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Donald Trump oder Joe Biden? "Die wichtigste Entscheidung des Jahrzehnts"


Was heute wichtig ist
Die wichtigste Entscheidung des Jahrzehnts

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 20.10.2020Lesedauer: 7 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Bürger warten vor einem Wahlbüro in Tampa, Florida. Vielerorts in den USA können die Menschen schon jetzt ihre Stimmen abgeben.Vergrößern des Bildes
Bürger warten vor einem Wahlbüro in Tampa, Florida. Vielerorts in den USA können die Menschen schon jetzt ihre Stimmen abgeben. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

und danke, dass Sie uns jeden Morgen Ihre Aufmerksamkeit schenken. Falls Sie wie ich ein paar Tage abseits des Nachrichtentrubels ausspannen durften, sind Sie nun gewappnet für die politischen Herbststürme. Meine Kollegen und ich werden uns weiterhin jeden Tag bemühen, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und Ihnen mit dem Tagesanbruch einen Leuchtturm in der Nachrichtenflut zu bieten. Also Licht an, hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

"Joe Biden ist ein korrupter Politiker, und alle wissen das." – "Es ist unmöglich für Joe, jemals ins Amtszimmer des Präsidenten zu gelangen." – "Der korrupte Politiker Joe Biden lässt die betrügerische Hillary wie eine Amateurin aussehen!" – "Joe Biden ist ein KORRUPTER POLITIKER!!!"

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Es ist nicht schwer herauszufinden, wen der korrupte Politiker Donald Trump für einen korrupten Politiker hält. Wer sich die Mühe macht, seine Twitter-Tiraden zu verfolgen, bekommt ein simples Weltbild offeriert: Hier der supertolle, supererfolgreiche Amtsinhaber – dort sein total unfähiger, total korrupter Herausforderer. Wer seine fünf Sinne beisammen hat, kann dieses wilde Gestammel eigentlich nicht ernst nehmen. Sollte man meinen. Leider gibt es sehr, sehr viele Menschen, die es nicht nur ernst nehmen, sondern ganz begeistert davon sind. Es sind sogar so viele, dass ich wohl lieber noch ein weiteres "sehr" hinzufügen sollte: Sehr, sehr, sehr viele Amerikaner halten Donald Trump immer noch für einen großartigen Präsidenten, und wenn man ihnen in den vergangenen Tagen zugehört hat, konnte man mehrere Gründe für ihre Begeisterung vernehmen. Sie freuen sich, dass sie seit Trumps Amtsantritt mehr Geld in der Tasche haben, so wie dieser Herr. Sie preisen den Präsidenten, weil er Jesus Christus als "Boss" bezeichnet hat, wie dieser Fan. Sie bewundern ihn, weil er "ganz anders" sei als alle anderen Politiker, so wie dieser Anhänger. Dass Herr Trump vor allem von der Wirtschaftspolitik seines Vorgängers Barack Obama profitierte, dass er auf Nachfrage völlige Ahnungslosigkeit vom Inhalt der Bibel offenbarte, dass seine Unkenntnis politischer Prozesse ein Grund für seine desaströse Amtsbilanz ist: All das scheint ihnen egal zu sein. Oder sie wollen es gar nicht wissen. Sie baden in ihren Facebook-Blasen oder in der Menge der anderen Trump-Fans und tragen die roten Make-America-Great-Again-Käppis mit Stolz. Und sie geben vermutlich keinen Penny auf die "New York Times", die Donald Trump soeben als "schlechtesten Präsidenten der Neuzeit" bezeichnet und zur Wahl Joe Bidens aufgerufen hat.

Wer in diesen Tagen das Panorama der amerikanischen Wahlschlacht betrachtet, gewinnt den Eindruck: Vielen Wählerinnen und Wählern geht es nicht um Logik, Argumente oder Einsichten – sondern um Glauben. Die Trump-Anhänger sehen, was sie sehen wollen (und sehen sollen): einen kraftstrotzenden Superman, der den Augiasstall in Washington ausgemistet, die Chinesen das Fürchten gelehrt, haufenweise Jobs geschaffen, die Steuern gesenkt, das Coronavirus überwunden und den linken Gutmenschen mit ihren Transgender-Toiletten Paroli geboten hat. Sie erliegen seinem brachialen Charisma, sie sehen über seine Lügen hinweg, sie wähnen in ihm einen guten Kumpel: Klar übertreibt der manchmal, aber hey, tun wir das nicht alle mal? Nobody is perfect! Und niemand ist so laut wie Trump. Im Minutentakt posaunt er seine Ausrufezeichensätze ins Volk und trifft damit tagtäglich den Nerv all jener Bürger, denen die konventionelle Politikerriege schon lange verhasst ist. Millionen Amerikaner haben bereits ihre Stimmen abgegeben, heute in zwei Wochen ist Wahltag, und Trumps Chancen auf eine zweite Amtszeit scheinen wieder zu wachsen, zumindest wenn man den Wettquoten der Politikbörsen glaubt.

In unserem heimeligen Deutschland, wo die schrägsten politischen Auswüchse in Schwurbeleien von AfDlern, Friedrich Merzens Fettnäpfchen oder Toni Hofreiters Haarpracht bestehen, neigen wir dazu, zwar über das amerikanische Wahlspektakel den Kopf zu schütteln, aber dem Ausgang der Abstimmung keine gesteigerte Bedeutung für unser Leben beizumessen. Sollen die Amis doch wählen, wenn sie wollen, einen Opi oder einen Verrückten, uns doch egal. Nichts ist falscher. Die US-Präsidentschaftswahl 2020 ist die wichtigste politische Entscheidung des Jahrzehnts. Auch für uns in Deutschland.

Obgleich Amerika geschwächt, seine Strahlkraft verblasst und sein internationaler Einfluss geschrumpft ist: Im Weißen Haus werden immer noch die Koordinaten der Weltpolitik gesteckt; ohne Rückenwind aus Washington sind auch die europäischen Staaten nicht mehr als Ameisen im Elefantengehege der Weltpolitik. Uns allen stehen historische Aufgaben bevor. Erstens braucht der Kampf gegen Corona ein starkes Amerika, das die Weltgesundheitsorganisation WHO unterstützt, statt sie zu torpedieren. Zweitens muss der konsequente Schutz des Weltklimas endlich vorankommen, jeder Tag zählt. Die USA sind der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen, und nur sie haben die Macht, auch Staaten wie Indien, Japan oder Brasilien zu entschlossenem Umweltschutz zu bewegen. Drittens muss das in vier Monaten auslaufende New-Start-Abkommen zur Begrenzung strategischer Atomwaffen gerettet werden, um die Gefahr eines nuklearen Krieges zu bannen. Es braucht eine politische Autorität, die den bestehenden Vertrag mit Russland verlängert und dann Verhandlungen über ein neues Abkommen koordiniert, das auch die Arsenale Chinas, Indiens, Pakistans und Israels einschließt. Viertens braucht der Westen einen Anführer, der den Konflikt mit China nicht auf Twitter-Krawall und ein Wettrüsten um Zölle reduziert, sondern ernsthaft versucht, faire und verlässliche Regeln für die Weltwirtschaft zu definieren. Als führendes Exportland ist Deutschland darauf angewiesen, dass die drohende Bipolarität unbedingt vermieden wird. Sie hängt schon jetzt wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen: China und die USA könnten schon bald verlangen, dass Handelspartner ausschließlich ihre Normen und Produkt-Standards befolgen – und die des Rivalen ablehnen. Deutschland müsste sich dann entweder für Washington oder für Peking entscheiden. Es wäre das Ende unseres Wohlstands, der auf florierendem Handel sowohl mit China als auch mit den USA basiert.

Vier Aufgaben von historischer Dimension. Jede braucht einen besonnenen, entschlossenen, aber zum Konsens fähigen Anführer im Weißen Haus. Einen Menschen mit Empathie, Erfahrung und Weitsicht. Am 3. November stellt sich die Frage, wer die Geschicke der Weltpolitik auf Jahre hinaus prägen darf: entweder ein blasser Polit-Dino, dessen Programm sich darin erschöpft, die Fehler seines Gegners anzuprangern. Oder Donald Trump. Ein Mann, der Lügen ausatmet wie andere Leute Luft. Der so viele Falschinformationen über die Corona-Pandemie verbreitet hat wie kein anderer Mensch auf dem Globus. Der den Hass auf alle schürt, die sich weigern, ihn anzuhimmeln. Der jeden Tag Salz in Amerikas gesellschaftliche Wunden streut. Der auf demokratische Spielregeln pfeift und sich auch noch damit brüstet. Der Abkommen zerschlägt, statt neue zu schließen. Der die internationale Politik mit seiner Destruktion vergiftet. Der bewiesen hat, dass er ungeeignet für das mächtigste Amt der Welt ist. Darum geht es jetzt: Um eine historische Zäsur für Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Auch hier bei uns in Deutschland.

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WAS STEHT AN?

Das kürzeste Zitat des Tages kommt von Joe Biden. Mit einem schnöden "Yes" bringt er seine gesamte Wahlkampfstrategie auf den Punkt: Lasst den Präsidenten einfach reden, der entlarvt sich selbst. In diesem Fall hatte Donald Trump davor gewarnt, dass sein Rivale in der Corona-Krise auf die Wissenschaftler höre, wodurch die Gefahr neuer Einschränkungen steigen werde. Doch beim Kampf gegen das Virus lehnt die Mehrheit der Amerikaner Trumps Zickzackkurs ab. Herr Biden kann also am besten punkten, indem er selbst möglichst wenig sagt und so den Kontrast zum Präsidenten verdeutlicht – und sei es nur mit drei Pünktchen vor einem sehr kurzen Wort.


Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe den Eindruck: Immer mehr Mitbürger haben verstanden, dass die Corona-Lage nun wirklich wieder ernst ist. Klar, es gibt die unbelehrbaren Maskenmuffel und die Partyhengste, aber die sind in der Minderheit. Kein Wunder, wenn man die galoppierenden Infektionszahlen betrachtet. Und wenn man sieht, wie schnell sich eine Region zum Krisengebiet entwickeln kann – so wie das Berchtesgadener Land, wo es Anfang Oktober kaum gemeldete Infektionen gab, aber nun fast das gesamte öffentliche Leben eingefroren werden muss. Meine Kollegin Camilla Kohrs erklärt Ihnen, warum dort innerhalb weniger Tage die Fallzahlen explodierten. Und meine Kollegin Nicole Sagener berichtet von einer neuen Studie, die erstmals zeigt, welche fatalen Folgen das Reisen für die Ausbreitung des Virus hat. Ich denke, die Ministerpräsidenten werden sich diese Beispiele genau ansehen. Auch die Regierungschefs von Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, die heute über weitere Verschärfungen der Corona-Regeln beraten.


Die afrikanische Sahel-Zone ist Schauplatz einer humanitären Katastrophe: Im Grenzgebiet von Mali, Niger und Burkina Faso hungern Millionen Menschen. Klimabedingte Dürren rauben ihre Ernten, Terroristen verbreiten Angst und Schrecken, nun ist auch noch Corona hinzugekommen. Die Länder brauchen schnell Hilfe. Deutschland, Dänemark, die EU und die Vereinten Nationen wollen heute in einer Geberkonferenz Geld sammeln.


WAS LESEN?

Was treibt Amerikaner im Wahlkampf um? Unser Korrespondent Fabian Reinbold hat sich in Virginia in die Schlange vor einem Wahllokal gestellt und mit Vertreterinnen einer heftig umworbenen Wählergruppe gesprochen: Frauen aus Vorstädten. Seine Erkenntnisse sind ernüchternd.


Amerikas Wahlsystem ist alles andere als gleich, gerecht und fair. Minderheiten werden an der Stimmabgabe gehindert, viele Bürger ganz ausgeschlossen. Doch die perfideste Manipulation der Wähler kommt aus einer anderen Richtung – und kann auch uns hierzulande treffen, wie der "Deutschlandfunk" berichtet.


Harald Lesch ist wohl der bekannteste TV-Professor Deutschlands. Im Gespräch mit meinem Kollegen Steven Sowa erklärt er, was aus seiner Sicht Corona-Leugner, Neonazis und Anhänger der Homöopathie verbindet.


Angela Merkel hat eindringlich an alle Bürger appelliert, sich unbedingt an die Corona-Regeln zu halten. Leider überzeugen die politischen Taten weniger als die Worte der Kanzlerin, findet unser Kolumnist Gerhard Spörl.


WAS AMÜSIERT MICH?

Wir Hamburger haben ja unseren ganz eigenen Stolz.

Ich wünsche Ihnen einen vernunftbeseelten Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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