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Die SPD sollte nicht auf einen Erfolg von Olaf Scholz hoffen


Tagesanbruch
Schlimmer geht immer

MeinungVon Sven Böll

Aktualisiert am 10.05.2021Lesedauer: 7 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Ich weise Euch den Weg: Olaf Scholz setzt darauf, dass ihm bald auch die Wähler folgen.Vergrößern des Bildes
Ich weise Euch den Weg: Olaf Scholz setzt darauf, dass ihm bald auch die Wähler folgen. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute schreibe ich für Sie den kommentierten Überblick über die Themen des Tages.

Niedergang ohne Ende

Leider muss ich Sie gleich mit einer kleinen Aufgabe belästigen. Aber keine Sorge, sie lässt sich locker ohne Koffein bewerkstelligen.

Vergleichen Sie bei den drei folgenden Paaren bitte jeweils die erste und zweite Zahl. Welches Muster erkennen Sie?

27 / 21

29 / 26

27 / 23

Leicht, oder?

Die zweite Zahl ist immer kleiner als die erste.

Die Zahlen sind aus den Jahren 2017, 2013 und 2009. Die erste zeigt jeweils die Politbarometer-Umfrage vom Mai, die zweite das (aufgerundete) Wahlergebnis im September. Und, Sie ahnen es: für die SPD.

Die Lage der Sozialdemokraten war jeweils im Frühjahr bereits nicht berauschend, aber immer noch besser als im Herbst. Deshalb ist es keine gute Nachricht für die SPD, dass das jüngste Politbarometer sie auf 14 Prozent taxiert. Würde die Regel der vergangenen drei Wahlkämpfe gelten, droht im Herbst ein Ergebnis um die zehn Prozent.

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Natürlich ist das nicht meine Prognose. Es ist nur ein relativierender Gedanke zu der nicht lauten, aber dennoch recht selbstbewussten "Ich kann das!"-Rede von Olaf Scholz beim Parteitag am Sonntag. Er skizzierte nicht weniger als ein Programm, das er als Kanzler umsetzen will.

Puh.

Ich höre aufrechte Sozialdemokraten nun sagen: Warum denn nicht? Ihre Zahlenbeispiele sind doch aus der Ära von Angela Merkel. Gegen die hatten wir keine Chance, weil sie unsere Politik gemacht hat. Aber Gerhard Schröder hat davor doch bewiesen, dass man die Stimmung drehen kann.

Das stimmt zwar: 2002 und 2005 lag das Wahlergebnis jeweils rund vier Prozentpunkte über den Werten vom Mai. Nur: Nicht einmal Olaf Scholz – und der ist ziemlich von sich überzeugt – würde behaupten, ein so leidenschaftlicher Wahlkämpfer zu sein wie Schröder. Selbst der brauchte damals Glück: 2002 stiegen die Fluten der Elbe, und es zeichnete sich der Irakkrieg ab. Und 2005? Googlen Sie mal "Professor aus Heidelberg".

Und bereits unter Schröder ging es für die Partei bergab. Die bittere Wahrheit für die SPD lautet: Die Lage ist nicht gerade schlecht. Sie ist es seit fast zwei Jahrzehnten.

Das fast schon Kuriose ist, dass die Sozialdemokraten seit 1998 die erfolgreichste Zeit ihrer jüngeren Geschichte erleben: Sie regierten durchgehend auf Bundesebene mit – von einem chaotischen schwarz-gelben Intermezzo abgesehen. Sie setzten viele zumeist populäre Maßnahmen durch – vom Atomausstieg und dem Ausbau erneuerbarer Energien über das Elterngeld und die Grundrente bis zur Homo-Ehe und Reichensteuer. Sie schickten oft die kompetenteren Minister ins Kabinett als die Union. Und sie stellten – siehe Hartz IV – im Zweifel die Interessen des Landes vor die eigenen Überzeugungen.

Nur: Ihnen hat das alles nichts gebracht.

In anderen Ländern sieht es für sozialdemokratische Parteien oft nicht besser aus. Allerdings ermittelten Demoskopen vor Kurzem, dass sich fast die Hälfte der Wähler grundsätzlich vorstellen kann, SPD zu wählen. Ihr maximales Potenzial liegt damit auf dem Niveau von Union und Grünen. Nur schöpft sie es deutlich schlechter aus.

Womöglich liegt das auch an eigenen Denkfehlern.

Die SPD versucht immer, das Leben Einzelner zu verbessern. Wenn sich jemand um die Probleme eines alleinerziehenden Mannes, der arbeitet, nebenbei studiert und sich ein E-Auto zulegen möchte, kümmert, dann sie.

Manchmal ist viel Mikro auch Makro. Doch für die Sozialdemokraten ist diese Rechnung nicht aufgegangen. Denn vor lauter Klein-Klein ist ihnen die große Erzählung abhandengekommen.

Und bei den großen Themen, die für eine überzeugende Geschichte taugten, performt die Partei nur bedingt. Es bringt ja nichts, ständig zu wiederholen, wie wichtig Bildung ist, wenn die besten Kitas, Schulen und Universitäten nicht in SPD-regierten Ländern stehen.

Ähnliches gilt für den Klimaschutz. Die SPD müsste das Projekt einer "Sozialen Energiewende" ausrufen. Also dafür sorgen, dass ein klimafreundlicheres Leben für alle bezahlbar bleibt. Stattdessen trägt sie höhere CO2-Preise mit, die zu Mehrbelastungen führen. Entsprechend haben viele Normalverdiener, die in einem älteren Eigenheim wohnen und aufs Auto angewiesen sind, den Eindruck, dass die selbsternannten Kümmerer von der SPD sich gar nicht wirklich kümmern.

Wenig aussichtsreich dürfte auch der von der Partei verfolgte Linksschwenk sein. Natürlich hat Angela Merkel durch die Übernahme vieler Inhalte die Profilsuche erschwert. Doch wer die aktuellen Umfragen mit denen vom Herbst vergleicht, stellt fest, dass SPD, Linke und AfD auf ihrem damaligen Niveau verharren. Der Wähleraustausch fand vor allem zwischen Union, Grünen und FDP statt – also Parteien, die irgendwo in der Mitte verortet werden. Das zeigt einmal mehr, dass dort Wahlen entschieden werden.

Keine große Erzählung, nur begrenzt überzeugende Inhalte, ein diffuser Linkskurs – und nicht einmal mit einem besonders charismatischen Kanzlerkandidaten ausgestattet. Da verwundert es kaum, dass fast niemand sagen kann, wofür die SPD eigentlich steht und wessen Lebensgefühl sie repräsentieren will.

Die meisten Menschen verbinden mit der Partei nichts mehr – außer vielleicht Tristesse. Und was für die SPD am schlimmsten ist: Immer mehr Wähler interessieren sich auch nicht mehr für die einstige Volkspartei. Sie erwarten von ihr keine Antworten, weil sie gar keine Fragen mehr haben.

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Dieser mit knalligem Rot inszenierten, aber dennoch trostlos anmutenden Realität versucht die Partei mit immer neuen Selbstbeschwörungen zu entkommen. Erst sollte die frühe Nominierung von Olaf Scholz die Wende zum Besseren bringen. Hat nicht geklappt. Nun soll der Parteitag am Sonntag für baldigen Auftrieb sorgen. Doch ein Ruck wird angesichts der zwar ordentlichen, aber eben auch nicht allzu mitreißenden Rede des Finanzministers wohl nicht durch die Republik gehen. Was auch am digitalen Format liegt.

Zum Glück haben die Parteistrategen schon die nächste Hoffnung im Angebot: Je näher die Wahl rückt, desto mehr sehnen sich die Leute danach, dass der erfahrenste Spitzenkandidat auch Kanzler wird.

Das alles erinnert zusehends an die Kampagne von vor vier Jahren. Damals sollten erst Landtagswahlen, dann Reden und schließlich sogar Interviews für den Neustart von Martin Schulz sorgen. Es ist vielleicht dieses Déjà-vu-Erlebnis, das viele Spitzengenossen dazu veranlasst, sich bereits jetzt lieber mit der Neuaufstellung der Partei im Herbst zu beschäftigen als mit der Zeit bis dahin.

Denn in den nächsten Monaten könnte sich die Regel von 2017, 2013 und 2009 wiederholen: Es kann alles noch schlimmer kommen.


Öffnungsorgien (ohne Diskussion)

Seit die Jahrhundertkrise Corona im vergangenen Jahr Deutschland erreichte, lassen sich drei Phasen der Pandemie festmachen:

  • Bis zum Herbst dominierte der Eindruck: Wir sind vergleichsweise gut durchgekommen.
  • Dann versanken wir angesichts eines zu zögerlichen Lockdowns und einer nur langsam anlaufenden Impfkampagne in eine monatelange Depression.
  • Seit Kurzem gilt jedoch: Alles neu macht der Mai.

Gut möglich, dass wir gerade tatsächlich die Endphase der letzten Welle erleben. Sinken die Neuinfektionen in den nächsten Wochen weiter so wie in den vergangenen 14 Tagen, könnte die bundesweite Inzidenz Ende Mai, Anfang Juni bei unter 50 liegen.

Die Diskussion um die Bundesnotbremse ist nur wenige Wochen her, doch sie mutet wie aus einer anderen Zeit an. Inzwischen haben zahlreiche Bundesländer Lockerungen angekündigt oder bereits umgesetzt, andere werden im Laufe dieser Woche nachziehen. Wir haben, wenn man so will, längst nicht mehr nur Öffnungsdiskussionsorgien, wie sie die Kanzlerin einst beklagte, sondern Öffnungsorgien. Diskutiert wird kaum noch darüber.

Denn nun setzen alle darauf, dass es bald wirklich vorbei ist mit dem Corona-Schreck. Bleibt zu hoffen, dass wir uns nicht schon wieder zu früh freuen.


Umsatz-Spritze

Mit dem Impfstoffhersteller Biontech präsentiert eines der wichtigsten Unternehmen der Gegenwart am Nachmittag seine Zahlen für das erste Quartal. Dass sie gut ausfallen dürften, zeigt das Ergebnis des Impfstoffpartners Pfizer. Der US-Konzern steigerte seinen Umsatz in den ersten drei Monaten gegenüber dem Vorjahreszeitraum um satte 45 Prozent.


Schule trotzt Corona

Es werden inzwischen so viele Preise verliehen, dass man den Überblick verliert, welche wirklich relevant sind. Doch der "Deutsche Schulpreis 20|21 Spezial", der ab 11 Uhr vergeben wird, ist es. Denn die Preisträger zeichnen sich dadurch aus, dass sie innovativ auf die Corona-Krise reagiert haben. Und das lässt sich wirklich nicht über alle Schulen sagen.


Hauptsache mehr als fünf Prozent

Der Vorstand der Linken teilt am Mittag offiziell mit, was bereits bekannt ist: Die Partei zieht mit der Parteichefin Janine Wissler und dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Dietmar Bartsch als Spitzenkandidaten in den Wahlkampf. Beide stehen vor einer alles andere als leichten Aufgabe: In Umfragen ist die Linke der Fünfprozenthürde zuletzt bedrohlich nahegekommen.


Was lesen und angucken?

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Was mich amüsiert

Stimmt, Fußball gibt es ja auch noch. Aber irgendwie ist da alles wie immer.

Drücken Sie nicht immer nur denen die Daumen, die eh gewinnen. Morgen schreibt mein Kollege Peter Schink für Sie.

Ihr

Sven Böll
Managing Editor t-online
Twitter: @SvenBoell

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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