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Klimakrise: SUV-Autos sind nicht mehr zeitgemäß


Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Tagesanbruch
Das muss echt nicht sein

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 10.01.2022Lesedauer: 6 Min.
SUV-Wagen brauchen mehr Platz und oft auch mehr Benzin als normale Autos.Vergrößern des Bildes
SUV-Wagen brauchen mehr Platz und oft auch mehr Benzin als normale Autos. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es ist so leicht, mit dem Finger nach oben zu zeigen. Besonders leicht ist es in Krisenzeiten. Die da oben kriegen es wieder mal nicht hin, heißt es dann. Typisch Politiker: Machen Regeln, die vorn und hinten nicht funktionieren, die haben doch keine Ahnung. Ein geharnischter Kommentar über die Fehler der Regierenden schreibt sich schnell, man braucht dafür noch nicht einmal selbst einen blassen Schimmer zu haben. Ein Fluch oder gar ein Wutausbruch sind sogar noch schneller formuliert, ob abends beim Bier oder auf WhatsApp, Facebook und Co: Da wird gewettert und geschimpft, dass sich die Balken biegen.

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Anlässe gibt es zur Genüge. Den einen gehen die Kontaktbeschränkungen nicht weit genug. So kriegen wir die Infektionszahlen doch nie herunter, heißt es dann, warum hören die Politik-Fuzzis nicht auf die Wissenschaft? Die anderen halten die 2G-plus-Regel in Restaurants für eine Riesensauerei. Ich lasse mir doch von Politikern nicht vorschreiben, wie und wo ich mein Schnitzel esse, heißt es dann. Die Kritik variiert, aber das Urteil ist dasselbe: Die da oben haben es nicht im Griff. Genauso wie das Impfen übrigens, auch da geht es ja nicht schnell genug voran.

Oder nehmen wir den Klimaschutz: dasselbe Problem! Jetzt haben wir die neue Bundesregierung, aber von wirksamen Entscheidungen ist noch nix zu sehen. Experten sagen klipp und klar: Um die Klimaziele zu erreichen, muss Deutschland schleunigst Zigtausende Windräder bauen. Das scheitert bislang aber erstens an fehlenden Flächen (viele Kommunen stellen sich quer, um Anwohner nicht zu verärgern), zweitens am Artenschutz (schon das Auftauchen eines seltenen Piepmatzes reicht, um einen Windpark zu verhindern) und drittens an den zähen Genehmigungsverfahren (der deutsche Amtsschimmel lässt grüßen).

Olaf Scholz und seine Koalition haben versprochen, die Barrieren schleunigst aus dem Weg zu räumen – aber wann geht's los? Uns bleiben ja bis 2030 keine zehn Jahre mehr! Wer den Klima- und Artenschutz für dringende oder sogar die wichtigsten Aufgaben unserer Zeit hält, findet – ähnlich wie bei den Corona-Regeln – problemlos Gründe, auf die Regierenden zu schimpfen: alles viel zu langsam, viel zu vage, viel zu mutlos. Auch ein gepfefferter Kommentar, der die politischen Versäumnisse angesichts der Erderhitzung geißelt, lässt sich ruck, zuck in die Tasten hauen. Eine Schimpftirade am digitalen oder realen Stammtisch ist noch viel einfacher.

Oft ist die Kritik an Regierenden berechtigt, na klar. Trotzdem habe ich oftmals ein mulmiges Gefühl, wenn ich Tiraden gegen Politiker höre, lese oder (manchmal) auch selbst schreibe. Wir leben in einer pluralistischen Demokratie, die auf der Eigenverantwortung jedes Bürgers und jeder Bürgerin basiert. Das System funktioniert nur, wenn möglichst viele Menschen mitmachen. Mitmachen ist aber nicht damit getan, dass man sich mehr oder weniger missmutig an die geltenden Gesetze hält und ansonsten vor sich hin grummelt. Eine erfolgreiche Demokratie braucht das Engagement jedes Einzelnen. Erst recht, wenn es darum geht, große Krisen zu bewältigen.

Nehmen wir das Beispiel Corona-Regeln: Die mögen zum Teil konfus sein und wahlweise als zu lasch oder zu harsch empfunden werden. Aber am Ende werden wir aus der Pandemie nur herauskommen, wenn möglichst viele Leute sich vernünftig und rücksichtsvoll verhalten. Dann geht es eben nicht, dass man in der Bahn die lästige Maske unter die Nase rutschen lässt, dass man sich nachts auf illegale Partys schleicht oder dass man die Impfung monatelang hinauszögert, weil man noch nicht so genau weiß, ob sie nicht doch womöglich eventuell irgendwelche Langzeitschäden verursacht, neulich stand da ja so was auf Facebook. Wer will, dass Corona endlich endet, macht mit.

Oder das Beispiel Klimakrise: Der nachhaltige Umbau der Energieversorgung ist eine so gewaltige Aufgabe, dass man aus triftigem Grund bezweifeln kann, dass er schnell genug gelingen wird. Die Folge dieser Zweifel darf aber nicht eine Egal-Mentalität sein. Bei der Erderhitzung zählt jede Kommastelle, um die das globale Thermometer weniger steigt. Ob sich die Atmosphäre um 1,5 oder 2 Grad erwärmt, kann den Unterschied machen zwischen einem halbwegs normalen Leben einerseits und ständigen Orkanen, Dürren, Hochwassern, Hitzetoten, Klimaflüchtlingen andererseits. Was hält uns also davon ab, selbst mehr für den Schutz unseres Planeten zu tun, statt immer auf die Politiker und deren Gesetze zu warten? Es steht nirgendwo geschrieben, dass man einen spritfressenden SUV fahren muss, und es ist auch kein Menschenrecht, zweimal im Jahr in den Urlaub zu fliegen. Muss jeden Tag Fleisch auf den Teller, und setzt man sich für jede Strecke in den Wagen, statt das Rad zu nehmen?

Stimmt schon, damit der Klimaschutz weltweit gelingt, müssen Staaten wie China, Indien und die USA viel mehr tun. Aber wenn wir warten, bis die sich weit genug bewegen, ist es zu spät. Eine globale Aufgabe lässt sich nur lösen, wenn jemand vorangeht. Das können nicht allein die Politiker in Berlin sein. Manchmal ist es besser, den erhobenen Zeigefinger um 45 Grad abzuwinkeln. Dann zeigt er nämlich auf uns selbst.


Zitat des Tages

"Das im Westen herrschende materialistische Maximierungsdenken hat die Welt in eine Krise gestürzt, aus der wir uns befreien müssen. Wir müssen radikal mit dem Rausch des 'Immer noch mehr' brechen… Es ist höchste Zeit, dass Ethik, Gerechtigkeit, nachhaltiges Gleichgewicht unsere Anliegen werden."

Stéphane Hessel, französischer Diplomat, in seiner Streitschrift "Empört euch!" (2010).


Der Aufruf

Was sagen Sie zum Thema Klimaschutz und der Verantwortung jedes Einzelnen? Schreiben Sie uns eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de mit dem Betreff "Eigenverantwortung". Berichten Sie uns in einigen Sätzen, wie Ihre Meinung ist. Eine Auswahl der Beiträge werden wir unter Nennung Ihres Namens in einem separaten Artikel veröffentlichen.


Die Klimabilanz

Heute veröffentlicht erstens der europäische Atmosphärenüberwachungsdienst Copernicus seine neuesten Daten zur Entwicklung der europäischen Treibhausgaskonzentration. Und zweitens der Rückversicherer Munich Re seine weltweite Bilanz der Naturkatastrophen. Dabei steht für Deutschland bereits fest: 2021 war das Jahr mit der teuersten Naturkatastrophe aller Zeiten. Die Juli-Flut in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat Gesamtschäden von mehr als 30 Milliarden Euro verursacht. In den USA wiederum hat allein der Hurrikan Ida zweistellige Milliardenschäden angerichtet, hinzu kam eine Serie verheerender Tornados. Der Trend ist klar: Mit der Erderwärmung steigt auch die Zahl extremer Wetterereignisse und von ihnen ausgelöster Schäden. Höchste Zeit, mehr dagegen zu tun.

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Der Ukraine-Poker

Ein konstruktiver Verhandlungsbeginn sieht anders aus: Es sei durchaus möglich, dass die Beratungen rasch beendet würden, ließ Russlands Vize-Außenminister Sergej Rjabkow gestern verlauten – und schloss Zugeständnisse seines Landes an die USA gleich mal kategorisch aus. Wenn er heute in Genf mit seiner amerikanischen Kollegin Wendy Sherman nach Kompromissen im Ukraine-Konflikt sucht, sind die Erwartungen also gedämpft. Zumal US-Außenminister Antony Blinken seinerseits die russischen Forderungen nach weitreichenden Sicherheitsgarantien zurückgewiesen hat.

Wie könnten Wege zur Deeskalation aussehen? Die USA seien bereit, über eine Begrenzung von Militärübungen in Osteuropa zu sprechen, hieß es vorab aus Regierungskreisen. Auch eine wechselseitige Beschränkung der Stationierung von offensiven Raketensystemen sei möglich. Ohnehin haben die Genfer Gespräche eher Sondierungscharakter und werden von diversen weiteren diplomatischen Bemühungen flankiert: In Brüssel empfängt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg heute den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba, für Mittwoch ist eine Sitzung des Nato-Russland-Rates angesetzt, und am Donnerstag sollen in Wien Gespräche im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa stattfinden. Endlich laufen die Bemühungen zur Lösung der Krise auf Hochtouren.


Krise in Kasachstan

Auch die zweite derzeit taumelnde Ex-Sowjetrepublik bleibt im Fokus: Kasachstans autoritärer Präsident Tokajew, der Ende vergangener Woche dem Militär befohlen hatte, ohne Vorwarnung auf Demonstranten zu schießen, hat für heute Staatstrauer angeordnet. Schon 164 Menschen sollen bei den Unruhen in dem zentralasiatischen Land getötet, mehr als 2.200 verletzt worden sein. Um über "Maßnahmen zur Normalisierung der Lage" zu beraten, kommen heute die Mitgliedsstaaten des von Herrn Tokajew zu Hilfe gerufenen Militärbündnisses Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit in einer Videoschalte zusammen. Der Allianz unter Moskaus Führung gehören neben Russland und Kasachstan auch Armenien, Belarus, Kirgistan und Tadschikistan an. Den Ton gibt aber natürlich nur Wladimir Putin an.


Was lesen?

Seit Jahren regiert Viktor Orbán in Ungarn unangefochten. Doch wenige Monate vor der Wahl bekommt er auf einmal eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Über die Abstimmung, die das Land und die EU verändern könnte, berichtet meine Kollegin Camilla Kohrs.


Erbittert wird in Deutschland über eine Impfpflicht gegen Corona gestritten. Wie sähe unsere Welt aus, wäre das Prinzip der modernen Schutzimpfung nie entdeckt worden? Unsere Wissenschaftsautorin Angelika Franz erklärt Ihnen das grauenvolle Szenario.


Im Koalitionsvertrag ist es nur ein dünner Satz, doch jetzt ist klar: Die Bundesregierung macht Frührentnern ein großzügiges Geschenk. Mein Kollege Mauritius Kloft hat die Details recherchiert.


Einen Triumph feierten diese Rotarmisten im Januar vor 79 Jahren, während Deutschlands Diktator eine seiner größten Niederlagen erlebte. Was damals geschah, lesen Sie auf unserem Historischen Bild.


Jürgen von der Lippe schätze ich nicht nur als Unterhalter, sondern auch als Freund klarer Worte. Im Gespräch mit meinem Kollegen Steven Sowa teilt er wortreich gegen die Gendersprache aus.


Was amüsiert mich?

Manche Leute haben ja immer was dagegen.

Ich wünsche Ihnen einen vernünftigen und engagierten Tag. Morgen schreibt David Schafbuch den Tagesanbruch, von mir lesen Sie am Mittwoch wieder.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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