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FSB-Spitzel packt aus: So arbeitet die russische Stasi


"Ich hatte große Angst"
Ex-FSB-Spitzel packt aus: So arbeitet die russische Stasi


Aktualisiert am 29.08.2022Lesedauer: 3 Min.
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FSB-Agenten nehmen einen Mann fest: "Ich war nicht bereit, ins Gefängnis zu gehen". (Quelle: IMAGO/FSB)

Michail Sokolow hat jahrelang Freunde und zuletzt den Oppositionellen Alexej Nawalny ausgehorcht. Jetzt hat er sich in den Westen abgesetzt.

Michail Sokolow war 19, als der russische Geheimdienst FSB ihn als inoffiziellen Mitarbeiter rekrutierte, auf einer Polizeistation in seiner Heimatstadt Wotkinsk 1.300 Kilometer östlich von Moskau. Dort hatte sich Sokolow mit YouTube-Videos schon einen Namen gemacht – als lokaler Aktivist gegen Korruption. "Ich hatte große Angst vor den Sicherheitsbehörden und war nicht bereit, ins Gefängnis zu gehen", berichtet Sokolow jetzt, sechs Jahre später, dem britischen "Guardian".

Unter dem Vorwand, er habe sich dem Wehrdienst entzogen, habe ihm der Geheimdienst zwei Jahre Haft angedroht. Unter diesem Druck habe er sich bereit erklärt, den FSB über oppositionelle Aktivitäten und geplante Demonstration in der 100.000-Einwohner-Stadt Wotkinsk zu unterrichten, berichtet Sokolow. Ein- bis zweimal im Monat habe er von nun an seine Führungsoffiziere getroffen, meist auf irgendeinem abgelegenen Parkplatz. "Sie haben mich immer wie einen Freund behandelt und ich habe zurückgelächelt", sagt er. "Aber eigentlich dachte ich nur: Ihr Typen seid Wichser."

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Sokolow spionierte auch Alexej Nawalny aus

Häufig hätten die FSB-Offiziere von ihm auch kompromittierendes Material über Beamte oder Geschäftsleute verlangt, um diese erpressen zu können, sagt Sokolow. Manchmal habe er sich auch als Doppelagent betätigt, um befreundete Aktivisten vor einer drohenden Verfolgung zu warnen: "Dann habe ich ihnen gesagt, dass die Sicherheitsbehörden sich für sie interessieren und sie vorsichtig sein sollen", behauptet Sokolow, der inzwischen in den Niederlanden lebt.

Der "Guardian" räumt ein, dass sich nicht alle Details aus Sokolows Bericht bestätigen ließen. Der 25-Jährige habe der Redaktion aber Chatverläufe mit seinen FSB-Offizieren gezeigt. Außerdem hätten zwei Mitarbeiter des inhaftierten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny bestätigt, dass Sokolow sich bei ihnen gemeldet und die Spitzelei für den FSB gestanden habe. Als Freiwilliger arbeitete Sokolow von 2017 bis 2021 für Nawalny, bevor er einen bezahlten Job als Ermittler in dessen Organisation gegen Korruption erhielt. "Der FSB wollte wissen, wo Nawalnys Mittel herkommen, wer für alles bezahlte", erinnert sich Sokolow.

Sokolow wollte für die Ukraine kämpfen

Unklar ist, welche Rolle Sokolows Informationen bei der Verfolgung Nawalnys und dessen Organisation Anfang 2021 spielten. Sokolow glaubt: keine große. "Ich hatte gar keinen Zugang zu wichtigen Dokumenten, ich wusste nicht einmal, wie viel meine Chefs eigentlich verdienten." Das bestätigte dem "Guardian" ein damaliger Kollege Sokolows. "Meinetwegen ist kein einziger Strafprozess gegen ihn in Gang gekommen", sagt er selbst. Seine Chance zur Flucht aus Russland sah Sokolow, nachdem Nawalnys Organisation Mitte 2021 zerschlagen war.

Wie er es schildert, sah der FSB in diesem Moment keine Verwendung mehr für ihn in Russland und schickte ihn stattdessen in die georgische Hauptstadt Tiflis, um dort die Exil-Opposition auszukundschaften. Nach dem Überfall auf die Ukraine am 24. Februar habe er dort aber die Verbindungen zum FSB gekappt und sich der Free Russia Foundation angeschlossen, die im georgischen Exil Proteste gegen das Putin-Regime organisierte. "Ich dachte schon vor dem Einmarsch, dass ich nicht gerade eine gute Person bin, aber danach fühlte ich mich nur noch elend", sagt Sokolow dem "Guardian".

Zusammen mit einem Freund sei er zunächst nach Istanbul gegangen, um sich der ukrainischen Armee anzuschließen. Diese hätte sich aber geweigert, russische Staatsbürger in die internationale Legion aufzunehmen. "Ich wollte in diesem beschissenen Krieg gegen Russland kämpfen, vielleicht weil ich mich wegen der FSB-Geschichte schuldig fühle", sagt Sokolow. Als die Situation in Georgien für Oppositionelle wie ihn zu gefährlich wurde, sei er in die Niederlande gereist, um politisches Asyl zu beantragen. "Wegen dieses schrecklichen Krieges werden wir noch mehr Geschichten wie meine hören."

Verwendete Quellen
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