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Tagesanbruch: Boris Johnson als britischer Premier – es rettet sich, wer kann


Was heute wichtig ist
Es rettet sich, wer kann

MeinungVon Tatjana Heid

Aktualisiert am 22.07.2019Lesedauer: 6 Min.
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Boris Johnson, der wahrscheinlich nächste britische Premierminister. Die Mehrheit seiner Landsleute glaubt nicht, dass er den Job gut machen wird.Vergrößern des Bildes
Boris Johnson, der wahrscheinlich nächste britische Premierminister. Die Mehrheit seiner Landsleute glaubt nicht, dass er den Job gut machen wird. (Quelle: Frank Augstein/ap-bilder)

Einen wunderschönen guten Morgen!

Mein Name ist Tatjana Heid, ich leite das Politik-Ressort von t-online.de und ich freue mich, heute für Sie den Tagesanbruch zu schreiben. Hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Die Meldung kam Freitagabend und sie las sich wie old news: Der Iran hat einen britischen Tanker in der Straße von Hormus festgesetzt. Die "Stena Impero" habe internationale Regeln missachtet, sagt der Iran. Die Aktion sei ein illegaler Eingriff ins Völkerrecht, sagen die Briten. Deutschland verurteilt die Festsetzung aufs Schärfste. Die USA kündigen an, erstmals seit 2003 wieder US-Truppen in Saudi-Arabien zu stationieren. Der Konflikt am Golf verschärft sich, schreiben die Medien. Wie so oft in den vergangenen Wochen.

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Doch nur weil wir uns an diese Nachrichten gewöhnt haben, wird die Lage nicht weniger prekär. Als ich mich im Mai zusammen mit Florian Harms zum Interview mit Außenminister Heiko Maas traf, sagte er zu dem Konflikt zwischen dem Iran und den USA: "Sowohl die USA als auch der Iran versichern, dass sie keinen Krieg wollen." Das darf man getrost glauben: Keiner will Krieg, ein Krieg kennt keine Gewinner. Er könnte den Nahen Osten in einen Flächenbrand stürzen und sich bis nach Israel auswirken.

Doch: Die Straße von Hormus ist eine der wichtigsten Seestraßen der Welt, vor allem für den Ölhandel. Da sie an ihrer schmalsten Stelle nur 30 Seemeilen breit ist, lässt sie sich leicht kontrollieren. Das nutzt der Iran aus, in einer Zeit, in der sich der Konflikt mit den USA verschärft – und er Stärke zeigen muss. Die USA sind vor mehr als einem Jahr einseitig aus dem internationalen Atomabkommen ausgestiegen, seitdem leidet der Iran unter den Sanktionen. Auf beiden Seiten herrscht Misstrauen, beide Seiten tragen wenig zur Entspannung bei. Die Gefahr, dass es zu einer Eskalation kommt – quasi aus Versehen –, ist nach wie vor groß.


Am vergangenen Samstag vor 50 Jahren betraten die ersten Menschen den Mond: Neil Armstrong und Edwin Aldrin. So weit, so bekannt. Aber sagt Ihnen der Name Michael Collins etwas? Collins hielt das Raumschiff "Columbia" auf Kurs, während die beiden anderen ihre kleinen großen Schritte machten. 48 Minuten war der Astronaut auf der dunklen Seite des Mondes, ohne Funkkontakt zur Erde, ohne seine Kollegen sehen zu können, "der vermutlich einsamste Mensch der Milchstraße", schreibt unsere Autorin Angelika Franz. Die Erfahrung hat ihn geprägt.

Würden alle Politiker die Erde in 100.000 Meilen Entfernung sehen, würden sich ihre Einstellungen vermutlich fundamental ändern, schrieb Collins fünf Jahre nach der "Apollo 11"-Mission in seiner Autobiografie: "Selbst die wichtigste Grenze würde unsichtbar sein, der lauteste Streit unhörbar. Der kleine Globus würde sich weiterdrehen, gelassen alle Teilungen ignorieren und stattdessen eine einheitliche Fassade präsentieren, die Verständnis und Gleichbehandlung fordert. Die Erde sollte so werden, wie sie sich uns zeigt: blau und weiß, nicht kapitalistisch oder kommunistisch; blau und weiß, nicht arm oder reich; blau und weiß, nicht neidisch oder beneidet."

Worte, die der amerikanischen und iranischen Regierung heute genauso zu denken geben könnten wie damals den Regierungen im Kalten Krieg.


WAS STEHT AN?

Da wir gerade bei internationalen Entwicklungen sind, die alle Nicht-Beteiligten lediglich hilflos verfolgen können ... schauen wir doch einmal nach Großbritannien. Morgen geben die Tories bekannt, wer Theresa May an der Parteispitze und damit auch als Premierminister folgen wird. Bis heute können die Parteimitglieder noch ihre Stimme abgeben. Und so wie es aussieht, liegt Boris Johnson – Hardcore-Brexiteer, Ex-Bürgermeister von London, ehemaliger Außenminister – nahezu uneinholbar vor dem amtierenden Außenminister Jeremy Hunt.

Nach britischem Recht ernennt die Queen den Premierminister, traditionell ist das der Mehrheitsführer des Unterhauses oder der führende Politiker einer Koalition. Und da es bei den Tories üblich ist, dass der Parteichef auch immer Anspruch auf das Amt des Regierungschefs hat, bestimmen nun rund 160.000 Tories, wer das Land in den Brexit führen darf. Ein Verfahren, das zumindest fragwürdig ist. Die Tory-Mitglieder entsprechen nicht einmal einem Prozent der britischen Bevölkerung. Und dieser Bruchteil ist, wenig überraschend, keineswegs repräsentativ. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov von Ende Juni wollen 48 Prozent der Tories Boris Johnson als neuen Premierminister. Bei den Briten insgesamt sind es demnach nur 29 Prozent. Sie würden Außenminister Hunt den Vorzug geben – der bei den Tories abgeschlagen ist.

Und schon vor Ernennung des neuen Premiers setzt das mittlerweile gut bekannte Chaos in der britischen Politik ein. Jeder rettet sich, wer kann. Finanzminister Philip Hammond und Justizminister David Gauke haben bereits ihren Rücktritt angekündigt, sollte Johnson neuer Premierminister werden. Sie wollen den dann drohenden No-Deal-Brexit nicht mittragen. In London geht man davon aus, dass sie nicht die einzigen Minister bleiben werden. Zudem überlegt eine Gruppe von mehreren Tory-Parlamentariern offenbar, sich den Liberaldemokraten anzuschließen.

Damit hätte Johnson keine Mehrheit mehr im Parlament – und der abtrünnige Hammond hatte schon vergangene Woche nicht ausschließen wollen, den eigenen Premier via Misstrauensvotum zu stürzen. Wenn zudem etwas im britischen Unterhaus klar ist, dann das: Die Abgeordneten lehnen einen No Deal mehrheitlich nach wie vor ab. Das Chaos dürfte also weitergehen. Stellen wir uns auf einen langen Brexit-Herbst ein – eine weitere Verschiebung nicht ausgeschlossen.


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Während die Briten uns Politik-Journalisten helfen, die nachrichtenarme Sommerzeit zu überbrücken, haben die Sport-Kollegen ihre Transfers. Der Fokus der meisten Fußballfans liegt momentan nämlich auf den Zu- und Abgängen der Vereine. Und so haben sich meine Kollegen die Entwicklungen auf dem europäischen Transfermarkt genauer angeschaut. Heute informieren sie Sie in verschiedenen Artikeln über die Geldflüsse im Fußball. Welche Liga rüstet sich am besten für die kommende Spielzeit? Wer scheint die Stärkung seiner Mannschaft zu verschlafen? Los geht es am Morgen mit dem Blick auf die spanische Topliga.


WAS LESEN?

Der Mensch an sich ist ein optimistisches Wesen mit dem dankbaren Talent, sich selbst hinters Licht zu führen. Er raucht in dem Wissen, dass der Lungenkrebs ihn verschonen wird (Helmut Schmidt!). Er rast mit 200 km/h über die Autobahn in dem sicheren Glauben, dass Unfälle nur andere haben. Er isst große Mengen zart-milde Bitterschokolade im Vertrauen auf seinen schon immer sehr guten Zahnschmelz. Und er setzt Kinder in die Welt in der Hoffnung, dass das schon alles irgendwie klappt. Dass die Erde sie genauso angenehm leben lässt wie einen selbst.

Anders unser Autor Raphael Thelen. Er antwortete seiner Freundin auf die Frage nach Kindern: "Ich habe Angst." Warum? Kurz vorher hatte er angefangen, zur Klimakrise zu recherchieren. Natürlich kannte er die düsteren Klimaprognosen, aber meist bezogen sie sich auf das Jahr 2100, was unglaublich weit weg klingt. Doch je mehr er las, desto mehr fragte er sich: "Es liegen noch 40, vielleicht 50 Jahre vor mir – wie wird die Welt aussehen, wenn ich alt bin? Was werde ich noch selbst ertragen müssen?"

Seine Erkenntnisse hat er in einem Essay für t-online.de aufgeschrieben. Ich lege ihn Ihnen sehr ans Herz. Zum einen, weil er in drastischer Weise die Augen öffnet und klar macht, dass es eben nicht nur um das Jahr 2100 geht – sondern um das Hier und Heute. Und zum anderen, weil er trotz allem ein kleines bisschen Hoffnung transportiert: Ja, es ist noch immer möglich, Kinder ohne Angst in die Welt zu setzen. Wieso, lesen Sie hier. Im Video erklärt Thelen zudem, warum in der Klimakrise sogar eine Chance liegt. Unbedingt anschauen!


WAS AMÜSIERT MICH?

Die Kuriositäten des Alltags. Vergangene Woche, morgens, eine Straßenkreuzung in Berlin. Alle Menschen sehen fürchterlich schlecht gelaunt und in sich gekehrt aus. Da kommt auf einmal ein kleiner Junge (vielleicht vier Jahre alt) mit seinem Vater des Weges, bleibt an der Ampel stehen und schaut sich um. Baut sich vor dem Mann neben ihm auf, deutet auf dessen (sehr üppigen) Bauch und sagt (sehr laut): "Hast Du einen Ball verschluckt?" Die Umstehenden schauen ängstlich zu dem Angesprochenen und dieser – lacht schallend. "In Berlin geboren, wa?", fragt er. Nichts ist so erfrischend wie eine Kinderwahrheit am Morgen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen humorvollen Start in die Woche!

Ihre

Tatjana Heid
Politikchefin t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @t_heid

Mit Material von dpa.


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