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Klimawandel: Verschmutzte Ozeane, verpestete Luft – die Welt geht unter


Verdammt, die Welt geht wirklich unter

Ein Essay von Raphael Thelen

Aktualisiert am 20.09.2019Lesedauer: 11 Min.
Meinung
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Feuerwehrleute bekämpfen einen Brand nahe Los Angeles in Kalifornien: Schon heute brennt es heftig auch in Deutschland. Waldbrände sind eine Folge der Klimakrise – und verschärfen sie gleichzeitig.Vergrößern des Bildes
Feuerwehrleute bekämpfen einen Brand nahe Los Angeles in Kalifornien: Schon heute brennt es heftig auch in Deutschland. Waldbrände sind eine Folge der Klimakrise – und verschärfen sie gleichzeitig. (Quelle: Gene Blevins/Reuters-bilder)

Zecken breiten sich aus,

Vor einiger Zeit saß ich mit meiner Partnerin Theresa am Lagerfeuer, ein befreundetes Paar hatte gerade geheiratet. Wir sprachen darüber, was wir eigentlich füreinander sein wollen – vielleicht auch weil sich zwei Menschen da gerade so klar zu einer gemeinsamen Familie bekannt hatten.

Wir sprachen darüber, ob wir Kinder wollen. Ich konnte ihr da keine klare Antwort geben. Ich sagte: "Ich habe Angst." Und das hat einen Grund.

Kurz bevor wir zu der Hochzeit fuhren, hatte ich angefangen, zu den Folgen der globalen Klimakrise zu recherchieren. Ich las über Länder wie Marokko, Nigeria, Bangladesch, brutale Prognosen von Dürre, Überschwemmungen und Elend, doch die meisten bezogen sich auf das Jahr 2100, was so weit in der Zukunft liegt, dass es für mich schwer zu fassen ist.

Dann wachte ich eines Morgens mit Beklemmung auf, in meinem Kopf pochte diese Frage: Es liegen noch 40, vielleicht 50 Jahre vor mir – wie wird die Welt aussehen, wenn ich alt bin? Was werde ich noch selbst ertragen müssen?

Ich wuchs am Rhein auf, liebe ihn dafür, wie er sich so breit und träge dahinwälzt. Jetzt frage ich mich, ob er nicht eines Tages austrocknen wird. Mit Freunden habe ich ein Haus am See in Brandenburg – werden da Jahr für Jahr die Wälder brennen? Seit meinem Studium bereise ich den Nahen Osten – kann ich das in Zukunft noch machen?

Und darüber hinaus: Schon jetzt peitscht Extremwetter über die USA, Asien und Afrika hinweg – wie schlimm wird das noch in den kommenden Jahrzehnten?

Kann man das noch machen, Kinder in diese Welt setzen, oder ist das schon unverantwortlich?

Mein "Jahrhundertsommer" tötete Zehntausende

Ich fange an mit den Prognosen des Weltklimarats, er ist die wissenschaftliche Instanz zum Thema. Der Rat sagt: Reduzieren wir nicht drastisch unsere CO2-Emissionen, erwärmt sich die Welt bis 2050 um 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Deutschland heizt sich noch schneller auf, vor allem unsere Sommer werden heißer werden. Das Jahr 2003 soll ein Vorbote gewesen sein, lese ich in einem der Bücher, die sich bald auf meinem Schreibtisch stapeln.

Meine Erinnerungen an dieses Jahr: Ich bin 18 und betrinke mich während der Ferien mit Kölsch aus der Dose auf den Wiesen am Rhein. Es ist wunderbar. Alle sprechen vom "Jahrhundertsommer".

Das mediale Hintergrundrauschen, dass die Hitzewelle 7.000 Menschen tötet, nehme ich kaum war. In Frankreich, lese ich später, waren es 15.000 Tote. In den Straßen von Paris brechen an einem Tag 40 Menschen leblos zusammen. So schnell geht es dort, dass Leichen im Kühlhaus eines Großmarkts gelagert werden müssen.

Ein Forscherteam berechnet später: In ganz Europa starben bis zu 70.000 Menschen. Damit ist dieser Sommer eine der opferreichsten Naturkatastrophen der vergangenen 40 Jahre. Weltweit.

Wenn ich in Rente gehe, so die Klimaprognosen, ist jeder zweite Sommer so heiß. Und es sind vor allem Alte, die in der Hitze sterben.

Megacitys werden überflutet

Doch der Sommer soll nicht nur heißer werden, auch Dürren kommen regelmäßiger. Vergangenes Jahr schon verdorrte vielen Landwirten die Ernte, sächsischen Tannenbaumzüchtern vertrockneten ihre gesamten Setzlinge. Weil es an Futter mangelte, musste Vieh geschlachtet werden.

Die Wälder in Brandenburg, Wälder überall in Deutschland – so die Prognosen – brennen 2060 Sommer für Sommer.

Weltweit leiden bei zusätzlichen zwei Grad 400 Millionen Menschen unter Wasserknappheit, unzählige Großstädte entlang des Äquators werden wegen der Hitze schlicht unbewohnbar. Weil die Pole schmelzen, steigt der Meeresspiegel, Jakarta mit seinen 10 Millionen Einwohnern geht unter. Ich war noch nie in Jakarta, weiß nicht, wie es da aussieht und kenne da niemanden. Die Vorstellung bedrückt mich trotzdem. Es wird passieren, wenn wir auf dem Pfad bleiben, auf dem wir derzeit sind.

In einem Weltbank-Bericht lese ich, dass in diesem Fall weltweit 140 Millionen Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssten. Die Vereinten Nationen sagen, es könnte eine Milliarde sein.

Die große Stille

Die Klimakrise ist dafür nicht der einzige Grund und nicht alle Flüchtlinge werden nach Europa aufbrechen, aber ich kann die Bilder von Kindern, die im Mittelmeer ertrinken, schon heute kaum ertragen. Doch sie sind wohl nur ein bitterer Vorgeschmack auf das, was kommen und nicht nur uns Menschen betreffen wird.

Ich fange an, über die Auswirkungen auf die Umwelt zu lesen und stoße auf das "sechste große Artensterben". Als Kind dachte ich, Kometen hätten die Dinosaurier ausgelöscht, aber viele Wissenschaftler vermuten, dass es Klimakrisen waren, ausgelöst von Vulkanausbrüchen und anderen Naturkatastrophen.

Dieses Mal heißt die Katastrophe Mensch, jede sechste Tierart ist bereits vom Aussterben bedroht, es wird spekuliert, welche Spezies überhaupt überleben wird.

Das Summen, Zirpen, Rascheln, das man hört, wenn man auf dem Land unterwegs ist – es verstummt langsam. Das "Zeitalter der Einsamkeit" nennt der Biologe Edward O. Wilson das, was vor uns liegt.

Neue Krankheiten

Doch manche Tiere profitieren auch. Zecken zum Beispiel breiten sich im wärmer werdenden Klima aus, übertragen schon heute Krankheiten wie Borreliose und Hirnhautentzündung. Dazu kommen invasive Arten, die Krankheiten wie Zecken-Fleckfieber und das teils tödliche Mittelmeer-Zeckenstichfieber übertragen. Im tauenden Eis der Arktis liegen eingefrorene Erreger, die jetzt wieder zum Leben erwachen. 2016 starb ein zwölfjähriger Junge im russischen Salekhard an Anthrax, nachdem der Permafrostboden aufgetaut war.

Während ich das schreibe, zieht die Rauchwolke des größten Waldbrandes seit Jahrzehnten über Berlin. Ich lese, dass in Europa schon jetzt mehr Flächen brannten als im Vorjahr.

Aber die Infos dazu finde ich nur auf kleinen Websites, und wenn ich auf die großen News-Seiten gucke, beschleicht mich langsam ein Gefühl, als rasten wir mit dem Auto sehenden Auges auf eine Klippe zu, doch statt über Rettungsmaßnahmen, diskutieren alle Insassen nur über die Musik im Radio.

Klingt übertrieben? Ein offizieller Bericht der Europäischen Union prognostizierte kürzlich die mögliche Auslöschung der Menschheit. Vermeldet wurde das nicht.

In Gesprächen quillt das alles immer wieder aus mir hervor, ich rede und rede und merke, dass mein Gegenüber mich anschaut wie einen Irren.

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Sind die Prognosen zu optimistisch?

Und dann begreife ich, dass das alles noch konservative Schätzungen sind. Der Weltklimarat geht davon aus, dass wir wahrscheinlich erst im Jahr 2100 4 Grad Erwärmung erreichen werden. Aber er berücksichtigt dabei keine so genannten "Feedback-Cycles".

Die Welt wird wärmer, weil mehr CO2 in der Atmosphäre ist. Weil es wärmer wird, gibt es häufiger Waldbrände, die wiederum CO2 freisetzen – ein klimatischer "Feedback-Cycle".

Das gilt auch für die Weltmeere: Durch das CO2 werden sie saurer und wärmer. Dadurch stirbt Phytoplankton. Diese winzig kleinen Algen binden ungefähr die Hälfte unserer CO2-Emissionen. Je mehr CO2 wir ausstoßen, desto schneller sterben sie. Je schneller sie sterben, desto weniger CO2 binden sie.

Auch Gletscher dienten bisher als gigantische Spiegel, die Sonnenenergie zurück ins All reflektierten. Jetzt schmelzen sie.

Für alle drei Mechanismen gilt: Je wärmer es wird, desto schlechter schützen sie unser Klima. Und je schlechter sie unser Klima schützen, desto wärmer wird es. Ein Teufelskreis.

Doch Wissenschaftler können nicht genau berechnen, wie schnell sich dieser Teufelskreis dreht, und deshalb berücksichtigen die Berichte des Weltklimarats diese "Feedback-Cycles" nicht. Sie verkünden nur, worauf sich alle Mitgliedsländer einigen können, das, was zweifellos erwiesen ist. Die Prognosen sind deshalb sehr präzise – aber auch sehr zurückhaltend.

Ich hoffe, auf meine Mail keine Antwort zu bekommen

Ich lese von einer Studie von Richard A. Betts. Betts ist Mitglied des Met Office Hadley Centre und einer der Autoren des Weltklimarat-Berichts. 2011 veröffentlichte er eine unabhängige Prognose, in der er argumentiert: Machen wir so weiter wie bisher, und die "Feedback-Cycles" fallen schlimmer aus als angenommen, könnten schon in den kommenden 40 Jahren 4 Grad mehr erreicht sein.

2011 – das heißt, die Veröffentlichung ist sieben Jahre alt. Vielleicht, denke ich, haben sich die Berechnungen mittlerweile verbessert und Betts hat sich geirrt.

Also schreibe ich ihm eine Mail und hoffe, dass er sich geirrt hat oder nicht antwortet, damit ich mich in meine Zweifel flüchten kann. Er antwortet.

Es gäbe immer noch Unsicherheiten in der Berechnung, aber prinzipiell steht seine Prognose, und bei vier Grad mehr gerät das Klima außer Kontrolle, die Erwärmung verläuft dann nicht mehr linear, schmelzendes Eis, Waldbrände und sterbende Ozeane schaukeln sich gegenseitig auf, der Meeresspiegel steigt um einen halben Meter und das bedeutet:

Alle Strände, die wir kennen, verschwinden. Genau wie die Mangrovenwälder mit ihren bengalischen Tigern und die Sankt-Markus-Kathedrale in Venedig. Das ägyptische Alexandria, diese uralte Stadt, versinkt, das landwirtschaftliche Herz des Landes, das Nildelta versalzt. Sturmfluten verwüsten die niedriggelegenen Bezirke von New York, also Teile von Lower Manhattan und Brooklyn, sowie die Flughäfen La Guardia und Newark. Überhaupt liegen knapp zwei Drittel aller großen Städte weltweit am Meer, mitsamt ihren Wohnkomplexen, Fabriken, Häfen, Freizeitparks und Einfamilienhäusern.

In Deutschland wird jeder Sommer so heiß sein wie 2003. Mein Heimatfluss Rhein verliert in manchen Monaten die Hälfte seines Wassers. Große Teile von Südeuropa werden unbewohnbar, genau wie der Nahe Osten. 255.000 Menschen sterben weltweit jährlich in Folge der Hitze, 44 Prozent der Welt werden von Dürren heimgesucht, weltweit hungert jeder zweite Erdbewohner.

Die Wahrscheinlichkeit von Ressourcenkriegen steigt, auch zwischen atomar bewaffneten Ländern wie Pakistan und Indien, die sich um das Wasser austrocknender Flüsse streiten.

Kannibalismus auf der Osterinsel

Ich wohne in Deutschland und habe damit Glück, wir liegen in einer gemäßigteren Zone, aber die Verwerfungen werden uns nicht unberührt lassen. Der Soziologe Harald Welzer vergleicht das weltweite Szenario mit den letzten Tagen der Zivilisation auf der Osterinsel im 19. Jahrhundert.

Zum Aufrichten immer größerer Steinstatuen, fällten die Inselbewohner sämtliche Palmen der Insel, so wie wir in klimaschädliche Flieger steigen, um immer neue Länder zu erkunden. Unser Klima kollabiert, damals setzte auf der Osterinsel Bodenerosion ein – mit dem gleichen Ergebnis: Die Lebensgrundlage der Menschen brach zusammen. Hunger suchte die einst paradiesische Insel heim, Konflikte um die verbliebenen Ressourcen brachen aus. Der Militärhistoriker John Keegan spricht von einem "absoluten Krieg". Knochenfunde mit Bissspuren weisen auf Kannibalismus hin.

Wenn ich das aufschreibe, denke ich, wird mir Schwarzmalerei vorgeworfen werden. Und klar, Betts 4-Grad-Prognose ist nur ein Szenario – aber nicht unrealistisch. Und man schließt ja auch keine Krankenversicherung ab, während man gerade dehydriert ins Krankenhaus transportiert wird, sondern vorher. Man besorgt sich keine Brandschutzversicherung, wenn der Wald neben dem eigenen Haus schon brennt, sondern weil er brennen könnte. Und der Staat gibt ja nicht 43 Milliarden für die Bundeswehr aus, also viermal so viel wie für Umweltschutz, weil unsere Nachbarn angreifen, sondern weil sie angreifen könnten.

Selbst wenn es nur ein Worst-Case-Szenario wäre, sollten wir uns darauf vorbereiten. Ist es aber nicht. Es spricht sogar einiges für Betts Prognose.

Wenn der Schalter kippt

Grönlands Eispanzer schmilzt schneller als angenommen. Genau wie in der Westantarktis verdoppelte sich in den vergangenen Jahren seine Schmelzrate. Der weltweite Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt sich seit den 1990er-Jahren schneller als prognostiziert.

Außerdem gibt es da die Permafrostböden in der Arktis. Sie speichern fast doppelt so viel Klimagase, wie sich derzeit in der Atmosphäre befinden. Und die Böden tauen, die Gase entweichen. Je wärmer die Welt wird, desto schneller – noch so ein "Feedback-Cycle", den der Weltklimarat nicht berücksichtigt.

Und dann hängt da noch ein unsichtbares Damoklesschwert über unseren Köpfen, von dem Wissenschaftler dank Eiskernbohrungen wissen, dass es existiert, aber nicht wissen, wie und wann es auf uns niederschlagen wird: abrupter Klimawandel.

Scheinbar lässt sich unser Klimasystem mit einem Lichtschalter vergleichen: Man kann den Druck langsam erhöhen, und nichts passiert, bis er dann umkippt und das Licht ausgeht. Am Ende der Jüngeren Dryaszeit vor etwa 12.000 Jahren ist so etwas passiert. Innerhalb weniger Jahre stieg die Temperatur in Grönland um zehn Grad. Warum das passierte, ist unklar. Wann es das nächste Mal passiert: auch unklar. Klar ist nur: Noch nie in der Erdgeschichte erhitzte sich das Klima so schnell wie derzeit.

Dabei heißt es, dass sich Gesellschaften schon an 4 Grad Erwärmung nicht mehr anpassen können. 10 Grad mehr sind unvorstellbar. Die Wahrscheinlichkeit solcher Szenarien steigt mit jeder kleinsten Steigerung der globalen Temperatur.

Kämpfen um jedes Zehntel Grad

Ich rufe Kai Bergmann von der Klimaorganisation Germanwatch an. Er beschäftigt sich seit 20 Jahren mit diesen Prognosen, appelliert unermüdlich an Politiker, endlich umzudenken. Er weiß um das drohende Ende.

Ich frage ihn, wie er es schafft, nicht wahnsinnig zu werden. Er antwortet, dass er trotz allem Hoffnung hat, er könne nicht anders, als um jedes Zehntel Grad zu kämpfen, auch wenn die Chancen schlecht stehen. Denn jedes Zehntel zähle.

Was er sagt, überrascht mich, und ergibt nach einigen Tagen trotzdem Sinn. Hoffnung ist nicht gleich Optimismus. Die Autorin Rebecca Solnit hat in ihrem Buch "Hope in the Dark" den Unterschied herausgearbeitet.

Der Unterschied zwischen Optimismus und Hoffnung

Der Optimist, schreibt Solnit, glaube, dass schon alles gut werden wird, auch ohne sein Zutun. Hoffnung hingegen heiße, ein Ziel zu haben und darauf hinzuarbeiten, auch wenn man nicht weiß, ob man es erreichen wird. Doch täte man dies, seien auch Erfolge möglich, die selbst die kühnsten Erwartungen übertreffen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, angesichts der Ungeheuerlichkeit der nationalsozialistischen Verbrechen, erstand auf den Ruinen des Kontinents ein System, von dem seit Jahrhunderten geträumt wurde: mit freien und gleichen Wahlen, einem Wohlfahrtsstaat und jahrzehntelangem Frieden, wie ihn keine Generation zuvor gekannt hatte.

Deswegen sagen Autorinnen wie die Kapitalismuskritikerin Naomi Klein: Angesichts der drohenden Verwüstung der Welt bietet sich vielleicht die Chance, wegzukommen von dem System, das uns bedroht. Weg vom Höher, Schneller, Weiter, das die Menschen in das Burn-Out treibt, weg vom oberflächlichen Wachstums- und Konsumfetisch, der immer mehr Menschen vereinsamen lässt und unseren Planeten zerstört.

Langsamer, empathischer, liebevoller

Ein Beispiel für das, was uns stattdessen erwarten könnte, ist vielleicht die Hochzeit, auf der ich mit meiner Partnerin am Feuer saß: Der Wein kam von einem Biowinzer aus der Gegend, Frauen aus dem Dorf kochten das Festmahl, und die meisten Freunde zeigten ihre Verbundenheit und Liebe nicht durch bergeweise Geschenke, sondern indem sie ein paar Tage früher anreisten und bei den Vorbereitungen anpackten. So entstand über die Tage eine Hochzeitsgesellschaft, in der es langsamer, empathischer und vor allem sehr liebevoll zuging.

Es ging so zu, wie ich es mir für meinen Alltag, mein Leben in Berlin wünschen würde. Ich glaube, das wäre auch möglich, wenn wir es nur wollen würden.

In Welzow habe ich vor zwei Jahren den Landwirt Hagen Rösch kennengelernt, einen ehemaligen Bundeswehroffizier. Die Klimakrise zerstörte seine Ernte, die Bagger des nahegelegenen Vattenfall-Tagebaus fraßen seine Felder. Also setzte Rösch auf Solarpanele und Biogas, um sein Einkommen zu sichern, und auf gerichtliche Klagen, um Vattenfall erfolgreich Einhalt zu gebieten. Doch individuelles Umdenken wird kaum reichen, um uns zu retten. Dafür braucht es politischen Druck.

Also lud er die Klimaaktivisten von "Ende Gelände" ein. Sie schlugen ihr Camp bei ihm auf und zogen los, um Bagger, Förderbänder und Kohlekraftwerke zu besetzen.

Fünf Prozent Chance auf Rettung

Vielleicht bietet die Klimakrise die Chance, zu begreifen, dass unser Lebenswandel unsere Lebensgrundlage bedroht. Dass wir der Erde ausgeliefert sind, dass wir nicht ohne sie können, oder anders gesagt: Dass wir eins sind. Dass wir uns selbst nur retten können, wenn wir sie retten.


Es ist noch möglich, zu verhindern, dass die globale Erhitzung über zwei Grad steigt, es ist noch möglich, zu verhindern, dass die Hälfte der Welt hungert, es ist noch möglich, ohne Angst Kinder in diese Welt zu setzen.

Adrian Raftery von der Universität Washington hat berechnet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass wir es schaffen, die globale Erwärmung unter zwei Grad zu halten. Sein Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit liegt bei fünf Prozent.

Das ist kein Grund, die Hoffnung zu verlieren, wie der Aktivist Kai Bergmann sagt: Jedes Zehntel zählt.

In einer früheren Version des Textes hieß es, dass der Tagebau in Welzow vom Energiekonzern RWE betrieben wird. Richtig ist aber, dass es eine Anlage der Firma Vattenfall ist. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Hinweis: Dieser Text erschien erstmals am 21. Juli 2019.

Verwendete Quellen
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