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Tagesanbruch
Die Bedrohung

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 15.01.2022Lesedauer: 3 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Blick auf die Moskwa-Brücke mit dem Kreml im Hintergrund.Vergrößern des Bildes
Blick auf die Moskwa-Brücke mit dem Kreml im Hintergrund. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

guter Journalismus basiert nicht nur auf Recherchen, Kontakten und Fachwissen, sondern auch auf dem Austausch mit jenen, für die man schreibt. Deshalb sind die Rückmeldungen auf den Tagesanbruch Gold wert. In den vergangenen Tagen und Wochen haben uns viele Zuschriften erreicht, wofür ich allen Leserinnen und Lesern im Namen der gesamten Redaktion herzlich danke. Anmerkungen, Lob und Kritik sind uns ein Ansporn. Auch für unseren Wochenend-Podcast, in dem ich heute mit Außenpolitikredakteur Patrick Diekmann und Reporter Sebastian Späth über eine brisante Frage diskutiere, die unser aller Sicherheit betrifft. Hören Sie bitte hinein:

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Die neuerliche Ukraine-Krise zeigt nicht nur, wie fragil der Frieden in Europa ist. Sie wirft auch die Frage auf, was die Europäische Union im Ringen um strategische Einflusszonen eigentlich sein will: ein Wachhund der Demokratie oder ein Papiertiger? Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks hat es sich die EU lange Zeit recht einfach gemacht: Im Windschatten der amerikanisch dominierten Nato dehnte sie sich nach Osten und Südosten aus, ohne klar zu definieren, bis wohin genau diese Gebietserweiterung eigentlich reichen soll und wo sie endet. Diese Unbestimmtheit verstärkte in Staaten wie Moldawien, Georgien und vor allem der Ukraine den Wunsch nach einem Anschluss an den Westen – und ließ in Moskau die Alarmglocken schrillen.

Über die Winkelzüge der russischen Außenpolitik, über das mafiöse Geheimdienstregime Wladimir Putins und die perfiden Strategien, mit denen es die Stabilität europäischer Staaten zu unterminieren versucht, lassen sich viele lange Texte schreiben. In den deutschen Medien herrscht daran kein Mangel. Seltener sind hingegen Analysen, die Moskaus Perspektive auf den Konflikt um die Ukraine und das dauerhafte Ringen mit dem Westen beleuchten. Kreml-Strategen nehmen das selbstbewusste Heranrücken der westlichen Bündnisse nicht nur als Herausforderung, sondern als Bedrohung war. Gepaart mit dem von Putins Leuten geschürten Nationalchauvinismus wird der Wunsch genährt, das Rad der Geschichte zurückzudrehen und Russland wieder als östliche Weltmacht zu etablieren.

Auf die daraus resultierende aggressive Politik eine Antwort zu finden, damit tun sich die EU-Länder bislang schwer. Deutschland hält trotz vehementer Kritik seiner Verbündeten an der Gaspipeline Nord Stream 2 fest und beantwortet den russischen Auftragsmord im Kleinen Berliner Tiergarten mit einem harmlosen Protestchen. Polen und die baltischen Staaten dagegen setzen auf Härte und klammern sich an den militärischen Schutz der USA. Frankreich versucht sich mit eigenen diplomatischen Initiativen zu profilieren. Und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sitzt zwischen allen Stühlen, weshalb er weder in Moskau noch in Washington richtig ernst genommen wird. Beim gestrigen EU-Außenministertreffen mit Annalena Baerbock wurden Fortschritte erzielt, aber es bleiben Widersprüche.

Ohne eine gemeinsame Strategie für den Umgang mit Russland werden die EU-Staaten mit ihrem Krisenmanagement im Osten scheitern – egal, ob es um Belarus, Armenien oder die Ukraine geht. Die Bundesregierung sollte daher ihre Energieversorgung nicht mehr national, sondern im europäischen Kontext planen. Die Dinge einfach laufen zu lassen, ist kurzsichtig und riskant. Wie hat der heute vor 400 Jahren geborene französische Dramatiker Molière geschrieben: "Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun." Aktueller kann ein Satz nicht sein.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Und da ich nun einen großen Franzosen gerühmt habe, kommt auch der heutige Musiktipp aus unserem Nachbarland. Am Montag schreibt Sven Böll den Tagesanbruch, von mir lesen Sie am Dienstag wieder.

Herzliche Grüße
Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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