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Vorbild in der Corona-Pandemie: Das Impfwunder von Passau


Tagesanbruch
Das Impfwunder von Passau

MeinungVon Sven Böll

Aktualisiert am 27.04.2021Lesedauer: 7 Min.
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Hübsch ist es auch noch: Stadtpanorama von Passau mit Inn, Donau und AltstadtVergrößern des Bildes
Hübsch ist es auch noch: Stadtpanorama von Passau mit Inn, Donau und Altstadt (Quelle: imago-images-bilder)

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Jeder schlamasselt für sich allein

Die Ministerpräsidentenkonferenz gibt es also immer noch. Am Montagnachmittag schalteten sich Angela Merkel und die Regierungschefs der Länder mal wieder zusammen. Offiziell beschlossen wurde nichts, es gab also auch keine Entscheidungen, die in wenigen Tagen kassiert werden können.

Doch bei zwei Themen herrschte bei den Beratungen weitgehend Einigkeit: So soll die Impfpriorisierung spätestens im Juni wegfallen, sodass sich dann jede und jeder um einen Termin bemühen kann. Auch dürfte es bald Erleichterungen für Geimpfte und Genesene geben (ob das gut oder schlecht ist, haben meine Kollegen Peter Schink und Sandra Simonsen diskutiert).

Von einer "Ministerpräsidentenkonferenz der Hoffnung" sprach die Kanzlerin danach. Das stimmt zwar. Einerseits.

Andererseits wurde auch dieses Mal ein Problem unseres Föderalismus leider nicht angesprochen: Es gibt keine Orientierung an den Besten.

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Das ist in der Bildungspolitik seit jeher so. Einige Länder sind im Schul- und Universitätsbereich erfolgreicher als andere. Aber das stört die Underperformer in der Regel nicht. Jeder schlamasselt für sich allein.

Beim derzeit wichtigsten Thema, den Impfungen, ist es ähnlich. Das Saarland und Bremen haben bereits mehr als ein Viertel der Bevölkerung einmal geimpft – und liegen damit deutlich vor dem Schlusslicht Hessen. Liefe die Impfkampagne dort genauso gut wie im Saarland, hätten rund eine Viertelmillion mehr Menschen eine Erstimpfung. Das sind fast so viele, wie in Wiesbaden, immerhin die zweitgrößte Stadt des Landes, leben.

Interessant am Ranking ist auch, dass es offenbar keine Rolle spielt, welche Partei in einem Land den Regierungschef stellt oder welche Koalition regiert: Sowohl im Saarland als auch in Hessen kommt der Ministerpräsident von der CDU. Und in Bremen hat ein rot-rot-grüner Senat das Sagen – so wie in Berlin.

Entscheidend für den Platz in der Tabelle dürfte vielmehr die Fähigkeit des Krisenmanagements sein: Gut regieren beherrscht man – oder eben nicht. Da könnten einige Teilnehmer der Ministerpräsidentenkonferenz durchaus etwas von ihren Kolleginnen und Kollegen lernen. Wenn sie denn wollten.

Nicht schnacken, einfach machen – das ist in den Kommunen eine noch wichtigere Erfolgsformel als auf Ebene der Länder. Doch auch hier gibt es große Unterschiede.

Ein wahres Impfwunder lässt sich in Passau beobachten. Klar, Bayern, die können es eben, mag manch einer jetzt denken. Allerdings rangiert der Freistaat im Impfranking nur auf einem für seine Ansprüche enttäuschenden fünften Platz (sogar noch hinter Armin Laschets Nordrhein-Westfalen, was Markus Söder besonders ärgern dürfte).

Und in Passau regiert auch noch ein Oberbürgermeister der SPD. Also jener Partei, die in Bayern praktisch inexistent ist. Sein Name: Jürgen Dupper.

Gestern habe ich mit ihm telefoniert.

Herr Dupper, mehr als ein Drittel der rund 53.000 Einwohner Ihrer Stadt hat bislang eine Erstimpfung erhalten. Wie kam es zum Impfwunder von Passau?

Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Wir haben unser Impfzentrum bereits im Dezember eröffnet und von Anfang an eng mit den niedergelassenen Ärzten zusammengearbeitet. Außerdem ist unser Zentrum gut organisiert: Wirklich jede Dosis, die wir bekommen, wird einer impfwilligen Person verabreicht.

So einfach ist das?

Ein wenig hat uns auch eine kleine Sonderlieferung von Dosen für die Grenzregionen geholfen. Aber viel entscheidender ist die hohe Impfbereitschaft der Bevölkerung. Bislang können ja nur Bürger über 16 Jahren geimpft werden. Und von denen haben bei uns bereits 44 Prozent eine Erstimpfung erhalten.

Das sind Werte, wie wir sie eigentlich nur aus Israel und Großbritannien kennen. Macht sich die hohe Impfquote bereits bemerkbar?

Um diese Frage zu beantworten, ist die Zahl der Todesopfer entscheidend. Im Dezember und Januar mussten wir noch mit erschreckenden Zahlen klarkommen. Im April hatten wir bislang nur ein Todesopfer. Das ist eine unmittelbare Folge der hohen Impfquote.

In welchem Tempo impfen Sie derzeit?

Weil inzwischen auch die niedergelassenen Ärzte in ihren Praxen aktiv sind, schaffen wir rund 3.000 Impfungen pro Woche.

Das heißt: Theoretisch könnten Sie fast alle noch nicht geimpften Bürger in den kommenden zehn Wochen impfen?

Wenn der Impfstoff wie angekündigt kommt, ja. Unser Ziel ist aber etwas bescheidener: Wir wollen bis Ende Juni mindestens 70 Prozent der Passauer immunisiert haben.

Dabei hilft Ihnen, dass Sie in der Impfkampagne bereits so weit sind: In der vergangenen Woche konnten Sie sogar die Priorisierung aufheben.

Das verleiht uns natürlich noch mal einen richtigen Schub. Allein in den ersten Tagen haben sich bereits mehr als 6.000 Bürger, die keiner Priorisierungsgruppe angehören, registriert. Heute werden die ersten von ihnen geimpft, ab morgen macht dann dieser Personenkreis den Großteil der Impflinge aus.

Was können andere Kommunen vom Passauer Impfwunder lernen?

Ich verteile keine Ratschläge. Nur so viel: Es wäre toll, wenn die Kampagne überall in Deutschland weiter richtig Fahrt aufnimmt, weil wir die Pandemie nur so in den Griff bekommen können.

Passau impft im Vergleich mit anderen Regionen also nicht nur besonders schnell. Die Stadt hat sich auch entschieden, eine realistischere Quote für den Impffortschritt zu berechnen. Schließlich sind die Produkte von Biontech und Co. derzeit nur für über 16-Jährige zugelassen.

Aber selbst diese optimistischere Passauer Kalkulation zeichnet ein vergleichsweise pessimistisches Bild. Zumindest für alle Impfwilligen, die noch keinen Termin haben. Wo auch immer sie wohnen.

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In Deutschland leben rund 83 Millionen Menschen. Geht man davon aus, dass sich im Rahmen der derzeitigen Kampagne 70 Prozent aller Bürger über 16 Jahren impfen lassen, entspricht das mehr oder weniger 50 Millionen Menschen.

Spätestens am heutigen Dienstag gibt es mit einiger Wahrscheinlichkeit die zwanzigmillionste Erstimpfung. Immerhin 40 Prozent aller (vermutlich) impfwilligen und (derzeit) impffähigen Menschen haben damit zumindest ihre erste Dosis bekommen.

Eine gute Nachricht gibt es aber auch für die mindestens 30 Millionen Bürger, die noch drankommen möchten. Wenn es gelingt, das derzeitige Tempo von rund drei Millionen Erstimpfungen pro Woche beizubehalten, haben wir Anfang Juli ein sehr wichtiges Ziel erreicht: Alle, die können und wollen, haben dann ihre erste Dosis erhalten.

Das ist durchaus noch am Beginn des Sommers. Dass Angela Merkel gestern trotzdem nur ihr Versprechen bekräftigte, dass bis "Ende des Sommers" jedem Willigen ein "Impfangebot" gemacht werden könne, hat wohl vor allem einen Grund: Sie will die Erwartungen der Bürger übererfüllen.


Mehr ist immer noch weniger

Kommt Deutschland schneller aus der Krise als zuletzt erwartet? Darauf gibt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ab 11.30 Uhr eine Antwort, wenn er die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung vorstellt. Diese rechnet nun offenbar mit einem Wachstum von 3,5 Prozent in diesem Jahr. Vor wenigen Monaten war sie nur von 3 Prozent ausgegangen – im Herbst 2020 allerdings noch von 4,4 Prozent.


#allemaloffensein

Der Termin hätte wahrscheinlich nicht für besonderes Aufsehen gesorgt. Aber seit der dann doch ziemlich verunglückten #allesdichtmachen-Aktion von Schauspielern dürfte das anders sein. In ihrer virtuellen Reihe "Die Bundeskanzlerin im Gespräch" diskutiert Angela Merkel ab 14 Uhr mit Kunst- und Kulturschaffenden.


Wie viel ist "ernsthaft"?

Parteien, die weder im Bundestag noch in Länderparlamenten mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind, müssen von Unterstützern eine Mindestzahl von Unterschriften sammeln, um zur Bundestagswahl zugelassen zu werden. Ziel ist es, dass nur "ernsthafte Vorschläge" zur Wahl stehen. Aber gilt das auch in Corona-Zeiten? Oder reichen nun weniger Unterschriften? Darüber entscheidet das Bundesverfassungsgericht um 9.30 Uhr. Geklagt haben die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands und die Bayernpartei.


Das Protokoll des Grauens

In Duisburg beginnt am Vormittag der Prozess gegen einen 58-Jährigen, der als spiritueller Führer Mitglieder eines esoterisch-spirituellen Zentrums drangsaliert haben soll. Laut Anklage soll der Mann mehrere Anhänger unter anderem in Wesel misshandelt, eingesperrt und sexuell missbraucht haben. Es ist ein Protokoll des Grauens, das mein Kollege Jonas Mueller-Töwe im vergangenen November ans Licht gebracht hat. Lesen Sie hier seine Geschichte "Das Schreckenshaus des Sektengurus von Wesel".


Was noch lesen?

Wir wollen ein neues Format ausprobieren: "Der Leserauftrag". Die Idee: Sie sagen uns, wozu wir recherchieren sollen. Zu Beginn können Sie zwischen vier Themen wählen – und uns natürlich Ihre Vorschläge schicken. Am besten abonnieren Sie auch gleich den Newsletter, der Sie auf dem Laufenden hält. Alles Weitere dazu erklären Ihnen meine Kolleginnen Charlotte Janus und Camilla Kohrs. Wir freuen uns auf Ihre Nachrichten.


Wissen Sie, wo Ihr Impfpass herumliegt? Falls nicht, seien Sie beruhigt: Laut einer Umfrage kann rund die Hälfte der Bürger diese Frage spontan nicht beantworten. Aber braucht man den Pass überhaupt für die Corona-Impfung? Meine Kollegin Melanie Weiner hat die Antwort.


Was mich amüsiert

Seitdem Annalena Baerbock offiziell die erste Kanzlerkandidatin der Grünen ist, wird erstaunlich wenig über das Für und Wider ihrer politischen Ziele gestritten. Dafür muss sich die 40-Jährige ständig fragen lassen, ob sie nur deshalb anstelle von Robert Habeck kandidiert, weil sie eine Frau ist. Und ob sich Familie und Beruf beim Topjob der deutschen Politik überhaupt vereinbaren lassen.

Es ist, nun ja, eine recht rückwärtsgewandte Debatte.

Dass der eigene Standpunkt dabei weniger von der Parteizugehörigkeit und dem Alter als von der eigenen Aufgeschlossenheit abhängt, zeigt stellvertretend die kleine Twitter-Schlacht, die sich der Jungliberale Benedikt Brechtken (Jahrgang 1999) und die FDP-Bundestagsabgeordnete Gyde Jensen (Jahrgang 1989) gestern lieferten.

Blicken Sie möglichst nach vorn!

Morgen schreibt an dieser Stelle meine Kollegin Camilla Kohrs für Sie.

Ihr

Sven Böll
Managing Editor t-online
Twitter: @SvenBoell

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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