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1000 Tage Ukraine-Krieg: Fragen, die den Sieg entscheiden


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1.000 Tage Angriff auf die Ukraine
Hier entscheidet sich Putins Krieg


Aktualisiert am 20.11.2024Lesedauer: 5 Min.
Ukrainische Artillerie: Mit Nadelstichen soll die russische Armee zermürbt werden, sagt Militärexperte Marcus Keupp.Vergrößern des Bildes
Ukrainische Artillerie (Archivbild): Russland hat das Land vor 1.000 Tagen angegriffen. (Quelle: Sofiia Gatilova/reuters)

Ob die Ukraine den Krieg gewinnen kann, hängt von einzelnen Kämpfen ab. Aber auch davon, wer bei Logistik oder Technologie die Oberhand hat.

Am Dienstag vor genau 1.000 Tagen, am 24. Februar 2022, hat Russland seinen großangelegten Angriff auf die Ukraine begonnen. Seitdem kämpfen beide Seiten mit nicht nachlassender Härte. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Dienstag in Kiew: "Wir dürfen nicht zulassen, dass irgendjemand in der Welt an der Widerstandsfähigkeit unseres gesamten Staates zweifelt." Kremlsprecher Dmitri Peskow kündigte derweil in Moskau an, der russische Einsatz werde "weitergehen und abgeschlossen".

Wer am Ende gewinnt, hängt davon ab, ob die Ukraine ihre Kriegslogistik aufrechterhalten und die Truppen versorgen kann. Davon, ob Russland langfristig genug Material und Soldaten bereitstellen kann. Von den Zermürbungskämpfen, die an vielen Frontabschnitten toben – besonders in den Wintermonaten. Und schließlich davon, wer technologisch überlegen ist.

Eine Übersicht.

Wer gewinnt die Zermürbungskämpfe?

Auch nach 1.001 Tagen gibt es Kämpfe in vielen Teilen des Landes. Es sind zermürbende Auseinandersetzungen, die viele Opfer fordern und bei denen es am Ende nur darum geht, wer den längeren Atem hat.

Die Verluste auf beiden Seiten sind massiv, doch die Zahlen variieren stark: Russland meldet mehr als 900.000 getötete oder verletzte ukrainische Soldaten. Die Ukraine schätzt die russischen Opfer auf 722.000, die Nato auf mehr als 600.000, darunter 200.000 Tote und 400.000 Verwundete. Zu eigenen Verlusten macht die Ukraine keine Angaben.

Zuletzt hat Moskau die Luftangriffe auf ukrainische Städte intensiviert. Ein Brennpunkt dieser Angriffe: die Donbass-Region im Osten der Ukraine. In Pokrowsk gibt es Gefechte, jedoch ohne nennenswerte Geländegewinne für die russischen Angreifer. Rund um die ostukrainische Stadt Kurachowe sieht es jedoch anders aus: Dort rücken russische Truppen aus mehreren Richtungen stetig vor. Sie hätten die Siedlung Nowoseliwka nördlich der Stadt bereits erobert, erklärte am Dienstag das russische Verteidigungsministerium.

Und auch etwas weiter nördlich, in der Charkiw-Region, hat die Ukraine große Probleme, gegen die Angreifer anzukommen. Russische Panzer brachen vorübergehend in die strategisch wichtige Stadt Kupjansk ein. Sie zogen sich danach zwar wieder zurück.

Doch Militärbeobachter wie Jan Matwejew warnten: Angriffe wie die auf Kupjansk könnten sich wiederholen, und dieses Mal in größerem Maße. Und: Die Verteidigung der Ukraine hätte hier erschreckend schlecht funktioniert.

Kann die Ukraine ihre Kriegslogistik sichern?

Nachschubwege und logistische Hotspots der Ukraine sind immer wieder Ziel russischer Angriffe. Das trifft das Land besonders hart. Die geschätzten Kriegsschäden in der Ukraine liegen bei mehr als 750 Milliarden Euro. Darunter ist auch die kaputte Infrastruktur: Straßen, Brücken, Flughäfen, Umspannwerke.

Dass es Teil der russischen Strategie ist, die ukrainische Kriegslogistik zu zerstören, zeigen auch die aktuellen Angriffe auf Kupjansk: Die Stadt ist ein zentraler Eisenbahnknotenpunkt in der Region Charkiw. Über solche Punkte werden auch Waffen, Munition oder andere militärische Güter an die Front gebracht.

Zusätzlich erschweren weitere russische Angriffe auf die Energieinfrastruktur die Lage. Erst am Wochenende wurde kritische Infrastruktur in den Regionen Saporischschja und Krywyj Rih im Südosten der Ukraine beschädigt. Stromausfälle sind die Folge von solchen Angriffen. Das belastet nicht nur das Alltagsleben vieler Menschen. Es kann vor allem verursachen, dass die ukrainische Armee Probleme mit Kommunikationssystemen hat, militärische Einrichtungen nicht richtig betreiben oder Waffensysteme nicht steuern, warten oder gar betreiben kann.

Schwächt die Ukraine Russlands Versorgung?

Auch die Ukraine versucht, die Versorgungswege ihres Angreifers Russland zu schwächen. Sie nimmt zu diesem Zweck etwa russische Waffenlager, Militärbasen, Flughäfen der Armee und Rüstungsfirmen ins Visier.

Das Land hat etwa Ziele in den russischen Regionen Kursk und Belgorod getroffen. Dort halten ukrainische Truppen weitere Ortschaften besetzt. Die Russen wollen sie wieder vertreiben: mit 50.000 Soldaten, darunter auch etwa 10.000 nordkoreanische Kämpfer, so Nato und USA. Der scheidende US-Präsident Joe Biden soll auch deshalb der Ukraine erstmals erlaubt haben, taktische Raketen des Typs ATACMS mit einer Reichweite von mehreren Hundert Kilometern gegen Ziele in Russland einzusetzen.

Video | Hier schießt die Ukraine die ersten ATACMS ab
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Quelle: t-online

Mittlerweile ist die ukrainische Armee mit Drohnen auch ins russische Inland vorgedrungen. Kürzlich hat sie etwa eine Chemieanlage nahe Moskau getroffen. Selbst auf dem russischen Militärflugplatz Engels-2 in der Region Saratow gab es zuletzt Explosionen. Es war erst nicht klar, wer sie verursacht hat. Laut der ukrainischen Nachrichtenagentur RBC könnte es aber ein ukrainischer Angriff sein.

Schon einmal sollen auf dem Flugplatz zwei ukrainische Drohnen abgeschossen worden sein. Dort stationiert Russland offenbar Bomber, die nukleare und konventionelle Langstreckenangriffe ausführen können und auch schon Ziele in der Ukraine getroffen haben.

Video | Russland: Heftige Explosionen in Grenzregion
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Quelle: t-online

Wer hat bei der Technologie die Oberhand?

Am Ende könnte auch entscheidend sein, wer die beste Technologie hat. Denn die Ukraine hat zwar moderne Waffensysteme aus Nato-Beständen, die präziser und zuverlässiger sind als viele russische Modelle: darunter etwa Leopard-2-Panzer und präzise Panzerhaubitzen 2000. Doch Russland verfügt über ein größeres Arsenal – wenn auch aus teilweise älteren sowjetischen Modellen wie dem T-80-Panzer und Grad-Mehrfachraketenwerfersysteme.

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Die Ukraine hat aber vor allem ein Ass im Ärmel: autonome Waffensysteme. Sie setzt schon seit einiger Zeit Drohnen ein, die von Piloten geflogen werden und russische Gegner ausschalten. Doch mittlerweile hat sie immer mehr weitgehend selbstständig agierende Systeme. Auch Deutschland liefert der Ukraine autonome Waffensysteme zur Verteidigung. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat etwa die Lieferung von 4.000 sogenannten Strike-Drohnen angekündigt. Lesen Sie hier mehr dazu.

Glaubt man Verteidigungsexperte Greg Melcher, entwickelt die Ukraine selbst viel an autonomen Waffen und könnte bald führend sein. "In weniger als einem Jahr werden autonome Tötungsmaschinen entwickelt worden sein", sagte Melcher dem "Tagesspiegel". Ihm zufolge könnte sie dadurch im Krieg einen großen Vorteil erlangen. Lesen Sie hier mehr dazu.

Nach Melchers Einschätzung sind Hunderte ukrainische Firmen an der Entwicklung solcher Waffensysteme beteiligt – mit beispielloser Geschwindigkeit. "Sie sind der Welt voraus", sagt der Experte. Sie seien "besser, schneller und agiler als das riesige und oft schwerfällige russische System". Die existenzielle Bedrohung ihres Landes zwinge sie zu außergewöhnlichen Anstrengungen, die ohne diese Motivation kaum möglich wären.

Wer übersteht die Winterkälte?

Doch der Winter könnte mögliche Vorteile der Ukraine zunichtemachen, glauben Experten. Denn viele ukrainische Drohnen können bei heftigen Winden, Regen und schlechter Sicht nicht fliegen. Und: Noch immer fehlt den ukrainischen Verteidigern im Osten des Landes viel Artilleriemunition, die flugunfähige Drohnen zumindest teilweise ersetzen könnte. Lesen Sie hier mehr dazu.

Schon jetzt regnet es im Osten der Ukraine seit Tagen immer häufiger. In den kommenden Tagen und Wochen prognostizieren Meteorologen den Beginn der berüchtigten Schlammsaison, die als fünfte Jahreszeit in der Ukraine gilt. Die geht in der Regel bis Mitte Dezember und hat große Auswirkungen auf die Kriegsführung. Denn schwere Radfahrzeuge sind nahezu nutzlos, wenn sie im Schlamm einsinken.

Sobald der Winter richtig einsetzt, es schneit und kalt wird, wird es noch komplizierter. Was die kalte Jahreszeit bedeuten kann, hat die Ukraine schon vergangenes Jahr erlebt, als viele Menschen unter zerstörter Infrastruktur, Stromausfällen und fehlender Heizung gelitten haben – und Russland eine weitreichende Winteroffensive gestartet hatte. Diese Offensive haben Militärexperten zwar als wenig erfolgreich bezeichnet, doch dieses Jahr könnte es anders sein. Es stehen nur noch etwa 30 Prozent der ukrainischen Energieversorgung. Und Russland setzt die Zerstörung des ukrainischen Energiesektors weiter fort.

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