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Tote Giraffe Marius: Kopenhagener Zoo-Direktor erhält Morddrohungen


Wirbel um tote Giraffe Marius
"Das Leben ist kein Disneyfilm"

Von dpa, afp, t-online
Aktualisiert am 11.02.2014Lesedauer: 3 Min.
Die Löwen durften sich an der Zoo-Giraffe laben, deren Schlachtung viele Menschen empörtVergrößern des BildesDie Löwen durften sich an der Zoo-Giraffe laben, deren Schlachtung viele Menschen empört (Quelle: dpa-bilder)
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Ein Aufschrei geht um die Welt, als ein dänischer Zoo eine junge Giraffe töten lässt. Zehntausende protestieren im Internet. Doch der Vorgang ist in vielen Zoos normal - auch in Deutschland. In Dänemark gehen die meisten Menschen ruhiger mit dem vermeintlichen "barbarischen Akt" um: "Das Leben ist kein Disneyfilm", kommentiert die Zeitung "Berlingske".

Wäre Marius ein Schwein oder eine Antilope, hätte sein Schicksal keinen solchen Sturm der Entrüstung ausgelöst, meint der Direktor des Kopenhagener Zoos, Bengt Holst. Aber der Marius, der am Sonntag in Dänemark im Alter von eineinhalb getötet wurde, war ein niedlicher Giraffenjunge.

Zu wenig Platz

Er musste sterben, weil es im Gehege zu eng geworden war. Aus einem ähnlich pragmatischen und entscheidenden Grund kam ein Umzug innerhalb des europäischen Zuchtprogramms nicht in Frage: Bei rund 300 verfügbaren Zoos bestand aufgrund einer ähnlichen Gen-Grundlage Inzuchtgefahr. Also betäubte und erschoss ein Tierarzt Marius. Damit trat er eine internationale Protestlawine los.

Die Emotionen kochten hoch, besonders bei Facebook, und Promis schalteten sich ein. Zoodirektor Holst konterte die Vorwürfe ganz sachlich: "Wir können keine Sonderregeln für Tiere einführen, die hübsch aussehen. Und wir schicken unsere Tiere nicht einfach irgendwo hin."

Sie in so einem Fall zu töten, sei gängige Praxis - 20 bis 30 Mal passiere das in Kopenhagen durchschnittlich pro Jahr. "Bei Ziegen oder Wild macht sich aber niemand etwas daraus", ist sich Holst sicher.

Direktor erhält Droh-Nachrichten

Holst bekommt seit dem Vorfall sogar Morddrohungen über Facebook, per Mail und SMS. "Das ist völlig außer Kontrolle", so Holst, der im Fokus teils aggressivster Anfeindungen steht. Auch von Euthanasie war die Rede.

Eine Online-Petition, die seine Absetzung fordert, hatte am Dienstagnachmittag mehr als 12.500 Unterschriften gesammelt. Zuvor hatten im Netz 27.000 Menschen vergeblich Marius' Rettung gefordert, die von der Ausweglosigkeit wussten - der vermeintlichen aus ihrer Sicht. "Wir bringen nicht einfach ein Tier um, sondern prüfen das sehr genau", betonte Holst und machte klar: "Es kann nicht richtig sein, dass ich und meine Familie bedroht werden."

Der britische Komiker Ricky Gervais schrieb in dem Kurznachrichtendienst: "Sehr enttäuscht vom Kopenhagener Zoo. Ein schönes, gesundes Tier zu zerstören, weil ihr es nicht braucht, ist einfach nicht richtig." US-Schauspielerin Kirstie Alley erklärte gar - ebenfalls über Twitter -, sie habe den Vorfall weinend bei einem Spaziergang verarbeiten müssen.

Tierethiker beklagt Doppelmoral

Etwa ein Dutzend Menschen protestierte am Sonntag vor dem Zoo. Peter Sand¢e, Tierethiker von der Universität Kopenhagen, beklagte eine Doppelmoral: "Menschen neigen dazu, Tiere in Schubladen einzusortieren." Indem man den Zootieren Namen gebe, würden sie zu einem Begleiter. "Tieren auf Bauernhöfen geben wir keine Namen." Das gilt freilich nicht überall, aber die Kuh Else ist weniger bekannt.

Der Aufschrei, so Sand¢e, sei auch deshalb so groß, weil der Zoo die Tötung so offen kommuniziert habe. Die Giraffe wurde sogar vor den Augen kleiner und großer Zoobesuchern obduziert und dann in Teilen an die Löwen verfüttert. "Das ist eine provokante Methode, weil es vielerorts nicht politisch korrekt ist. Viele Zoos gehen nicht offen mit der Tötung von Überschuss-Tieren um."

Dänemark sei eine traditionelle Agrarnation und die Tierschutzbewegung längst nicht so stark ausgeprägt wie in Großbritannien oder den USA, erklärte Sand¢e. Einer der Gründe, weshalb die anfängliche Empörung im Land auch eher ins Gegenteil umgeschlagen ist.

Gibt es keine größeren Probleme?

Dass sich ein Milliardär bereit erklärte, dass Tier zu kaufen und in seinem Privatpark zu beherbergen, stieß in sozialen Medien auch auf viel Unverständnis. "Wie können sich die Menschen so über eine Giraffe ereifern, obwohl es Krebskrankheiten, den Krieg in Syrien und die (Anm.: zuwanderungsfeindliche) Dänische Volkspartei nach wie vor gibt?", fragte die Projektkoordinatorin Dorte Dejbjerg Arens auf Twitter.

Und der dänische Journalist Kristian Madsen von der Zeitung "Politiken" twitterte in Richtung der Empörten die Frage: "Was glauben die eigentlich, was Löwen an einem Tag ohne solch einen Leckerbissen wie Marius fressen? Rosenkohl?"

Debatte um Zuchtrate

Auch in Deutschland sterben Zootiere, wenn die Zucht zu gut läuft. "Vor allen Dingen im Huftierbereich verfüttern wir auch Tiere, wenn sie entweder für das Zuchtprogramm nicht gebraucht werden oder die Plätze, die zur Verfügung stehen, nicht genügen", erklärte der Direktor des Tiergartens Nürnberg, Dag Encke.

Der Deutsche Tierschutzbund wirft den Zoos vor, "nahezu unkontrolliert" zu züchten, "obwohl sie nicht ausreichend Platz für den Tiernachwuchs besitzen und nicht klar ist, was später mit diesem geschieht". Hätten die niedlichen Tiere ihre Rolle erfüllt, würden sie oft getötet oder verkauft.

Dass Marius' Tod so starke Reaktionen hervorgerufen habe, zeige, dass Menschen solchen Themen emotional begegneten, meint Encke. "Aber eine Giraffe zu verfüttern, ist im Grund nichts anderes, als ein Schwein zu keulen. Die Leidensfähigkeit der beiden Tiere ist identisch."

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