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Stürme in Deutschland: "Der Klimaschutz muss sofort angepackt werden"


Tagesanbruch
Sehenden Auges in die Katastrophe

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 18.02.2022Lesedauer: 5 Min.
Meinung
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Sturmtief "Ylenia" fegte auch über Brandenburg hinweg.Vergrößern des Bildes
Sturmtief "Ylenia" fegte auch über Brandenburg hinweg. (Quelle: Patrick Pleul/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

ob Sandra Stein und Ylenia Ohm wussten, worauf sie sich da eingelassen haben? Vielleicht dachten sie einfach: "Augen zu und durch", als sie den beiden Tiefdruckgebieten als Wetterpaten Namen gaben. Frau Stein taufte ihres "Xandra", Frau Ohm verpasste dem nächsten Tief ihren eigenen Vornamen, "Ylenia". Und das haben sie nun davon: unzählige entwurzelte Bäume, zwei erschlagene Autofahrer, Chaos im Zugverkehr, verrammelte Schulen, Zehntausende Menschen ohne Strom.

Das Video von einer Hamburger Elbfähre, auf der Wellenbrecher die Scheiben zertrümmern, verdeutlicht die Wucht des Orkans. Und der nächste Sturm ist schon im Anmarsch: "Zeynep" könnte ab heute sogar noch schlimmer wüten. Ob Herr Julius Krebs sich dessen bewusst war, als er das Tiefdruckgebiet taufte?

Nun wollen wir niemandem Vorwürfe machen, der ohne böse Absicht mit einem Drama in Verbindung gebracht wird. Erst recht, da so ein Frühjahrssturm ja nichts Ungewöhnliches ist. Wetter eben. Trotzdem kann uns das Beispiel der arglosen Tiefdruckpaten als Gleichnis für eine menschliche Haltung dienen, die an anderer Stelle leider gravierendere Folgen hat als ein einmaliger Orkan: Als Homo sapiens neigen wir alle leider dazu, sehenden Auges in Katastrophen hineinzulaufen und uns hinterher zu wundern, dass die Katastrophe katastrophale Folgen hat.

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Forscher im Auftrag mehrerer amerikanischer Behörden haben soeben eine brisante Studie vorgelegt. Demzufolge steigt der weltweite Meeresspiegel schneller als bislang befürchtet und droht in absehbarer Zeit ganze Regionen zu überfluten.

  • Demnach könnte der Meeresspiegel in den kommenden 30 Jahren so stark steigen wie in den vergangenen 100 Jahren.
  • Allein um die USA herum wird sich das Meer um durchschnittlich bis zu 30 Zentimeter heben.
  • Schon in acht Jahren steigt das Wasser rund um New York um etwa 23 Zentimeter.
  • Bis 2050 werden Überschwemmungen zehnmal häufiger auftreten als heute.

Sehen wir es den amerikanischen Beamten nach, dass sie sich bei ihren Berechnungen auf ihr Heimatland konzentriert haben. Wir können uns auch so ausmalen, was die Entwicklung für andere Weltregionen bedeutet. Für Bangladesch zum Beispiel, das schon jetzt zu großen Teilen unter dem Meeresspiegel liegt.

Oder die Multimillionenmetropole Tokio. Oder Hamburg. Meine Kollegen Rahel Zahlmann und Arno Wölk haben kürzlich in einer eindrucksvollen Animation gezeigt, für welche Gefahren sich Städte rund um den Globus wappnen müssen.

Das Eis an den Polen und den Gletschern schmilzt in Rekordgeschwindigkeit, sogar der Mount Everest dürfte absehbar schneefrei sein. Die Atmosphäre heizt sich durch den menschengemachten Treibhausgaseffekt immer schneller auf, und bisher reicht keine – wohlgemerkt: keine – der internationalen Anstrengungen zum Schutz des Klimas aus, um das Problem wirksam zu beheben. An Absichtserklärungen herrscht kein Mangel. Es fehlt an Taten.

Nun gibt es einige Leute, die sagen: Was solls? Bauen wir halt Deiche! Um Hamburg, Kopenhagen und Amsterdam bewohnbar zu erhalten, mag das womöglich sogar funktionieren, wenngleich Immobilieninvestoren schon jetzt beginnen, sich nach höheren Lagen umzusehen. Die europäischen Länder sind reich und können es sich leisten, Abermilliarden Euro für den Küstenschutz auszugeben. Ärmere Länder können das nicht. Das Leben mit dem Klimawandel in Indonesien, Myanmar, Vietnam und auf den Philippinen – also in ohnehin viel bevölkerten Ländern – wird eine Herausforderung, die alles bisher Dagewesene übertrifft.

Aber auch afrikanische Küstenstaaten, die Türkei, Griechenland und die Balkanländer werden bald sehr viel mehr Wasser vor der Haustür haben, als ihnen lieb ist. Wenn dann auch noch vermehrt Starkstürme und Hitzewellen hinzukommen, kann man sich ausmalen, wie die Klimakrise das Leben von Millionen Menschen verändern wird. Die Weltbank rechnet bis zum Jahr 2050 mit bis zu 140 Millionen Klimaflüchtlingen. Man darf davon ausgehen: Selbst wenn der Großteil im fernen Asien oder Afrika strandet, viele Millionen werden auch nach Mitteleuropa drängen.

Müssen Klimaschutz sofort anpacken

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Der heutige Tagesanbruch soll Ihnen keine Angst einjagen. Aber vielleicht kann er jene unter uns, die das lästige Klimathema bislang auf die lange Bank geschoben haben, zum Umdenken animieren. Wir müssen den Klimaschutz jetzt sofort entschlossen anpacken, und jeder kann dabei helfen.

Egal ob er im Kanzleramt oder daheim auf dem Sofa sitzt und die nächste Fernreise plant. Andernfalls werden uns nicht nur unsere Kinder fragen, warum wir sehenden Auges ins Unheil gelaufen sind. In 8, 15, 30 Jahren werden sich viele von uns diese Frage auch selbst stellen können. Ich ahne: Das wäre kein schönes Gefühl.


Die Welt blickt auf München

Wenn in diesen Tagen Wladimir Putins Weltbild analysiert wird, kommt oft sein Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 zur Sprache: Schon damals erschreckte der russische Präsident die Zuhörer mit aggressiver Rhetorik, warf den USA "monopolare Weltherrschaft" vor und geißelte die Nato-Osterweiterung. Bei der heute beginnenden 58. Ausgabe des weltweit wichtigsten sicherheitspolitischen Forums ist ausgerechnet Russland nicht vertreten.

Putin zieht es vor, in Moskau den belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko zu empfangen, mit dessen Soldaten er gerade ein gemeinsames Militärmanöver an der ukrainischen Grenze durchführt und der dem Westen soeben mit der Stationierung von Atomwaffen gedroht hat.

Hochkarätig besetzt ist die Veranstaltung dennoch: Aus den USA werden Außenminister Antony Blinken und Vizepräsidentin Kamala Harris erwartet, die Delegation der Bundesregierung wird von Kanzler Olaf Scholz angeführt, und auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommt. Umso bemerkenswerter ist eine Recherche der "Spiegel"-Kollegen: Demnach verdiente die Beratungsfirma von Sicherheitskonferenz-Chef Wolfgang Ischinger auf den Veranstaltungen kräftig mit und wollte bei Waffendeals vermitteln.


Wieler bleibt weg

Seit dem Ärger um den Genesenen-Status von Covid-Erkrankten knirscht es zwischen Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Lothar Wieler. Prompt hat die jüngste Ministerpräsidentenrunde dem Robert Koch-Institut die Kompetenz zur Festlegung des Status entzogen. Lauterbach will künftig wieder selbst entscheiden, wer wie lange als geimpft oder genesen gilt.

Dass Herr Wieler nicht dabei ist, wenn der Minister heute Morgen zum Corona-Briefing in die Bundespressekonferenz lädt, soll allerdings kein Zeichen eines Zerwürfnisses sein: "Terminschwierigkeiten" seien der Grund dafür, dass diesmal RKI-Vize Lars Schaade über das Infektionsgeschehen informiert, heißt es. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

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Was lesen?

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Etwas Hilfe brauchte dieses spezielle Spaceshuttle vor 45 Jahren. Warum die Nasa das riskante Manöver wagte, lesen Sie auf unserem Historischen Bild.


Was amüsiert mich?

Im Sturm ist nicht jeder gleich.

Ich wünsche Ihnen einen standfesten Tag. Egal ob drinnen oder draußen.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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