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Coronavirus: Es braucht einen neuen Alarmmodus für Epidemien


Was heute wichtig ist
Das Leben ist schön!

MeinungFlorian Harms

Aktualisiert am 30.01.2020Lesedauer: 5 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Ein Händler in Syrien auf einer kleinen Alltagsflucht.Vergrößern des Bildes
Ein Händler in Syrien auf einer kleinen Alltagsflucht. (Quelle: Lutz Jäkel)

Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

welch ein herrlicher Tag! Wieso? Einfach deshalb, weil wir, also Sie und ich, ihn hier und jetzt dazu machen. Ist gar nicht schwer. Tagein, tagaus werden wir mit betrüblichen Nachrichten und kleinen Alltags-Nervereien behelligt. Trump trampelt durch die Weltpolitik, das Virus aus China ängstigt uns, die Regierenden in Berlin wurschteln vor sich hin, draußen herrscht Pieselwetter, die Waschmaschine macht plötzlich komische Geräusche und den Keller müssten wir auch mal wieder aufräumen. Seufz.

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Schluss mit Seufzen, das Leben ist schön! Das sehen wir heute nämlich bei einem kurzen Blick in den Kalender: 30. Januar steht da, der National Escape Day. Der bitte was? Lesen Sie den Begriff ruhig noch mal, und dann glauben Sie mir einfach: Ist ’ne super Sache! Haben die Amis erfunden, frei übersetzt: Tag der kleinen Alltagsfluchten. Da blendet man die betrüblichen News und Scherereien einfach mal kurz aus und tut sich etwas Gutes. Wie denn? So zum Beispiel: zum Frühstück ein Croissant mit Konfitüre, später das Handy für eine Stunde beiseitelegen und ein Buch zur Hand nehmen, nachmittags ein Spaziergang durch den Park oder vielleicht sogar ein Nickerchen auf der Couch. Sie werden merken, das ist gar nicht so schwer, wenn man sich erst einmal vom täglichen Terminstakkato freigemacht hat. Und hinterher klingen die Nachrichten gleich weniger betrüblich:

WAS WAR?

Es kommt nicht alle Tage vor, dass die Crème de la Crème der deutschen Wirtschaft gemeinsam in einer Werkshalle herumsteht. Siemens-Chef Kaeser, Herr Sewing von der Deutschen Bank und Herr Källenius von Daimler, dazu die Bosse von BMW, Allianz, BASF und Herrenknecht: Alle waren sie Anfang September im Schlepptau der Bundeskanzlerin nach China gereist, um ihre Geschäfte im dynamischsten Land der Welt anzukurbeln. Geduldig ließen sie sich während der Eröffnung der neuen Webasto-Fabrik in Wuhan erläutern, wie der deutsche Autozulieferer dort Schiebedächer und Elektroheizungen für den Weltmarkt montiert. "Schon eindrucksvoll, wie schnell man hier ein Werk hochziehen kann", flüsterte mir einer der Topmanager zu, als wir nebeneinander durch die blitzsaubere Halle schlenderten. "Die Chinesen sind halt viel schneller als wir."

Keine vier Monate später würde sich mancher vielleicht wünschen, die Chinesen wären nicht immer in allem so schnell. Oder könnten zumindest ihre Hygienevorschriften und ihr Gesundheitssystem dem Tempo ihres Wirtschaftswachstums angleichen. Denn exakt aus diesem Webasto-Werk in Wuhan stammt die chinesische Mitarbeiterin, die auf einer Fortbildung in Bayern vier deutsche Angestellte mit dem Coronavirus ansteckte. An dieser Stelle muss man sagen: Nach allem, was wir wissen, trifft die Frau keinerlei Schuld. Erkrankte haben im Frühstadium meistens keine Ahnung, dass sie infiziert sind, und erst recht nicht, dass sie andere Menschen gefährden.

Trotzdem ist der Fall bemerkenswert, denn er wirft ein Schlaglicht auf die Welt von heute. Politiker und Wirtschaftsbosse haben uns seit Jahren eingebläut, in der Globalisierung eine große Errungenschaft zu sehen. Je mehr Länder am globalen Handel teilnehmen, je schneller sich das Rad des Kaufens und Verkaufens rund um den Globus dreht, desto besser ergehe es allen Menschen, erst recht im Exportweltmeisterstaat Deutschland: So tönt das hohe Lied der CEOs, Kanzler und Präsidenten. Was man dabei oft vergisst: Nicht nur Waren, Gewinne und Innovationen werden globalisiert, sondern auch Probleme – Armut, Extremismus, Konflikte. Und Krankheiten.

Das bedeutet nicht, dass wir das Rad der Globalisierung aufhalten müssen. Aber eine Notbremse für Ausnahmesituationen wäre schon bedenkenswert, und zwar nicht erst dann, wenn im Falle einer Epidemie bereits Hunderte oder gar Tausende Infizierte verzeichnet worden sind. Die chinesischen Behörden rühmen sich ihrer Transparenz im Umgang mit dem Coronavirus. Wir dürfen aber schon mal fragen, warum sie erst dann mit der Transparenz begonnen haben, als der Erreger bereits zahlreiche Menschen dahingerafft und ganze Städte in Angst versetzt hatte. Ein verpflichtender Sofort-Alarm für neuartige Krankheiten: Das wäre doch mal eine sinnvolle Ergänzung der globalisierten Kreisläufe. Finden bestimmt nicht nur die Mitarbeiter im Webasto-Werk.

Diskutieren Sie mit in der Leserdebatte des Tages! Wie stehen Sie zur Globalisierung?


WAS STEHT AN?

Politiker und Ehrenamtliche werden immer häufiger bedroht. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hat deshalb im t-online.de-Interview angekündigt, am heutigen Donnerstag mit seinen Amtskollegen der anderen Parteien zu beraten, was sie gemeinsam gegen Hass und Hetze tun können. Auch Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner ist bei dem Treffen dabei. Unserem Reporter Johannes Bebermeier hat er vorab verraten, was er dabei fordern will.


Die Deutsche Bank: einst Krösus, heute Krisenfall. Heruntergewirtschaftet von Gier, Größenwahn und krimineller Energie. Der gegenwärtige Chef Christian Sewing will den Noch-Dax-Konzern mit einer radikalen Neuausrichtung zurück auf die Erfolgsspur führen. Heute muss er aber erst einmal die voraussichtlich tiefroten Geschäftszahlen für letztes Jahr vorlegen. Es wäre das fünfte Minusjahr in Folge.


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Der Untersuchungsausschuss zur Affäre im Verteidigungsministerium vernimmt heute die ehemalige Staatssekretärin Katrin Suder. Unter ihrer Ägide sollen sich Unternehmensberater am Ministeriumshaushalt gütlich getan haben. Die Aufklärung wird erschwert, weil neben Dokumenten auch Ursula von der Leyens Handydaten gelöscht wurden.


ZAHL DES TAGES

Rund 391.000 Euro verdient WDR-Intendant Tom Buhrow jährlich.
Zum Vergleich: Der Bundespräsident bekommt 214.000 Euro.

ZITAT DES TAGES

"Es ist schon schwierig zu vermitteln, warum Intendanten wie Herr Buhrow viel mehr verdienen müssen als der Bundespräsident."
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in der "Zeit".

Hintergrund: Als ARD-Vorsitzender tingelt Herr Buhrow derzeit durch die Republik und versucht, Politiker von einer Erhöhung der Rundfunkgebühren zu überzeugen. Acht Milliarden Euro jährlich reichen ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht, sie verlangen noch mal drei Milliarden mehr. "In der Bevölkerung stößt das gewiss auf wenig Gegenliebe", findet Herr Haseloff und regt eine Kürzung der Gehälter an: "Die Intendanten könnten hier Vorbild sein und etwas für die Demokratie tun." Auch die Kommission, die den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten ermittelt, hat festgestellt: Das oberste Drittel der Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bekommt zu viel Geld.

"Alle großen Männer sind bescheiden", wusste schon der große Gotthold Ephraim Lessing. Will Herr Buhrow auch mal ein großer Mann werden, sollte er Herrn Haseloff gut zuhören.


WAS LESEN?

Was haben Jürgen von der Lippe, Friedrich Merz und CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus gemeinsam? Sie alle haben die sozialen Netze jüngst zum Kochen gebracht – dabei haben sie ganz normale Dinge gesagt. Unsere Autorin Nicole Diekmann wünscht allen Seiten mehr Mut zum Achselzucken.


Meine Lieblingsmeldung der vergangenen Tage stand in der "Berliner Zeitung": Sicherheitsleute haben in einem Berliner U-Bahn-Tunnel ein vollständig eingerichtetes Arbeitszimmer entdeckt – nebst Schreibtisch, Computer, Zimmerpflanze. Da hat sich wohl jemand einen Ulk erlaubt. "Wir lassen den Krempel jetzt wegräumen und erstatten Anzeige!", meint ein Sprecher der Verkehrsbetriebe. Ich meine: Die könnten eine Prise Humor vertragen, die Berliner Behörden.


Die EU-Agenda für 2020 ist prall gefüllt. Im Juli beginnen der deutsche Ratsvorsitz und zugleich die Planungen für den nächsten EU-Haushalt. Außerdem auf dem Programm: ein neuer Verteidigungsfonds, die mögliche Erweiterung der Union auf dem Balkan, das Klimaschutzprogramm "European Green Deal" und die Demokratieförderung. Die verbindende Klammer: Die EU muss deutlich machen, warum sie für die verbleibenden Mitgliedsländer unverzichtbar ist. Warum sie in der Union stärker sind als draußen. Kurz: Jetzt geht es um alles, analysiert mein Kollege Stefan Rook.


WAS AMÜSIERT MICH?

Im Geflecht aus Verträgen und Beziehungen im Verteidigungsministerium durchzusteigen, gleicht einer Herkulesaufgabe. Behörden andernorts sind allerdings auch keine Vorbilder.

Ich wünsche Ihnen einen wohlgeordneten und vor allem fröhlichen Tag. Denken Sie dran: Das Leben ist schön!

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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