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Ukraine-Krieg | Putin sucht Sündenbock für militärische Rückschläge in Charkiw


Nach Rückzug aus Charkiw
Wird Verteidigungsminister Schoigu Putins Sündenbock?

Von t-online, wan

Aktualisiert am 15.09.2022Lesedauer: 3 Min.
Putin und sein Verteidigungsminister Schoigu bei einer Militärparade im Jahr 2015.Vergrößern des BildesPutin und sein Verteidigungsminister Schoigu bei einer Militärparade: Experten sehen derzeit Aufruhr im Kreml wegen des Rückzugs einiger Truppenteile. (Quelle: Alexander Aksakov/Getty Images)
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In Russland läuft die Suche nach einem Schuldigen für die militärischen Rückschläge. Experten sehen Bemühungen, Putin aus der Schusslinie der Kritik zu nehmen.

Im Kreml sucht man offenbar nach einem Verantwortlichen für die militärischen Verluste in der Region Charkiw im Ukraine-Krieg. Nach Einschätzung der amerikanischen Denkfabrik "Institute for the Study of War" (ISW) wird im Umfeld des russischen Präsidenten jetzt daran gearbeitet, "Putin von jeglicher Verantwortung für die Niederlage zu befreien" und stattdessen "unzureichend informierten Militärberatern" die Schuld für den Verlust des fast gesamten besetzten Gebiets Charkiw zu geben.

Ein Mitglied des Kreml-Rates für interethnische Beziehungen, Bogdan Bezpalko, hatte im russischen Fernsehen gefordert, dass die verantwortlichen Militärs "ihren Kopf auf den Schreibtisch" des Kremlchefs legen sollten. Putin selbst soll nach dem Debakel in Charkiw ein Treffen mit seinen Befehlshabern zunächst vermieden haben, so das ISW.

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Die russische Führung hatte bestätigt, dass sich Truppenteile aus einigen Gebieten in der Ukraine zurückziehen, erklärte dies aber mit einer Regruppierung. Die ukrainischen Truppen hatten mit ihrer Gegenoffensive die russischen Truppen zum Rückzug aus der ukrainischen Region Charkiw gedrängt.

Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, hatte am Samstag in Moskau erklärt, Soldaten sollten etwa aus der strategisch wichtigen Stadt Isjum abgezogen werden. Auch aus der Stadt Balaklija, die die Ukrainer in der vergangenen Woche als befreit gemeldet hatten, rückten die russischen Truppen ab.

ISW: Kritik soll auf Verteidigungsministerium gelenkt werden

Die Tatsache, dass überhaupt ukrainische Fortschritte im Kreml bestätigt werden, ist für das ISW ein Zeichen für eine Veränderung. "Das Eingeständnis der Niederlage durch den Kreml ist Teil der Bemühungen, die Kritik an einem so verheerenden Scheitern vom russischen Präsidenten Wladimir Putin abzuschwächen und auf das russische Verteidigungsministerium (MoD) und das uniformierte Militärkommando abzulenken", so die Analysten des amerikanischen Thinktanks.

"Es ist jetzt sehr wahrscheinlich, dass Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu Putins Sündenbock wird", zitierte der US-Fernsehsender CNBC einen Analysten. "Dies ist eine peinliche Niederlage für die Russen", meinte Samuel Ramani, ein geopolitischer Analyst und Associate Fellow am Royal United Services Institute, ebenfalls bei CNBC. Er fügte hinzu, dass es in Moskau Versuche geben würde, das russische Verteidigungsministerium für das Versagen des Feldzugs in der Ukraine verantwortlich zu machen.

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"Es brodelt um Putin herum"

Ramani sieht aber derzeit keine Gefahr, dass der Verteidigungsminister um sein Amt bangen muss. "Putin wird Schoigu behalten, um die Kritik und die Hitze zu ertragen, während er weiterhin Kommandeure auf niedrigerer Ebene mischt und feuert. Wir haben bereits gesehen, dass in sechs Wochen zwei Kommandeure allein im westlichen Militärbezirk entlassen wurden … Also ist Putin jetzt nicht schwach, die Kritik geht nicht an ihn, sie geht an das Verteidigungsministerium", sagte Ramani bei CNNC.

Auch der Historiker Adam Tooze sieht den Druck auf den russischen Machthaber wachsen. "Es ist im Moment sehr schwer abzusehen, wie Moskau auf das militärische Desaster um Charkiw reagieren wird. Es gibt Anzeichen, dass es um Putin herum brodelt. Im Moment sind vermutlich aber weder Moskau noch Kiew an Verhandlungen interessiert", sagte er im Interview mit t-online.

Kritik an Putin auch aus Russland

Die Kritik an Putin ist in den vergangenen Tagen lauter geworden. Selbst der sonst so loyale Tschetschenen-Führer Ramsan Kardyrow sah Fehler in der Militäroperation. "Wenn nicht heute oder morgen Änderungen an der Durchführung der militärischen Spezialoperation vorgenommen werden, bin ich gezwungen, zur Staatsführung zu gehen, um ihr die Lage vor Ort zu erklären", sagte Kadyrow auf Telegram. In der Audionachricht sprach er von "Fehlern", die gemacht worden seien. Lesen Sie hier mehr dazu.

Und selbst in den Reihen russischer Politiker wird der Ton deutlicher. "Wir finden, dass die Handlungen von Präsident W. W. Putin Russlands Zukunft und seinen Bürgern schaden", schrieb Xenia Torstrem, Abgeordnete eines St. Petersburger Bezirksrats, am Dienstagmorgen auf Twitter.

Sie veröffentlichte eine Petition für den Rücktritt des Präsidenten, die bislang von mehr als 40 Lokalpolitikern aus insgesamt 18 Bezirken der Ostseemetropole St. Petersburg sowie der Hauptstadt Moskau unterzeichnet worden sein soll. Schon vergangene Woche gab es Gegenwind aus einem Moskauer Stadtbezirk. "Alles ist schiefgelaufen", kritisierten Vertreter aus Lomonossow den Kremlchef. Hier lesen Sie, wie eine Expertin die zunehmende Kritik an der russischen Kriegsführung einschätzt.

Zumindest am heutigen Donnerstag wird Wladimir Putin sich eher außenpolitisch engagieren. Erstmals seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar will der chinesische Staatschef Xi Jinping bei einem Gipfeltreffen im usbekischen Samarkand mit ihm zusammenkommen. China gibt Putin politische Rückendeckung und stellt die USA und die Nato als Hauptschuldige des Krieges dar.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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