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Zum journalistischen Leitbild von t-online.USA in der Krise "Trumps Rede endete in Gewalt und Zerstörung"

Mit rhetorischem Dauerfeuer malträtiert und manipuliert Donald Trump die USA und die Welt. Dabei ist der US-Präsident so durchschaubar wie effektiv. Terry Szuplat, früherer Redenschreiber von Barack Obama, erklärt die Methode Trump.
Donald Trump gebärdet sich als eine Art Ausnahmepolitiker, der alle Konventionen bricht. Seine Anhänger feiern den US-Präsidenten dafür. Aufseiten der Demokraten hingegen herrschen wegen der verlorenen Präsidentenwahl von 2024 bis heute Trauer, Konfusion und Lähmung vor. "Schizophren" müssen die Vereinigten Staaten auf den Rest der Welt wirken, sagt Terry Szuplat, der viele Jahre für Trumps Vorgänger Barack Obama Reden schrieb.
Welche Rede Trumps erwies sich als die bislang gefährlichste? Warum war Barack Obama ein guter Redner, warum ist Donald Trump es nicht und hat trotzdem Erfolg? Und welche Form der politischen Rede könnte den Demokraten bei der Eindämmung des Trumpismus helfen? Diese Fragen beantwortet Terry Szuplat, Autor des Buches "Say It Well", im Gespräch.
t-online: Herr Szuplat, gab es einen frühen Schlüsselmoment, in dem Sie eine Ahnung davon bekamen, wie gefährlich Donald Trump ist?
Terry Szuplat: Diesen Schlüsselmoment gab es tatsächlich. Im Juni 2015 verkündete Donald Trump seine erste Kandidatur fürs Weiße Haus. Die Rede, die er dazu hielt, ist überaus aufschlussreich. Trump dämonisierte Ausländer, er dämonisierte politische Gegner, er entmenschlichte sie geradezu: Da war bereits alles enthalten, was wir heute als Trumpismus bezeichnen.
Mit dieser Vorgehensweise hat es Trump zweimal ins Weiße Haus geschafft: Haben Sie eine Erklärung für diesen Erfolg?
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich damals im West Wing des Weißen Hauses eine seiner Kundgebungen am Bildschirm verfolgt habe. Mir sind dabei zwei Dinge aufgefallen: Trump machte etwas grundlegend anders als die übrigen Kandidaten, denn er bediente sich nicht der ausgefeilten, bereinigten Rhetorik, mit der Berater sicherstellen wollen, dass eine möglichst breite Masse angesprochen wird.
Trump lieferte also eine seiner "Shows"?
Seine Kundgebungen waren von Anfang Unterhaltung, ja. Damit ist auch klar, warum die Menschen damals wie heute stundenlang in der Schlange stehen, um zu einer Trump-Kundgebung zu gelangen: Es ist anders, es ist unterhaltsam, es ist eine Art Realityshow, die in die politische Arena eintritt. Das ist der entscheidende Punkt: Wir Menschen mögen neue, glänzende Dinge, Trump hat das sehr geschickt gemacht.
Zur Person
Terry Szuplat, geboren 1973, war von 2009 bis 2017 Redenschreiber für Barack Obama im Weißen Haus. Szuplat half bei der Ausarbeitung von rund 500 Reden des früheren US-Präsidenten und begleitete Obama auf Reisen in mehr als 40 Länder. Heute ist Szuplat außerordentlicher Professor an der American University und arbeitet als Trainer und Redner. Gerade erschien mit "Say It Well. Finde deine Stimme. Teile deine Ideen. Überzeuge mit der Kraft deiner Worte" Szuplats erstes Buch.
In die Geschichte ist Trump dann vor allem mit seiner Rede vom 6. Januar 2021 eingegangen, mit der er seine Anhänger zum Sturm auf das Kapitol in Washington, D.C., aufhetzte.
Das war ein absoluter Schock. Ich wohne nicht weit entfernt vom Stadtzentrum Washingtons, deswegen war es besonders beunruhigend: Ein amtierender Präsident peitschte Tausende seiner Anhänger zum Sturm auf das Zentrum unserer Demokratie auf. Trumps Rede endete in Tod, Gewalt und Zerstörung. Es war die folgenreichste, die er in seiner Karriere gehalten hat. Der Schmerz wirkt immer noch nach.
Sie sind Experte für politische Reden. In Ihrem Buch "Say It Well" erklären Sie, was eine überzeugende Rede ausmacht. Gerade Trumps aktuelle Reden gelten aber als unstrukturiert und langatmig bis langweilig. Er hangelt sich ausschweifend von Thema zu Thema. Liegen ihm kurze, schnelle Attacken per Truth Social mehr?
Ich stimme Ihnen grundsätzlich zu, außer bei der Langeweile. Für Leute, die stundenlang gewartet haben, um Trump sprechen zu hören, sind diese Reden überhaupt nicht langweilig. Ja, Trump mäandert oft in seinen Reden, aber ist das nicht genau die Sache, die seine Anhänger hören wollen? Trump unternimmt bei diesen langen Reden gewissermaßen eine Reise in sein Inneres – und was er sagt, missfällt mir persönlich zutiefst. Aber Trumps Anhänger empfinden das als sehr authentisch.
Kann sich nur ein Donald Trump solche Auftritte leisten?
Kein politischer Berater würde seinem Kandidaten empfehlen, einfach hoch auf die Bühne zu gehen und zwei Stunden draufloszureden – ohne zu wissen, was der Mann da oben sagen wird. Ein Fauxpas oder Fehler, und die Karriere könnte bereits erledigt sein. Genau das tut Trump aber, seine Anhänger lieben es. Das ist exakt das, was die Leute zu ihm zieht. Für den Teil der Vereinigten Staaten, der seine Politik unterstützt, funktioniert es hervorragend. Ich würde aber niemals einem anderen Kandidaten raten, etwas Ähnliches zu versuchen.
Waren Sie jemals persönlich auf einer Kundgebung von Donald Trump?
Nein, aber ich habe Sie mir im Fernsehen angeschaut. Die Reden sind nur ein Teil davon, sie gehören zu etwas Größerem. Es gibt dort Künstler, es gibt Musik, auch riesige Bildschirme, auf die sie Gesichter von Einwanderern ohne Papiere projizieren. Es erinnert mich an die "Zwei Minuten Hass" aus George Orwells Buch "1984". Die Leute steigern sich hinein, sie schreien ihre Gefühle hinaus, es ist mehr als eine Rede, es ist eine Art emotionale Katharsis.
Wie beurteilen Sie Trump als Redner?
Trump ist ein effektiver Redner, aber kein "guter".
Wo machen Sie den Unterschied?
Ein guter Redner will den Menschen dienen, sein Ziel besteht darin, Leute für eine gute Sache zu gewinnen. Er nutzt Sprache und Rhetorik, um Menschen zusammenzubringen, nicht um sie zu spalten. Gute Redner sind für mich Menschen, die das Beste in anderen Menschen hervorbringen wollen: bei ihren Kollegen und Mitarbeitern, in ihrer Gemeinde, ihrer Kirche, ihrer Synagoge, wo auch immer. Aus diesem Grund habe ich mein Buch als eine Hilfestellung geschrieben. Nach dieser Definition ist Donald Trump ganz sicher kein guter Redner.
Was ist er dann?
Trump ist ein Meister der Manipulation und der Ablenkung. Dazu dient ihm weniger die Rede, sondern seine anderen Aktivitäten: Für Trump ist es viel einfacher, sich hinzusetzen und zwei Dutzend Nachrichten in sozialen Medien abzusetzen. Darin ist Trump wirklich ein Meister, er ist ein Demagoge, der es versteht, sein Publikum zu fesseln. Das erleben wir doch jeden Tag: Trump will die Diskussion kontrollieren, er will darüber bestimmen, was wir alle tun, indem er die absurdesten und lächerlichsten Ideen in den Raum stellt. Denn er weiß genau, dass die Medien und die Öffentlichkeit dem nicht widerstehen können. Trump kennt uns besser als wir uns selbst.
Nebenbei untergräbt er die amerikanische Demokratie?
So geht er vor. Wir sollen unseren Blick vom Wesentlichen abwenden: Trump zerstört eine weitere demokratische Institution, also feuert er eine Botschaft zu Rosie O'Donnell oder irgendeine andere Berühmtheit ab. Denn Trump weiß ganz genau, dass es funktioniert: Wir gehen Trump immer wieder auf den Leim. In dieser ganzen Affäre um Jeffrey Epstein agiert er ähnlich.
Sie haben viele Jahre für Barack Obama Reden im Weißen Haus geschrieben: Wie haben Sie die Wahl Donald Trumps 2015 empfunden?
Ich habe unterschätzt, wie stark Präsidentschaftswahlen oftmals eine Reaktion auf das sind, was vorher war. Barack Obama war in vielerlei Hinsicht eine Reaktion auf George W. Bush, vor allem nach dem Irakkrieg. Bush war dafür bekannt, aus dem Bauch heraus zu führen und Entscheidungen instinktiv zu treffen.
Was hat Obama anders gemacht?
Obamas Anziehungskraft basierte auf dem Gegenteil: Er hatte einen durchdachten, respektvollen Ansatz, der die Menschen an die Hand nahm und durch schwierige Themen führte. Eigentlich habe ich Hillary Clinton damals zunächst favorisiert, weil sie die erfahrenere Kandidatin war. Aber der Moment, der mich von Obama überzeugt hat, war seine Rede 2008 in Philadelphia. Er sprach über Ethnizität und Religion. Einige seiner Berater empfahlen ihm, diese heiklen Themen zu vermeiden. Aber er bestand darauf. Obama wollte die Amerikaner als mündige Erwachsene ansprechen. Das war mutig, nuanciert und genau die Art von Führung, nach der sich die Menschen damals gesehnt haben.
Dennoch haben sich viele dieser Wähler Jahre später dann für Donald Trump entschieden. Warum?
Damals konnte ich mir das nicht erklären. Innerhalb der Obama-Administration lebte ich in einer Blase: Dasselbe Land, das Obama zweimal gewählt hatte, drehte sich plötzlich um 180 Grad und stimmte für Trump. Im Nachhinein betrachtet war Trump eine Art Gegenreaktion, aber nicht nur in Bezug auf Obamas Ethnizität, sondern auch auf seine ganze Regierungsphilosophie und seinen Stil.
Diese Gegenreaktion scheint bis heute anzudauern.
Meine Hoffnung bestand darin, dass die Wähler Trumps Führungsstil nach vier Jahren des Chaos ablehnen würden. Aber ich habe mich geirrt: Trump erhielt 2020 mehr Stimmen als 2016 und 2024 mehr Stimmen als 2020. Jedes Mal, wenn er kandidiert, erhält er mehr Unterstützung. Das wird oft vergessen – unterm Strich verliert Trump keineswegs an Unterstützung. Er gewann hinzu. Das sollte uns wirklich Angst machen.
Barack Obama gilt als einer der besten Redner, der jemals im Weißen Haus residiert hat, sein "Yes, we can" wurde zum geflügelten Wort. Was war sein Erfolgsrezept?
Ich habe jahrelang Reden für Barack Obama geschrieben, aber wir kamen erst spät zu der Frage, was für ihn einen großartigen Redner ausmacht. Ich schildere es in meinem Buch: Eigentlich hatte ich erwartet, dass Obama etwas Eindringliches über die Struktur oder Erzählweise einer Rede sagen würde. Dann kam etwas, das ich überhaupt nicht erwartet hatte: Obama sagte mir, dass gute Redner die Menschen sind, die wissen, wer sie sind und woran sie glauben. Denn dann können sie vor den Zuhörern aus einer Position der Überzeugung sprechen.
Einen uninspirierten Redner erkennt man schnell?
Das geht uns doch allen so, oder? Man merkt einfach, ob der Redner vor einem mit dem Herzen bei der Sache ist. Das betrifft die Politik, die Wirtschaft, jeden Aspekt unseres Lebens. Mein Buch widmet sich auch der Frage, wie wir wieder effektive Redner und Führungskräfte bekommen. Das erfordert harte Arbeit, denn dafür müssen unsere Gesellschaften herausfinden, wer wir sind und woran wir glauben.
Hat Obama jemals den Glauben verloren?
Ich denke, nicht. Man wusste immer, wo er stand. Vergleichen wir seine erste berühmte Rede aus dem Jahr 2004 auf dem Parteitag der Demokraten mit seiner Abschiedsrede aus dem Weißen Haus 2017. Sie ähneln sich sehr, Obamas Grundwerte haben sich in rund zwanzig Jahren nicht verändert. Das kann man von Trump nicht behaupten. Die Tatsache, dass selbst viele seiner Anhänger nicht wissen, was er heute oder morgen wohl sagen wird, ist eigentlich ein Zeichen seiner Schwäche als Anführer.
Trump wird das sicherlich anders sehen.
Trump würde behaupten, dass er so seine Flexibilität bewahrt, seine Feinde in Schach hält und dadurch ein großartiger Verhandlungsführer ist. Vielleicht ist das auch so. Aber macht ihn das zu einem konsequenten und berechenbaren Anführer? Nein.
Besteht die Möglichkeit, dass Trump es mit seiner "Show" irgendwann übertreibt?
Die Show wird weitergehen – jedenfalls auf republikanischer Seite. Wir hatten die Affäre um Epstein schon erwähnt: Es die Art von Skandal, die einen traditionellen Politiker absolut zerstören würde. Trumps Zustimmung unter den Republikanern ist ungebrochen hoch, wenn nicht sogar höher als je zuvor. Ja, seine Anhänger sind vielleicht verärgert, dass Akten nicht veröffentlicht wurden, aber in ihren Augen hält er, was er versprochen hat: Er geht etwa massiv und hart gegen illegale Einwanderung vor, er sorgt für massive Steuersenkungen.
Gibt es eine Persönlichkeit aufseiten der Demokraten, die Trump in Zukunft Paroli bieten könnte?
Noch nicht. Wir sollten uns aber daran erinnern, dass auch so gut wie niemand 2004 den Namen Barack Obama kannte, bevor er damals auf dem Parteitag der Demokraten auf die Bühne trat. Dieser Auftritt katapultierte ihn letztlich ins Weiße Haus. Im Augenblick sortieren die Demokraten immer noch die Scherben nach der Wahlniederlage 2024. Derzeit testen verschiedene Politiker verschiedene Ansätze aus, es ist alles noch ungewiss. Die USA haben mehr als 300 Millionen Einwohner, aber wir haben nur zwei große politische Parteien. Da sind Widersprüche programmiert.
Umso dringender braucht es gute Redner, die das Land versöhnen können? Ein Kapitel in Ihrem Buch heißt "Reden Sie wie ein Mensch".
Das wünsche ich mir. Wir brauchen wirklich einen Demokraten, der wie ein Mensch spricht. Reden, die von Akademikern für Akademiker geschrieben wurden oder von Politikern für Politiker, helfen nicht weiter. Die meisten Menschen wachen doch nicht morgens auf und denken über die große Politik nach. Diese Leute wollen ihre Rechnungen bezahlen und eine vernünftige Ausbildung für ihre Kinder. Sie brauchen bezahlbare Preise, gute Straßen und sichere Schulen. Sie denken ganz sicher nicht in den Kategorien der politischen Elite. Diese politische Elite hat eine bestimmte Art zu sprechen, die bei Amerikanern im ganzen Land gar nicht gut ankommt. Deshalb sehne ich mich nach jemandem, der wie ein normaler Mensch spricht und anerkennt, wo wir Demokraten falschlagen. Denn der erste Schritt, um Vertrauen wiederzugewinnen, besteht darin, Fehler zuzugeben.
Immerhin konnte Joe Biden 2020 mehr Wähler überzeugen als Donald Trump. Besteht also Hoffnung?
Der Sieg von Joe Biden war in Teilen erneut eine Gegenreaktion auf Trump. Amerika muss von außen schizophren wirken: Obama, Trump, Biden und jetzt wieder Trump. Wir stecken in diesem 50-50-Paradigma fest, das hin und her schwankt. Diese Art der Spaltung ist kein haltbarer Zustand. Wir brauchen eine Führungspersönlichkeit, die uns da herausholen kann, denn ständige politische Kehrtwendungen machen das Land nicht stark. Ein Beispiel ist die US-Entwicklungshilfe: Sie innerhalb von nur einer Amtszeit zu zerstören, hat furchtbare Konsequenzen für die ganze Welt und ist nicht nachhaltig.
Jetzt hat Elon Musk die Gründung seiner eigenen Partei angekündigt. Was halten Sie davon?
Wir werden sehen, wohin das führt. Es ist immer interessant, wenn neue Akteure in die Politik einsteigen, aber ich bin mir nicht sicher, ob Musk die Person ist, die diese Bewegung anführen kann. Präsident kann er ohnehin nicht werden, weil er in Südafrika geboren wurde.
Lassen Sie uns noch über Ihren eigenen Weg sprechen: Wie wird man überhaupt Redenschreiber im Weißen Haus?
Es gibt nicht den einen Weg zum Ziel. Für Politik, Geschichte und die öffentliche Verwaltung hatte ich immer eine Schwäche. Ich dachte eigentlich, dass ich Anwalt werden würde. Daraus wurde nichts, aber dann erhielt ich meinen ersten Job als Redenschreiber für den Verteidigungsminister. Da merkte ich, dass ich diesen Job liebe. Dass ich kein Jurist oder Politikexperte war, hat mir geholfen. Ich konnte mich in die Zuhörer hineinversetzen und fragen: "Können Sie das noch einmal erklären?" Wenn ich es nicht verstand, wussten wir, dass die Öffentlichkeit es auch nicht verstehen würde. In diesem Bereich spielt es keine Rolle, wo man zur Schule gegangen ist. Was zählt, ist, ob man mit der Stimme des Präsidenten schreiben kann.
Wer hat Sie schließlich in das Team von Obama geholt?
Ich bin direkt nach seiner Wahl 2008 eingestellt worden. Ich hatte zuvor schon beim demokratischen Parteitag als Freiwilliger mitgearbeitet und kannte einige der Redenschreiber von Obamas Kampagne. Als das Team erweitert werden musste, traf ich mich mit seinen Mitarbeitern Jon Favreau und Ben Rhodes bei einem Kaffee in Washington. Sie gaben mir dann eine Woche Zeit, um eine fiktive Rede zu schreiben. Das war sozusagen mein Einstellungstest.
Können Sie sich noch an das Thema erinnern?
Ja. Es hat eine traurige Aktualität: Obama sollte vor einem jüdischen Publikum ein israelisch-palästinensisches Friedensabkommen verkündigen.
Die Rede muss gut gewesen sein, denn Sie wurden eingestellt …
Die Arbeit im Weißen Haus war das Privileg meines Lebens.
Wie ging es dort zu?
Unser Team saß in einem fensterlosen Kellerbüro unter dem Oval Office. Das war, als würde man in einem U-Boot arbeiten. Einige Kollegen im West Wing hatten nicht einmal ein eigenes Büro, sondern nur Schreibtische in den Fluren.
Die vielen Fernsehserien, die im Weißen Haus spielen, stellen die Arbeit dort luxuriöser dar.
Das machen sie wirklich immer falsch. Tatsächlich gibt es ein paar Räume mit Fenstern. Aber auch die sind fürchterlich klein. Mein Zimmer war eigentlich eher ein Schrank. Man gelangte nur rein, indem man durch einen anderen Raum kam. Aber jeder zog diesen winzigen Ort einem größeren Büro im Nebengebäude vor. Es war einfach wahnsinnig aufregend, dass der Präsident jederzeit in dein Büro spazieren konnte. Was auch einige Male passiert ist.
Sie haben Hunderte Reden für Obama geschrieben. In Ihrem Buch geben Sie Tipps aus Ihrer jahrelangen Erfahrung. Haben Sie einen zentralen Ratschlag?
Große Redner werden nicht als solche geboren. Sie werden gemacht. Die Leute denken an Barack Obama und glauben, dass er schon immer ein außergewöhnlicher Redner gewesen sei. Tatsächlich hat er hart daran gearbeitet. Wie jede andere Fähigkeit verbessert sich auch das Reden in der Öffentlichkeit durch Übung. Die meisten Menschen haben davor Angst. Mein Rat ist deshalb: Wagen Sie es, sich zu exponieren. Nutzen Sie jede kleine Gelegenheit. Halten Sie kleine Ansprachen, heben Sie in Meetings die Hand, gewöhnen Sie sich daran, sich unbequem zu fühlen.
Die Amerikaner erscheinen in dieser Disziplin erfahrener als die Deutschen.
Das höre ich in meinen Workshops sehr oft. Es scheint, dass sich die Amerikaner wohler fühlen, wenn sie in ihren Vorträgen auch persönliche Erfahrungen weitergeben. Das ist wichtig. Denn es geht darum, eine menschliche Verbindung herzustellen, nicht nur darum, Informationen zu vermitteln. Europäer sagen mir oft: "Das machen wir hier nicht so." Anschließend räumen sie ein, dass ihre Präsentationen eher langweilig sind. Ich glaube nicht, dass Storytelling etwas einzigartig Amerikanisches ist. Es ist schlicht menschlich. Ich habe Obama in mehr als 40 Länder begleiten dürfen. Er hat sein Publikum auf fünf Kontinenten erreicht, überall sind die Menschen auf seine persönlichen Geschichten angesprungen. Es gibt keinen Grund, Dramatik und Charakter ausgerechnet in öffentlichen Reden sterben zu lassen.
Heutige Reden konkurrieren mit sozialen Netzwerken wie TikTok und einer immer kürzeren Aufmerksamkeitsspanne. Was ändert sich dadurch?
Gar nicht viel. Die Leute kommen nach wie vor für lange Reden zusammen. Bernie Sanders hält regelmäßig 45 Minuten lange Ansprachen. Die Zuhörer wollen eine menschliche Erfahrung. Die ausgekoppelten Clips in den sozialen Medien locken womöglich sogar noch mehr an. Ein 30-Sekunden-Highlight kann jemanden dazu bringen, sich dann die ganze Rede anzusehen. Es gibt ja junge Menschen, die nie zuvor eine Rede gehört haben. Insofern ist das positiv. Aber ja, die kürzere Aufmerksamkeitsspanne führt schon dazu, dass man schnell auf den Punkt kommen muss. Aber das ist nicht unbedingt schlecht, oder?
Herr Szuplat, vielen Dank für das Gespräch.
- Persönliches Gespräch mit Terry Szuplat via Videokonferenz