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Russischer Angriff auf die Ukraine: Krieg im Kriechgang


So kann sich Putin das nicht gedacht haben

Von dpa
23.08.2022Lesedauer: 5 Min.
Ukrainischer Soldat im SchΓΌtzengraben bei Mykolajiw: Nach sechs Monaten gibt es kaum noch Bewegung an den Frontlinien.
Ukrainischer Soldat im SchΓΌtzengraben bei Mykolajiw: Nach sechs Monaten gibt es kaum noch Bewegung an den Frontlinien. (Quelle: Alex Chan/imago images)
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Seit einem halben Jahr tobt der Krieg in der Ukraine: Die Situation gleicht mittlerweile einem blutigen Patt. Ein Ende ist nicht absehbar.

Nach sechs Monaten Krieg gegen die Ukraine kommen die russischen Truppen nur im Kriechgang voran – und mΓΌssen auch spektakulΓ€re GegenschlΓ€ge hinnehmen. So kann sich PrΓ€sident Wladimir Putin den Kriegsverlauf nicht vorgestellt haben, als seine Panzertruppen am 24. Februar die Grenze ΓΌberschritten.

Binnen Stunden Γ€nderte sich das sicherheitspolitische GefΓΌge in Europa: Die Nato aktivierte noch am selben Tag VerteidigungsplΓ€ne fΓΌr Osteuropa, EU-Sanktionspakete wurden beschlossen und dann auch eine "Zeitenwende" in Deutschland mit 100 Milliarden Euro fΓΌr die Bundeswehr.

Regierungen und MilitΓ€rexperten, die zu Beginn eine Niederlage der Ukraine binnen weniger Wochen vorhergesagt hatten, lagen gewaltig daneben. Inzwischen gleicht die Situation einem blutigen Patt. Daraus kΓΆnnte – so sagen es Diplomaten – ein Krieg werden, der noch Jahre dauert, mit weiteren schweren Grausamkeiten und schlimmen Verbrechen an der ZivilbevΓΆlkerung.

Russischer Angriff in Charkiw: Die Stadt im Nordosten steht immer wieder unter Beschuss.
Russischer Angriff in Charkiw: Die Stadt im Nordosten steht immer wieder unter Beschuss. (Quelle: Felipe Dana/AP/dpa/dpa-bilder)

Kiew: 9.000 getΓΆtete Soldaten in den eigenen Reihen

Die ukrainische MilitΓ€rfΓΌhrung berichtete am Montag von 9.000 getΓΆteten Soldaten in den eigenen Reihen. Beobachter gehen mit Blick auf frΓΌhere Γ„ußerungen aus Kiew allerdings von deutlich hΓΆheren Zahlen aus. Bei den russischen StreitkrΓ€ften soll es nach ukrainischen Angaben schon mehr als 45.000 Tote geben. ÜberprΓΌfbar ist das nicht. Moskau selbst macht schon lange keine Angaben mehr zu seinen Verlusten.

Die russischen Einheiten kommen kaum voran. Sie verhinderten bei Vorstâßen in ukrainisch kontrollierte Gebiete nicht, dass sich die Verteidiger neu gruppierten, wie MilitÀrexperten des Institute for the Study of the War aus den USA bilanzieren. Und: "Die russischen KrÀfte werden wahrscheinlich weiterhin nicht genug Ressourcen für einzelne Offensiven bereitstellen kânnen, wie sie für bedeutsame Gebietsgewinne nâtig sind, aus denen einen operativer Erfolg wird."

Kiew stellt Vertreibung der Angreifer in Aussicht

Die vom Westen mit Milliarden und schweren Waffen unterstΓΌtzte FΓΌhrung in Kiew stellt der BevΓΆlkerung eine Vertreibung der russischen Angreifer in Aussicht. "Wir haben die russische Armee aus den nΓΆrdlichen Gebieten verjagt. Wir haben die Besatzer von unserer Schlangeninsel vertrieben. Sie spΓΌren bereits, dass es Zeit ist, aus Cherson und ΓΌberhaupt aus dem SΓΌden unseres Staates zu verschwinden", versprach PrΓ€sident Wolodymyr Selenskyj Mitte August. "Es wird die Zeit kommen, dass sie aus dem Gebiet Charkiw verschwinden, aus dem Donbass, von der Krim ..."

Trotzdem musste auch Selenskyj zugeben, dass inzwischen rund 20 Prozent des Staatsgebiets – die Krim eingeschlossen – nicht mehr unter ukrainischer Kontrolle steht. Aus dem Kreml kommen unverΓ€ndert Behauptungen, alles laufe nach Plan. Die Ziele der "militΓ€rischen Spezialoperation", wie der Krieg in Russland offiziell nur heißt, wΓΌrden in vollem Umfang erreicht. "Ohne Zweifel."

Was genau die Ziele sein sollen, ist aber auch vielen Russen nicht mehr klar. Die Sanktionen setzen ihrer Wirtschaft schwer zu. Die Nato, die zurΓΌckgedrΓ€ngt werden sollte, ist stattdessen auf dem Vormarsch: Finnland und Schweden kommen nun auch in die MilitΓ€rallianz.

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Putin zensiert den Krieg

Die große Mehrheit der Russen blendet den Krieg aus. Putin spricht als Oberbefehlshaber immer wieder vom Ziel der "Befreiung" des Donbass. Die Bilder von Tod und Zerstârung, die auch viele Russen trotz gesperrter Internetseiten und Zensur in den Staatsmedien kennen, lassen aber am Sinn der Invasion zweifeln. Zum Donbass gehâren das Gebiet Luhansk, das die Ukraine nicht mehr kontrolliert, und die Region Donezk, wo Moskau nach EinschÀtzung unabhÀngiger russischer Experten bisher etwas über 60 Prozent des Gebiets erobert hat, seit Wochen jedoch ohne merklichen Fortschritt.

Was aber mit den eroberten Teilen der Gebiete Cherson, Charkiw und Saporischschja geschehen soll, dazu gibt es keine klaren Ansagen des Kremls. Diskutiert werden immer wieder "Volksabstimmungen" ΓΌber einen Beitritt zu Russland, ohne dass es ein Datum gibt.

Experte: Kreml plant bis Jahresende

Die ganze "Operation" liegt nach einer Analyse des Experten Andrej Perzew deutlich hinter dem Zeitplan. Moskau schΓ€tze die Lage immer wieder falsch ein. "Im Kreml hoffen sie, dass die russischen StreitkrΓ€fte bis Dezember / Januar das Donezker Gebiet doch noch komplett einnehmen, ohne dabei die Kontrolle ΓΌber die schon okkupierten Territorien zu verlieren", schrieb Perzew fΓΌr das Internetportal "Meduza".

Russische Abgeordnete und MilitΓ€rs betonen zwar, dass der gesamte SΓΌden abgetrennt werden solle – also auch die Hafenstadt Odessa. Der Kreml bestΓ€tigt das aber nicht. Durch einen russischen Korridor bis zur Ex-Sowjetrepublik Moldau verlΓΆre die Ukraine den Zugang zum Schwarzen Meer und wΓΌrde zum Binnenland.

Die Ausdehnung der russischen Armee in der Ukraine
Die Ausdehnung der russischen Armee in der Ukraine (Quelle: ha)

Aber selbst vielen Russen ist klar, dass nichts lÀuft, wie es sollte. Zwar plakatieren StÀdte und Regionen Aufrufe, sich sogenannten Freiwilligenbataillonen anzuschließen. Aber der personelle Nachschub für die Front kommt nicht zusammen, wie selbst russische Zeitungen offen schreiben. Zudem wehren sich Angehârige der Sicherheitsorgane bisweilen auch vor Gericht dagegen, in den Krieg zu ziehen.

Dabei locken fΓΌr russische VerhΓ€ltnisse vergleichsweise hohe Monatseinkommen von 100.000 Rubel (rund 1.700 Euro) und mehr. Auch in GefΓ€ngnissen wird rekrutiert – mit dem Versprechen eines spΓ€teren Lebens in Freiheit. Immer wieder gibt es Berichte, wonach etwa der von den USA zur Fahndung ausgeschriebene und auch von der EU mit Sanktionen belegte GeschΓ€ftsmann Jewgeni Prigoschin in den Straflagern auf die Suche nach KΓ€mpfern geht (hier lesen Sie mehr). Der Mann mit gutem Draht zu Putin gilt als Finanzier der international tΓ€tigen SΓΆldnergruppe "Wagner", die fΓΌr viele Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht wird.

"Die Kampfhandlungen sind in der Sackgasse"

Nach einem halben Jahr sieht auch das russische Internetportal "Meduza" in einer großen Analyse eine Pattsituation. "Die Kampfhandlungen sind in der Sackgasse, aber ein Einfrieren des Konflikts ist weder für Moskau noch für Kiew von Vorteil." Niemand wolle nachgeben und Verlierer sein. "Ihre politischen Ziele bringen beide Seiten dazu, ihren Einsatz zu erhâhen für einen noch grâßer angelegten Krieg."

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Putin hatte zuletzt auch gesagt, dass Russland noch nicht einmal richtig losgelegt habe. Die große Mehrheit der Russen ist überzeugt, dass er alles tut, um eine Niederlage zu verhindern. Durch eine Generalmobilmachung kânnte der Kremlchef aus der "MilitÀroperation" einen auch für Russland richtigen Krieg machen, den er dann auch so nennen müsste. Die Sorge, er kânne eine Eskalation mit den Nato-Staaten im Baltikum suchen, hat sich bisher aber nicht bestÀtigt.

Das BΓΌndnis sei kaltstartfΓ€hig und verteidigungsbereit, sagte kΓΌrzlich der deutsche Generalleutnant JΓΌrgen-Joachim von Sandrart, Kommandierender General der Nato-Bodentruppen in Nordosteuropa. Er ist auch fΓΌr die Grenzgebiete zu Russland, Belarus und der Ukraine zustΓ€ndig. "Die Prozesse sind festgelegt. Wenn es zu einem Angriff kommt, wird sofort militΓ€risch reagiert", erlΓ€uterte Sandrart in einem Videointerview der Bundeswehr. "Und jeder Angriff wird sofort militΓ€risch beantwortet und auch zurΓΌckgeschlagen."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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