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Corona-Pandemie: Omikron – Licht am Ende des Covid-Tunnels?


Tagesanbruch
Licht am Ende des Covid-Tunnels

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 05.01.2022Lesedauer: 6 Min.
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Tunnel in der U-Bahn-Station Marienplatz, München: Omikron macht auch etwas Hoffnung darauf, dass bald wieder ein normales Leben möglich sein könnte.Vergrößern des Bildes
Tunnel in der U-Bahn-Station Marienplatz, München: Omikron macht auch etwas Hoffnung darauf, dass bald wieder ein normales Leben möglich sein könnte. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

heute komme ich nicht umhin, gleich im ersten Satz das unangenehmste Wort dieser Tage zu erwähnen, Sie ahnen es: Corona. Die neue Variante des Virus verbreitet sich auch hierzulande rasant, binnen einer Woche hat sich die Zahl der registrierten Omikron-Fälle mehr als verdreifacht. Fast 36.000 sind es nun. Die Dunkelziffer dürfte noch viel höher sein, man kommt mit dem Testen ja nicht mehr nach, viele Gesundheitsämter haben längst resigniert. Angesichts dieser Nachrichten ist es niemandem zu verdenken, wenn er schlecht gelaunt über dem Morgenkaffee hockt.

Höchste Zeit also für Lichtblicke. Der erste kommt aus Dänemark. Dort haben Virologen etwas herausgefunden, das wie eine schlechte Nachricht klingt, aber eine gute ist: Unter Geimpften ist Omikron zwar hochansteckend, weil das Virus gelernt hat, sich an ihrem Schutz vor Ansteckung vorbeizumogeln. Doch unter Ungeimpften überträgt es sich nicht leichter als die Delta-Variante.

Warum das Hoffnung macht? Weil es bedeutet, dass das Virus nicht über neue Superansteckungskräfte verfügt, die ausnahmslos jeden treffen und gegen die sich nichts ausrichten ließe. Der Erreger fliegt nicht auf einmal 200 Meter weit und kann sich nicht durch jede noch so kleine Ritze am Maskenrand quetschen. Die Omikron-Infektionswelle kommt deshalb nicht unaufhaltsam auf uns zu. Sie ist mit den Mitteln, die wir nach zwei Jahren Pandemie rauf und runter aufsagen können, kontrollierbar: Abstand, Lüften, Masken, Händewaschen, Kontakte reduzieren. Das schafft Luft für die Booster-Kampagne, denn an dieser Front ist alles beim Alten: Die dritte Spritze hilft. Bis dahin schlägt das Virus seine Haken, aber der Mensch kann gegensteuern. Auf dem kurvenreichen Parkour durch die Pandemie haben wir also nach wie vor ein funktionierendes Lenkrad.

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Die zweite gute Nachricht kommt gleich hinterher: Was schnell hochschießt, stürzt auch schnell wieder ab. Die Zeit, in der ein Omikron-Infizierter einen anderen Menschen ansteckt, hat sich verkürzt. Deshalb preschen dort, wo das Virus freie Bahn hat, die Zahlen so rasant nach oben. Umgekehrt heißt das: Sobald man nur für kurze Zeit Ansteckungen wirksam unterbindet, fällt die Inzidenz ebenso rasant wieder. Durch die früheren Wellen konnten wir nur träge navigieren, jetzt wirken unsere Eingriffe schneller. Gut so.

Daraus ergeben sich Chancen, über die wir jetzt schon einmal nachdenken können. Zum Beispiel beim heißesten Eisen von allen: der allgemeinen Impfpflicht, die nicht nur den Schutz vor dem Virus befördert, sondern leider auch die gesellschaftliche Zerrüttung. Die große Mehrheit der Bürger befürwortet den Pflichtpiks, und weil Gesetz eben doch Gesetz ist, werden viele, die sich bisher der Impfung verweigern, am Ende wohl mitmachen. Trotzdem ist zu erwarten, dass sich ein unbelehrbarer Rest in esoterischen, rechtsradikalen oder sonst wie gearteten Desinformationsblasen eingeigelt hat und sich gegen demokratisch beschlossene Regeln mit Klauen und Zähnen verteidigen wird. Darf sich die Gesellschaft davon einschüchtern lassen? Auf keinen Fall. Trotzdem ist es für alle besser, wenn wir ohne Impfpflicht zurechtkommen. Sie radikalisiert die Aussteiger weiter. Sie nützt ihnen als Rekrutierungshilfe.

Omikron ist kein Schnupfen, sondern für Ungeimpfte immer noch eine gefährliche Krankheit. Aber auf den Intensivstationen wird es nicht mehr so voll. Kann man die Ausbreitung des Virus also laufen lassen? Menschen werden schließlich nicht nur mit der Nadel immunisiert – das Virus kann das auch erledigen, nur hat es schlimmere Nebenwirkungen. Ein Teil der Ungeimpften wird diese Art der Immunisierung nicht überleben, andere lebenslang von schweren Verläufen gezeichnet sein. Klar ist auch: Man muss bremsend in die Welle eingreifen, denn in Ländern wie Großbritannien ist die Überlastung der Krankenhäuser nicht verschwunden, sondern hat sich nur von den Intensiv- auf die Normalstationen verlagert. Doch anders als vor einem Jahr ist eine Strategie des Durchinfizierens nicht mehr per se unverantwortlich. Wer will, kann sich impfen lassen und sich schützen. Wer nicht will, der hat schon.

Nun mögen Sie fragen: Aber haben wir nicht trotzdem eine Verantwortung für diejenigen, die sich dem Schutz durch Impfung verweigern? Ist der Staat nicht doch in der Pflicht, für die Sicherheit einer Randgruppe zu sorgen, selbst wenn die sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt und darauf besteht, sich selbst zu gefährden? Das ist keine einfache Frage. Vielleicht hat die Gemeinschaft eine solche Verantwortung. Aber in die Waagschale gehört eben auch, dass eine Impfpflicht die Gemeinschaft durch bittere Auseinandersetzungen beschädigt. Es bleibt ja nicht bei nächtlichen Demos, der Riss zieht sich längst durch Familien, Freundeskreise, Belegschaften. Bundesweit mögen die Impfverweigerer Außenseiter sein, an manchen Orten – in Sachsen und Thüringen zum Beispiel – sind ihre Auffassungen aber nahezu mehrheitsfähig. Wenn der Zoff um die Impfpflicht zu Attacken auf die demokratischen Grundfesten der Gesellschaft führt und ganze Regionen sich von der Mehrheitsgesellschaft abzukoppeln drohen, ist der Preis der Fürsorge zu hoch.

Deshalb kann es klug sein, auf eine Impfpflicht zunächst zu verzichten und sich stattdessen auf eine Ankündigung zu beschränken – eine verbindliche allerdings. Zeichnet sich im nächsten Herbst die nächste Krise ab? Neue Variante, neues Drama? Vielleicht sogar schon vorher? Oder funktioniert die Immunisierung durch Omikron am Ende gar nicht? Dann kommt die Impfpflicht binnen 30 Tagen. Sonst nicht. Das könnte ein fairer Deal sein.

Krisen lassen sich nur mit Kompromissen bewältigen. Dieser Winter ist dunkel, aber nicht so finster wie der letzte. Das Corona-Jahr 2022 wird anstrengend, aber vielleicht gar nicht so schlimm. Wir haben Grund zu Optimismus. Machen wir was draus.


Baerbock bei Blinken

Annalena Baerbock jettet über den Atlantik: Wenn sie heute in Washington Antony Blinken trifft, ist dies zwar ihre erste USA-Reise als Außenministerin, aber nicht ihre erste Begegnung mit dem amerikanischen Amtskollegen. Den hat sie bereits im Dezember beim G7-Treffen in Liverpool kennengelernt. Wie damals steht auch diesmal der Russland-Ukraine-Konflikt ganz oben auf der Themenliste, außerdem soll es um die Klimapolitik und die Stärkung von Demokratien gehen. Und wie damals wird die grüne Chefdiplomatin auch diesmal den Dissens bemänteln müssen, der in der Ampelkoalition über die Gas-Pipeline Nord Stream 2 herrscht: Kanzler Olaf Scholz besteht darauf, die Problemröhre sei ein privatwirtschaftliches Projekt – Frau Baerbock und der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck wollen sie stoppen. Ein Widerspruch, der die neue Bundesregierung international immer stärker in Bredouille bringt.

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Prozess zum Lübcke-Mord

Rund zweieinhalb Jahre nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke beginnt heute der Prozess gegen den mutmaßlichen Verkäufer der späteren Tatwaffe: Wegen fahrlässiger Tötung muss sich Elmar J. aus Ostwestfalen vor dem Landgericht Paderborn verantworten. Die Anklage wirft dem heute 66-Jährigen außerdem mehrere Verstöße gegen das Waffengesetz vor. Zunächst hatte die Bundesanwaltschaft wegen Beihilfe zum Mord ermittelt – den Vorwurf dann aber fallengelassen und das Verfahren abgegeben. Die Richter hatten Zweifel, ob der Mann 2016 wirklich schon ahnen konnte, welche Tat der Käufer – der noch nicht rechtskräftig verurteilte Neonazi Stephan Ernst – mit der Waffe mehr als zweieinhalb Jahre später begehen würde.


Rückhalt für Steinmeier

Nach SPD und FDP haben sich auch die Grünen für eine zweite Amtszeit von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ausgesprochen. Heute beraten die Präsidien von CDU und CSU darüber, wie sie sich positionieren wollen. Entscheidend sind die Stimmen der Union zwar nicht mehr; die Ampelkoalition hat in der Bundesversammlung eine eigene Mehrheit. Aber wenn der Bundespräsident mitten in der Corona-Krise mit den Stimmen aller demokratischen Parteien wiedergewählt würde, wäre das ein starkes Signal der gesellschaftlichen Geschlossenheit. Verdient hätte er es allemal.


Bild des Tages

Im niedersächsischen Schneverdingen hat jemand die Kontur einer rund 100 Meter großen Spritze mit Tierfutter ausgelegt und per Drohne fotografiert. Die Aktion sei Werbung für die Impfung gegen das Virus und richte sich an Unentschlossene, sagt der Organisator. "Schafe sind so sympathische Tiere, vielleicht können sie die Botschaft besser überbringen."

Und so sah es aus, als die Vierbeiner das Futter entdeckten:


Was lesen?

Vier neue Impfstoffe sollen Skeptiker überzeugen. Meine Kollegin Melanie Rannow hat sich die Vakzine näher angeschaut.


Unaufgeregte Texte über die Klimakrise zu schreiben, ist nicht einfach. Trotzdem lohnt es sich, die Heiß- und Kaltzeiten unseres Planeten einmal in größerem Zusammenhang zu betrachten. So wie dieser Autor der "Neuen Zürcher Zeitung".


Während sich Deutschland durch die nächste Corona-Welle zittert, jetten Fußballer des FC Bayern auf Trauminseln. Unser Sportchef Robert Hiersemann geißelt die kollektive Verantwortungslosigkeit des Münchner Hallodri-Vereins.


Was amüsiert mich?

Es gibt ja für alles eine Lösung.

Ich wünsche Ihnen einen pragmatischen Tag. Morgen kommt der Tagesanbruch von meiner Kollegin Annika Leister.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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