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Corona-Lage nicht mehr im Griff: Deutschland schlittert in die dritte Welle


Tagesanbruch
Die Lage nicht mehr im Griff

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 18.03.2021Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Das Dashboard des Robert Koch-Instituts zeigt die täglichen Corona-Fallzahlen an.Vergrößern des Bildes
Das Dashboard des Robert Koch-Instituts zeigt die täglichen Corona-Fallzahlen an. (Quelle: imago-images-bilder)

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WIESO HERAUSFORDERND, WAS WAR DENN?

Na, während Sie geruht haben, ist die Zahl der Corona-Infektionen weiter gestiegen. Das Robert Koch-Institut veröffentlicht sie alle 24 Stunden, aber natürlich rattert der Zähler auch zwischendrin weiter. Mehr als 13.000 neue Fälle kommen täglich hinzu, die 7-Tage-Inzidenz liegt schon in mehr als 120 Landkreisen wieder über der kritischen Marke 100. Der Anstieg verläuft rasant. Zwar haben viele Menschen über 80 ihre Impfspritze schon erhalten, aber noch viel mehr in den Altersklassen darunter eben nicht – und die britische Mutante birgt auch für Jüngere größere Risiken. Wir sind mittendrin in der dritten Welle der Pandemie und können allenfalls noch beeinflussen, ob sie hoch oder riesig wird. "Wir werden kurz nach Ostern eine Situation haben wie um Weihnachten herum", warnt Herr Drosten.

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Zugleich erwecken die politisch Verantwortlichen den Eindruck, dass sie die Lage nicht mehr im Griff haben. Sie mäandern zwischen Lockdowns und Lockerungen hin und her, geben mal dem Druck der Öffnungsrufer, mal den Forderungen der Schließungsbefürworter nach, eine klare Linie ist nicht zu erkennen. Beim Impfen wird getrödelt, es fehlt nicht nur an pragmatischen Lösungen, sondern auch an einer vertrauenerweckenden Kommunikation. Heute sagen sie dies, morgen versprechen sie das und übermorgen brechen sie ihre eigenen Versprechungen. Alle paar Wochen veranstalten sie einen Videogipfel, vor den wahlweise das Wort Lockdown-, Lockerungs-, Impf- oder Test- gesetzt wird. Dann berichten die Nachrichten-Websites mit Livetickern und die Fernsehsender unterbrechen für nächtliche Pressekonferenzen ihr Programm, damit wir den übermüdeten Politikern dabei zusehen können, wie sie ihren Kompromiss erklären und wie die Kanzlerin sich "froh und dankbar" zeigt, dass man "am Ende doch noch zu einer gemeinsamen Lösung gefunden" habe. Anschließend gehen sie auseinander – und drei Tage später macht dann doch jeder Ministerpräsident, was er will, die Infektionszahlen steigen, Bundesminister kabbeln sich öffentlich, weil ja Wahlkampf ist, und keiner weiß mehr, wie es weitergehen soll. Was wir gegenwärtig erleben, ist kein Krisenmanagement, sondern die Simulation von Krisenmanagement. Bittere Worte, ich weiß, aber bevor Sie nun wahlweise nicken oder widersprechen, lassen Sie mich bitte noch eines hinzufügen: Es ist beileibe nicht so, dass nur die Politiker Fehler machen, dass nur sie allein verantwortlich sind.

Lese ich die vernichtenden Kommentare in Zeitungen oder die Wutausbrüche in sozialen Medien, lausche ich den Debatten in den allabendlichen Talkshows oder dem Gezeter an der Supermarktkasse, höre ich die Schimpftiraden gegen den "unfähigen Spahn" oder "die Versager Laschet, Söder und Altmaier", dann beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. Ja, es läuft zu viel schief. Ja, das ist auch hier im Tagesanbruch immer wieder angeprangert worden. Doch bei aller berechtigten Kritik sollte man bedenken: Auch die Amtsträger machen das zum ersten Mal – den Kampf gegen eine übermächtige Seuche, 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche, schon seit einem Jahr. Und keinem der Verantwortlichen in Bund und Ländern sollte man grundlos unterstellen, dass er oder sie absichtlich Fehler begeht. Sie machen zu vieles nicht gut genug, aber auch sie bewegen sich eben in einem System der Politik, der Verwaltung und der öffentlichen Kommunikation, das einem beispiellosen Dauerstresstest ausgesetzt ist. Die vielen Missstände beim Impfen, Testen, Auszahlen und Organisieren offenbaren nicht allein Versäumnisse der Kanzlerin, der Minister oder der Ministerpräsidenten. Sie legen vor allem schonungslos offen, dass unsere herkömmlichen Prozesse politischer Entscheidungsfindung einer Gesundheitsweltkrise nicht gewachsen sind. Diese bittere Lektion lernen derzeit nicht nur Politiker. Sondern alle Bürger.

Die Frage bleibt, wie man darauf reagiert. Mit Enttäuschung? Verständlich. Mit Wut? Auch das. Aber beides macht die Lage nicht besser. Was wir wohl alle miteinander lernen müssen, ist die Fähigkeit, mit fortwährender Unsicherheit umzugehen, Widersprüche zu ertragen, trotz enttäuschter Hoffnungen nicht alles schwarzzusehen, sondern neuen Mut zu schöpfen. Nur mit kühlem Kopf lassen sich bessere Lösungen finden, nur mit nüchternem Blick sind wir in der Lage, von erfolgreicheren Ländern zu lernen. Aber es ist jetzt auch wirklich allerhöchste Zeit, das endlich zu tun, statt nur darüber zu reden. Schon Ende vergangenen Jahres war absehbar, dass die effizienteste Strategie bis zur Herdenimmunität durch Massenimpfungen darin besteht, möglichst wenig Infektionen zuzulassen: Das Ziel ist die Null. Andernfalls bewegt man sich in einem permanenten Jo-Jo-Modus aus Lockdowns und Lockerungen – und der ist nervenaufreibender, teurer und vor allem tödlicher. Wer eine harte Krise beenden will, muss harte Entscheidungen treffen. Halbherzige Schritte schaden mehr, als sie helfen. Vielleicht beherzigen wir das ja bei der nächsten Pandemie. In der gegenwärtigen Krise aber, so sieht es leider aus, müssen wir erst einmal Lehrgeld bezahlen. Nicht nur die Entscheider an den Hebeln der Macht. Sondern wir alle.


WAS STEHT AN?

Blicken Sie beim Impfen noch durch? Ehrlich gesagt, mir fällt es schwer. Die Bundesregierung beteuert, dass sie nun Gas geben will, weigert sich aber, schnell Hausärzte einzubinden und diese entscheiden zu lassen, wem sie wann eine Spritze verpassen. Ein besseres Argument als notorisches Misstrauen und absurden Bürokratismus gibt es dafür nicht. Der Gesundheitsminister wiederum hat den Einsatz des Astrazeneca-Impfstoffs ausgesetzt – während die Weltgesundheitsorganisation ihn gestern noch mal ausdrücklich empfohlen hat, weil die Vorteile größer als die Risiken seien. Heute Nachmittag gibt auch noch die EU-Arzneimittelbehörde Ema ihren Senf dazu, anschließend weiß dann vermutlich gar niemand mehr Bescheid. Nur eines steht fest: Das Kommunikationschaos hat das Vertrauen vieler Bürger in den Impfstoff zerstört. Einer repräsentativen Umfrage von t-online zufolge misstrauen ihm nun 39 Prozent der Befragten. Wie sich das Debakel auf die Impfkampagne und den Impfgipfel am kommenden Montag auswirkt, beschäftigt heute auch die Ministerpräsidentenkonferenz. Um 14.30 Uhr wollen sich Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor der Presse erklären. Ob sie dann auch was zu sagen haben?

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Es ist wohl nicht zu hoch gegriffen, den heutigen Donnerstag ein Schlüsseldatum für die katholische Kirche zu nennen. Mit der Vorstellung des neuen, unabhängigen Gutachtens des Strafrechtsprofessors Björn Gercke soll die Aufklärung des Missbrauchsskandals im Erzbistum Köln endlich vorangehen. Zur Erinnerung: Das erste Gutachten einer Münchner Kanzlei hält Kardinal Rainer Maria Woelki seit einem Jahr wegen angeblicher methodischer und rechtlicher Mängel unter Verschluss. Deswegen – und wegen eines nicht nach Rom gemeldeten Falls sexualisierter Gewalt – ist der Erzbischof bei vielen Gläubigen unten durch, sie treten in Scharen aus der Kirche aus. Vor dem zweiten Gutachten hat er angekündigt, etwaige Verantwortliche zu schassen, auch sich selbst stellt er zur Disposition. Ob er sein Wort hält oder das achte Gebot bricht, erfahren Sie ab 10 Uhr in unserem Liveblog von der Pressekonferenz.


Die Niederlande haben gewählt und der geschmeidige Ministerpräsident Mark Rutte bekommt wohl eine vierte Amtszeit. Der Rücktritt infolge eines Skandals um zu Unrecht beschuldigte Eltern scheint ihm nichts anzuhaben. Die Frage ist nur, mit wem er diesmal eine Regierung bildet. Eine erneute Mitte-Rechts-Koalition mit seinen bisherigen Partnern ist keineswegs ausgemacht. Heute beginnen in Den Haag die Sondierungen.


WAS LESEN?

Joe Biden wollte in der Migrationspolitik alles besser machen als Donald Trump – und steht nun doch vor einem ganz ähnlichen Problem wie sein Vorgänger: Der Ansturm auf die US-Südgrenze ist in diesen Tagen so gewaltig, dass die Polizei ihn nur noch schwer bewältigen kann. Es ist neben Corona schon die zweite große Krise für den neuen Präsidenten, schreibt unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold.



Die deutsche Impfkampagne ist zu langsam – doch das bedeutet nicht, dass wir der dritten Welle auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind und nur warten können, bis sie wieder abebbt. Längst haben Länder, Städte und Schulen vorgemacht, wie man das Virus in Schach hält und damit Öffnungen möglich macht. Mein Kollege David Ruch erklärt es Ihnen.


In vergangenen Krisen blieben die Geldbeutel von Rentnern verschont. Nach der Bundestagswahl wird das wohl anders: Unsere Wirtschaftskolumnistin Ursula Weidenfeld erläutert, warum das goldene Jahrzehnt für Rentner vorbei ist.


Wenn das Tagesanbruch-Schreiben mal wieder länger dauert, wache ich nach einer zu kurzen Nacht auf und frage mich: Was muss ich tun, um besser zu schlafen? Dann mache ich das Schlafquiz meiner Kollegin Svenja Dilcher – und weiß prompt Bescheid.


WAS AMÜSIERT MICH?

Man verliert in diesen Zeiten ja schnell den Überblick.

Ich wünsche Ihnen einen klarsichtigen Tag. Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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