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Nach Brand: Kritische Reaktionen auf Moria-Plan "Wer kann muss helfen"


Nach Brand in Flüchtlingslager
Reaktion auf Moria-Plan: "Wer kann, muss helfen. Und wir können."


Aktualisiert am 11.09.2020Lesedauer: 3 Min.
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Ein Junge sitzt vor Polizisten und beobachtet einen Protest von Migranten: Auf Lesbos soll ein neues provisorisches Flüchtlingslager aufgebaut werden.Vergrößern des Bildes
Ein Junge sitzt vor Polizisten und beobachtet einen Protest von Migranten: Auf Lesbos soll ein neues provisorisches Flüchtlingslager aufgebaut werden. (Quelle: Socrates Baltagiannis/dpa)

Nach der Zerstörung des Migrantenlagers Moria durch ein Feuer hat die Bundesregierung beschlossen, 150 Menschen aus dem Lager aufzunehmen. Viele Städte und Organisationen halten das für unzureichend.

Der Bund hat am Freitag seinen Moria-Plan bekannt gegeben. Demnach soll Deutschland 150 Minderjährige aus dem niedergebrannten Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos aufnehmen. Das hat zu heftigen Reaktionen geführt, nicht nur im Netz. Schon seit dem Ausbruch des Feuers im Lager streiten einzelne Regionen darüber, wie man den Menschen vor Ort helfen könnte.

Bei dem Feuer in der Nacht zum Mittwoch wurde das Migrantenlager auf der Insel Lesbos fast vollständig zerstört, in der Folgenacht flammten erneut Brände auf. In Moria waren statt der vorgesehenen knapp 3.000 Menschen mehr als 12.000 untergebracht. Die griechische Regierung erteilte einer schnellen Verlegung weiterer Flüchtlinge eine Absage und stellte gezielte Brandstiftung als Auslöser fest.

Empört über die Pläne der Bundesregierung haben etwa in Hamburg die Flüchtlingsorganisation Seebrücke Hamburg und die Linken reagiert. "13.000 Menschen seit Jahren im Dreck und in der Hoffnungslosigkeit leben zu lassen, war schon zutiefst inhuman und zynisch", sagte Lea Reikowski von der Seebrücke Hamburg. Bei 150 minderjährigen Flüchtlingen für ganz Deutschland bedeute dies für Hamburg, dass die Hansestadt gerade einmal drei bis vier Kinder aufnehmen müsse, kritisierte die Linksfraktion der hamburgischen Bürgerschaft. Deren flüchtlingspolitische Sprecherin Carola Ensslen forderte vom Senat ein Bekenntnis zur Aufnahme von mindestens 1.000 Geflüchteten aus Moria.

Auch der Berliner Senat kritisiert den Moria-Plan der Bundesregierung scharf. "Mit Blick auf das Leid der Menschen in Moria sind diese Zahlen beschämend gering", sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. "Ich habe immer gesagt: Deutschland kann mehr. Wer kann, muss helfen. Und wir können." Es sei unabdingbar, dass Deutschland seine EU- Präsidentschaft nutze, um endlich zu einer europäischen Lösung in der Flüchtlingspolitik zu kommen. "Es liegt in unserer Verantwortung", so Geisel.

"Könnten mehr leisten"

Mehr könnte nach Einschätzung der niedersächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Immacolata Glosemeyer auch die Stadt Wolfsburg leisten. Hier verfüge man über ein dichtes Netz an engagierten und hilfsbereiten Menschen und Organisationen, die bereits gute Erfahrungen mit der Aufnahme von Geflüchteten gemacht hätten, erklärte sie bereits am Donnerstag. Zudem sei die räumliche Infrastruktur der Stadt derzeit nicht voll ausgelastet. Schon vor geraumer Zeit hatte auch das Land Niedersachsen angeboten, eine größere Zahl von Geflüchteten aus Moria aufzunehmen.

Die Stadt Rostock teilte am Freitagnachmittag mit, dass sie bereit ist, bis zu 50 Flüchtlinge aufzunehmen. Dieses Angebot sei der Landesregierung übermittelt worden, so die Stadt. "Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn in Europa Menschen um ihr Überleben kämpfen", sagte Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos). Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte bereits die Hilfsbereitschaft der Landesregierung bekundet.

Schnelle und unbürokratische Hilfe forderte auch der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) vom Bundesinnenminister Horst Seehofer, wie er dem SWR sagte. Auf Lesbos herrsche größte Not, so Kuhn.

Ausbreitung von Corona ausbremsen

Rheinland-Pfalz will etwas gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie unter den Flüchtlingen tun. Dazu will die Mainzer Landesregierung die Betroffenen mit 125.000 Mund-Nasen-Schutz-Masken und 12.500 Liter Desinfektionsmittel versorgen. Um die Ausrüstung so schnell wie möglich zu den Menschen zu bringen, organisierte die Landesregierung in Mainz in Zusammenarbeit mit dem Flugdienst Condor einen kurzfristigen Charterflug, teilte das Gesundheitsministerium am Freitag mit. "Angesichts der schrecklichen Notlage der Menschen in Moria bedarf es einer unmittelbaren Hilfe für die Menschen vor Ort", erklärte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Nach Einschätzung des Mainzer Sozialmediziners Gerhard Trabert sind mehrere hundert Menschen unter den Flüchtlingen auf Lesbos mit dem Coronavirus infiziert.

In Deutschland wird die Diskussion um Moria deutlich intensiver geführt als in anderen EU-Staaten. Aktuell wären 64 Kommunen und Landkreise ausdrücklich bereit, im Mittelmeer aus Seenot gerettete Migranten aufzunehmen. Es ist anzunehmen, dass diese generelle Bereitschaft zur Aufnahme von Migranten aus Griechenland sich in der gleichen Größenordnung bewegt.

Dass die Kommunen jedoch nicht selbst entscheiden können, ob und wie viele Geflüchtete sie aufnehmen, liegt an § 23 des Aufenthaltsgesetzes. Hier ist festgelegt, dass die Länder bestimmten Ausländergruppen nur dann eine Aufenthaltserlaubnis erteilen dürfen, wenn das Bundesinnenministerium zustimmt. Diese Zustimmung hat der Bundesminister des Innern den Ländern bisher verweigert.

Bundesweit erhöhen die Kommunen den Druck auf Seehofer jedoch immer weiter. Das letzte Wort in der Frage um die Aufnahme von Geflüchteten aus Moria dürfte also noch nicht gesprochen sein.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der dpa
  • Eigene Recherche
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