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CDU-Parteitag abgesagt: Darum reagiert Merz so frustriert – eine Intrige?


CDU-Vorsitzkandidat Merz
Die Explosion des Friedrich M.


Aktualisiert am 28.10.2020Lesedauer: 5 Min.
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Berlin: Friedrich Merz, aufgenommen im Rahmen einer Pressekonferenz, anlässlich der Kandidatur für den CDU-Vorsitz.Vergrößern des Bildes
Berlin: Friedrich Merz, aufgenommen im Rahmen einer Pressekonferenz, anlässlich der Kandidatur für den CDU-Vorsitz. (Quelle: imago-images-bilder)

Er hat nur noch diese eine Chance, CDU-Chef und Kanzler zu werden. Deshalb reagiert Friedrich Merz so frustriert auf die Verschiebung des Parteitags. Weil er eine Intrige vermutet, will er nun umso heftiger kämpfen.

Friedrich Merz sieht angriffslustig aus, als er um die Ecke biegt. Es ist 12 Uhr an diesem Dienstag, er will bei einem Italiener am Potsdamer Platz noch schnell etwas essen. Denn er hat es eilig: "Ich muss gleich noch nach Frankfurt."

Flieht er aus Berlin, dieser Stadt, wo seiner Meinung nach das Partei-Establishment seine Wahl zum CDU-Chef hintertreiben will? Nein, es ist ein seit Längerem vereinbarter Termin. Heute Abend, sagt Merz, fliege er schon wieder zurück nach Berlin. In den nächsten Tagen stehen viele Verabredungen an in der Stadt, in der er seine größten Feinde vermutet. Friedrich Merz ist in diesen Tagen ein Mann im Dauergefecht.

In der Politik geht es auch darum, wer sich durchsetzt

Am Montag entschied der CDU-Vorstand, den für Anfang Dezember geplanten Parteitag zu verschieben. Die Kandidaten für die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer, neben dem Ex-Fraktionschef auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und der Außenpolitiker Norbert Röttgen, konnten sich zuvor nicht einigen, ob sie dafür sind, die Veranstaltung trotz Corona durchzuführen – oder digital stattfinden zu lassen. Nun wird Mitte Dezember und dann wohl noch einmal Mitte Januar erneut darüber beraten, wann und in welcher Form der Parteitag und damit die Neuwahl des Vorsitzenden nachgeholt wird. Solange bleibt Kramp-Karrenbauer im Amt.

Es geht in der Politik auch immer darum, wer sich durchsetzt. Und das war in diesem Fall Laschet, der bereits am Wochenende eine Verschiebung gefordert hatte. Merz wollte den Parteitag unbedingt im Dezember abhalten und verlor die interne Auseinandersetzung – und das mag er genauso wenig wie die meisten anderen Spitzenpolitiker. Doch dann machte er am Montag etwas, das man eher aus der SPD als der CDU kennt: Merz stieg in den parteiinternen Schützengraben hinab und feuerte los.

ARD-Morgenmagazin. Welt. Heute-Journal. Tagesthemen. Überall wetterte Merz. "Teile des Partei-Establishments" wollten verhindern, dass er Vorsitzender werde. Auch habe er Hinweise, dass Laschet fürchte, die Wahl im Dezember zu verlieren. Und so weiter. Der Tenor war immer der gleiche: Diese CDU-interne Verschwörung gegen mich muss jetzt gestoppt werden.

Er vermutet eine Allianz zwischen Bouffier, Laschet und Kramp-Karrenbauer

Friedrich Merz fühlt sich betrogen, hintergangen vom Präsidium und vom Vorstand, deshalb ist er wütend. Am Wochenende erschien eine Umfrage: 45 Prozent der Parteibasis wünschten sich Merz als neuen Vorsitzenden, hieß es, seine Mitbewerber Röttgen und Laschet lägen weit hinter ihm. Die Zahl von 45 Prozent löste bei Merz einen ähnlichen Effekt aus, den ein Streichholz auf eine Benzinlache hat. Seitdem brennt er lichterloh für eine möglichst baldige Entscheidung. Die Basis will ihn, die CDU-Spitze will ihn seit dem Wochenende verhindern – so sieht er es.

Aus seinem Umfeld ist zu hören, dass Merz eine Allianz zwischen dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, seinem Konkurrenten Laschet und der Parteichefin Kramp-Karrenbauer am Werk sieht, die den Parteitag aus politischen Gründen aufgeschoben haben. So soll Laschet mehr Zeit bekommen, um an Beliebtheit zuzulegen oder gar der Weg für einen vierten Kandidaten bereitet werden. Andere in der Partei halten das allerdings für Unsinn.

Als sicher gilt, dass die CDU in diesen Tagen ins Schlingern geraten ist, so berichten es viele aus der Führungsebene: "Die Machtarchitektur der CDU wird durch das Hin und Her mit dem Parteitag und die Merz-Attacken erschüttert", sagt ein Mitglied des Fraktionsvorstands t-online.

Sein E-Mail-Postfach laufe über, sagt Merz

Die Unruhe in der Partei stört Friedrich Merz nicht. Er ist ohnehin der Meinung, dass der demokratische Diskurs in der Ära Merkel erlahmt ist. Nur wo Reibung ist, da kann auch etwas Produktives entstehen, glaubt er. Er bestellt sich eine Portion Spaghetti Carbonara und eine Cola light und sagt dann: "Die CDU ist zu konfliktscheu geworden. Das muss sich ändern und dafür trete ich ein." Das ist seine Botschaft an diesem Tag: Die mangelnde Bereitschaft zum Streit ist das eigentliche Problem meiner Partei und nicht die Diskussion um mich. Sein E-Mail-Posteingang laufe aktuell über vor Zustimmung, erzählt Merz – und das seien nicht nur seine Fans, die ihm da schreiben würden.

Doch schadet er sich mit seinen scharfen Angriffen nicht auch selbst? "Wir werden sehen, ob der Parteitag wirklich erst im Frühjahr stattfindet", sagt Merz etwas geheimnisvoll, "ich bin dafür, dass die Führungsfrage in der CDU noch in diesem Jahr entschieden wird." Es wäre ein "schlechter Jahresauftakt" für die CDU, glaubt Merz, wenn die Entscheidung weiter aufgeschoben würde: "Dann gehen wir mit einer offenen Personalfrage in das Superwahljahr 2021."

Er will die Entscheidung so schnell wie möglich, denn eine weitere Chance wird es für ihn nicht geben. Intern hat Merz bereits angekündigt, dass dies sein letzter Anlauf auf den Parteivorsitz sein werde. Es ist damit auch die letzte Chance seiner politischen Karriere.

Merz findet das Gerede vom "Sauerland-Trump" eine Unverschämtheit

Mit seinem Reden über das "Establishment" der CDU, das ihn angeblich verhindern wolle, schürt Merz auch die Sorgen vor einer grauen Macht. Es klingt, als wollten Alteingesessene seinen Aufstieg unterbinden. Die "FAZ" berichtet, dass man ihn deshalb seit kurzem in der CDU den "Sauerland-Trump" nennt. Merz findet das eine Unverschämtheit.

Er greift zur Cola und sagt: "Dieser Vergleich ist doch sehr abenteuerlich. Donald Trump wollte eine Wahl verschieben, ich kritisiere die Verschiebung einer Wahl. Das ist also etwas völlig anderes. Ich bin dafür, dass die CDU-Basis mehr eingebunden wird."

Doch für die CDU gilt auch: Weder die Mitglieder, noch die Wähler mögen es, wenn an der Parteispitze Unsicherheit oder gar der offene Streit ausbricht. Die Unsicherheit haben andere verursacht, für den Streit sorgt Merz jetzt persönlich.

Er mobilisiert nun alles

"Aber er kann nicht anders", sagt eine ranghohe CDU-Unterstützerin, "der beißt doch seit Monaten die Zähne zusammen." In der Corona-Pandemie war Merz auffallend leise, er hielt sich mit Ratschlägen und Kritik an der Bundesregierung weitgehend zurück. Merz weiß, wie destruktiv Einwürfe von der Seitenlinie wirken. Doch nun hat er Sorge, dass ihm die Zeit davonläuft.

Er mobilisiert nun alles, schläft nur rund sieben Stunden, heute Morgen war er joggen. Seine Standardrunde durch den Tiergarten, fußläufig von seiner Wohnung am Potsdamer Platz erreichbar.

Am Montag erscheint sein Buch "Neue Zeit, neue Verantwortung", aber darüber redet jetzt natürlich keiner. Merz findet das ungünstig, aber was will er machen? Dann spricht er eben über seine Gegner in ranghohen Positionen der Partei statt über sein Buch. Er drückt das so aus: "Jetzt gebe ich deshalb alles, um die Delegierten zu überzeugen."

Merz dreht die Spaghetti sorgsam auf der Gabel zusammen und steckt sie sich in den Mund. Als er den Teller leergegessen hat, sagt er: "Ich bin nicht wütend. Ich bin bereit, zu kämpfen. So leicht werde ich nicht aufgeben." Kämpfen, das bedeutet bei Merz: Interviews geben, mit der Basis telefonieren – und auch mal einen Journalisten anrufen, wenn ihm die Berichterstattung nicht passt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche, persönliches Gespräch mit Merz in Berlin
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