"Lautloser Killer" Hitzewelle – vier Grad heißer, Hunderte Tote

Geschätzt 2.300 Tote – und zwei Drittel davon gehen auf das Konto der Klimakrise. Das ist das Ergebnis einer Studie über die jüngste Hitzewelle.
Zehn Tage lähmende Hitze: Ein Forschungsteam aus Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz unter Federführung von Wissenschaftlern des Imperial College London hat die jüngste Hitzewelle analysiert, die Europa vom 23. Juni bis zum 2. Juli erfasste. Das Ergebnis: Diese Hitzewelle war "extrem" – und die Temperaturen lagen mit teils deutlich über 40 Grad erheblich über dem langjährigen Mittel.
Konkret nahmen die Forscher zwölf europäische Großstädte in den Blick, aus Deutschland war Frankfurt am Main dabei. Für die Analyse habe sich das Team auf eine anerkannte Methodik gestützt, sagt der renommierte Hamburger Klimatologe Jochem Marotzke, Direktor am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Marotzke sprach von einer "sehr gut gemachten Studie".
Vier Grad heißer wegen fossiler Energie
Für diese Studie verglich die Gruppe die tatsächlich in den Städten gemessenen Temperaturen in dem Zeitraum anhand eines Modells mit Werten, die ohne den Klimawandel erreicht worden wären. Für beide Szenarien errechnete das Team dann die Zahl der erwarteten Hitzetoten.
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Die Berechnungen ergaben, dass der menschengemachte Klimawandel die Temperaturen in den untersuchten Städten teilweise um bis zu vier Grad in die Höhe trieb. Das hatte den Forschern zufolge ernsthafte Folgen für die Gesundheit der Menschen. Die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in den zwölf Großstädten während der betrachteten zehn Hitzetage schätzt das Team auf insgesamt rund 2.300. Rund zwei Drittel davon sind laut der Studie auf den Klimawandel zurückzuführen.
Die Folgen: "unsichtbar, aber im Stillen verheerend"
Dass in der Öffentlichkeit über diese Toten bisher kaum diskutiert wurde, erklären die Forscher so: Hitzewellen würden keine Schneise der Verwüstung wie Flächenbrände oder Stürme hinterlassen, sagte Co-Autor Ben Clarke vom Imperial College London. "Ihre Folgen sind überwiegend unsichtbar, aber im Stillen verheerend." Die Hitze sei ein "lautloser Killer", konstatierte das Team. "Die meisten Todesfälle ereignen sich zu Hause oder in Krankenhäusern fernab der Öffentlichkeit und werden selten gemeldet", sagte Garyfallos Konstantinoudis vom Imperial College London.
Eine Differenz von nur 2 bis 3 Grad Celsius könne für zahlreiche Menschen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Die Zahl durch die Klimakrise zusätzlich gestorbenen Menschen schätzte das Team für Mailand auf 320, für Barcelona auf 286 auf, für Paris auf 235 und für London auf 171. Für Frankfurt am Main liegt die Zahl mit 21 zusätzlichen Todesopfern vergleichsweise niedrig. Grund ist, dass in Frankfurt die Durchschnittstemperatur der fünf heißesten Tage des Analysezeitraums mit 27,45 Grad eher am unteren Ende der Skala der untersuchten Städte lag.
Allerdings: Was den Temperaturanstieg betrifft, befindet sich Frankfurt unter den vier Städten, in denen die Werte durch die Ausbeutung fossiler Brennstoffe am weitesten nach oben schnellten. Den Wissenschaftlern zufolge war es in Frankfurt während der Hitzewelle im Vergleich zu einem hypothetischen Szenario ohne Klimawandel um schätzungsweise 3,52 Grad heißer.
"Der einzige Weg"
Als Folge des Klimawandels ist die globale Temperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits um 1,3 Grad gestiegen, wobei Europa gerade im Sommer stärker betroffen ist als andere Kontinente. Clarke verweist darauf, dass im Lauf des 21. Jahrhunderts 3 Grad Unterschied erreicht werden könnten, sofern die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle oder Gas nicht ende. Dies würde noch weit heftigere Hitzewellen mit sich bringen.
"Der einzige Weg zu verhindern, dass Hitzewellen noch tödlicher werden, besteht darin, das Verbrennen fossiler Kraftstoffe zu stoppen", betont Attributionsexpertin Friederike Otto vom Imperial College London. Zudem gelte es, erneuerbare Energien auszubauen, Städte hitzeresistenter zu gestalten und die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen zu schützen.
Unterdessen meldete das EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus, dass der vergangene Monat der heißeste Juni war, der je in Westeuropa gemessen wurde. Weltweit handelt es sich um den drittheißesten Juni überhaupt, wobei die bisherigen Höchstwerte aus den vergangenen beiden Jahren stammen.
Jedes Zehntelgrad Erwärmung hat weitreichende Folgen. Durch den fortschreitenden Klimawandel nehmen extreme Wetterphänomene wie Hitzeperioden, Stürme und Starkregen zu.
- imperial.ac.uk: "Climate change tripled heat-related deaths in early summer European heatwave"
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP