die Chance bot, sich in der Partei und mit der Partei in Berlin bekannt zu machen, was sie mit einer Zuhörtour durchs Bundesgebiet tat.

Als dann Merkel im Herbst 2018 den Parteivorsitz abgab, trat Kramp-Karrenbauer an – und profitierte davon, dass sie sich so in die Partei eingewühlt hatte, dass sie sich an so vielen Orten in so vielen Verbänden schon einmal gezeigt hatte und dass sie die Stimmung der Partei abgefragt hatte. Als Innenministerin hätte sie diese Möglichkeit nicht gehabt.
Jetzt wurde das Verteidigungsministerium frei, ein schwierigeres, auch weniger prestigeträchtigeres Ministerium als das Innenministerium, aber anders als noch Anfang 2018 ist sie jetzt CDU-Vorsitzende.

Jetzt ist sie auch verantwortlich für die Politik der Koalition

Für jede dieser Entscheidungen gab es gute Gründe, aber jede dieser Entscheidungen barg auch ein großes Risiko. Jetzt wird Kramp-Karrenbauer auch für die Politik der Koalition verantwortlich gemacht werden – andererseits war als Parteichefin die Distanzierung von der Politik ihrer Amtsvorgängerin auch nur begrenzt möglich. Jetzt übernimmt sie ein Ministerium, das wegen Aufträgen an Beratungsunternehmen mit einem Untersuchungsausschuss konfrontiert ist und eine Bundeswehr, die Materialprobleme hat – andererseits ist dafür ihre Vorgängerin erst einmal verantwortlich.

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Und es gibt auch Argumente, die aus Kramp-Karrenbauers Sicht für die Chancen sprechen. Erstens ist sie damit nicht mehr nur CDU-Chefin am Rand der Regierungspolitik, sondern sitzt am Kabinettstisch und kann mitentscheiden. Zweitens, wenn man Politikerinnen und Politikern nicht nur persönliche Motive unterstellt, kann sie so auch gestalten. Drittens demonstriert sie, dass sie will und wird (ob sie kann, muss sie beweisen). Viertens hält sie ihren Konkurrenten Jens Spahn von einem Amt ab, in dem auch er bei hohem Risiko die Chance hätte, seine Regierungskunst zu beweisen. Fünftens und vor allem gibt es nicht mehr viele Politikfelder, auf denen Konservative einigermaßen genau wissen, wo ihre Position ist, und auf denen diese Position einzunehmen ist, ohne ständig an unvermeidliche Widersprüche zu stoßen.

Im Wirtschaftsministerium (zuständig für die Energienetze), Landwirtschaftsministerium und Verkehrsministerium steht jeweils die Notwendigkeit, der Klimakrise zu begegnen, quer zu allen wirtschaftsfreundlichen, marktliberalen, autozentrierten Maßnahmen der Vergangenheit. Das gleiche Problem hat der Innenminister, der auch Bauminister ist. Rechtskonservative Identitätspolitik gegen Flüchtlinge oder für das Nationale ist bisher zuletzt noch immer in Richtung des Antidemokratischen gerutscht, weshalb das auch für Migration zuständige Innenministerium schwierig ist.

Wer aber die Soldatinnen und Soldaten lobt, mehr Geld für Rüstung fordert, die internationalen Bündnisse hochhält und vielleicht sogar noch mit einer neuen Art Wehrpflicht liebäugelt, der oder die kann sich nicht nur in der Weltpolitik zeigen, sondern auch ohne allzu große Gefahren das umsetzen, was seit Jahrzehnten Kern konservativer Politik ist. In einer CDU, die immer noch von der diffusen Sehnsucht nach mehr Urtümlichkeit getrieben ist, ist das einiges wert.


Wieder einmal hat Kramp-Karrenbauer, die zuletzt vor allem durch kommunikative Fehler aufgefallen ist und auch von wohlmeinenden Parteifreunden infrage gestellt wurde, schnell und überraschend entschieden. Man könnte das als zupackend beschreiben, als hemdsärmelig oder entscheidungsfreudig. Man könnte in der etwas merkwürdigen Sprache der Politikbeobachtung auch sagen: Die Frau zieht durch. In dieser Hinsicht erinnert Kramp-Karrenbauer nicht an Angela Merkel.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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