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"Frieden schaffen": Sind die Forderungen der Initiative realistisch?


Ehemalige Politiker fordern Waffenstillstand
Wann tritt Hannovers SPD endlich aus Putins Schatten?

  • Patrick Schiller ist t-online Regio Redakteur in Hannover.
MeinungVon Patrick Schiller

Aktualisiert am 18.04.2023Lesedauer: 4 Min.
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Noch immer liegt der Schatten von Kreml-Chef Wladimir Putin der SPD: Wann emanzipiert sich die Partei endlich von ihrer verfehlten Russland-Politik?Vergrößern des Bildes
Noch immer liegt der Schatten von Kremlchef Wladimir Putin auf der SPD: Wann emanzipiert sich die Partei endlich von ihrer verfehlten Russland-Politik? (Quelle: ITAR-TASS/Political-Moments/Montage:Uf/t-online/imago images)

Eine weitere Friedensinitiative fordert ein Ende der Kämpfe in der Ukraine – frühere Spitzenpolitiker aus Hannover unterstützen den Appell. Doch sind ihre Forderungen realistisch?

Der Wunsch nach Frieden in der Welt treibt derzeit viele Menschen um: Nach dem "Manifest für Frieden" von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer hat nun auch die Initiative "Frieden Schaffen" in mehreren Tageszeitungen einen Verhandlungsfrieden der Ukraine mit Russland gefordert. Die Unterzeichner fürchten eine Ausweitung der Kampfhandlungen. Der Schatten eines Atomkrieges läge über Europa.

Kurz vor den Ostermärschen schaltete die Aktionsgruppe in der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" sogar eine Annonce. Wenig überraschend, denn die niedersächsische Landeshauptstadt ist eine sozialdemokratische Hochburg – und damit fruchtbarer Boden für ein Bündnis, das eine neue Friedens- und Entspannungspolitik im Geiste Willy Brandts fordert.

Neben ehemaligen SPD-Ministern und dem früheren Hannoveraner Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg aus dem mächtigen Stadtverband gehören auch Brandts Sohn Peter und die Theologin Margot Käßmann zu den Unterzeichnern. Auch Heino Wiese, einst russischer Honorarkonsul, SPD-Geschäftsführer in Hannover und Freund des Altkanzlers Gerhard Schröder, findet sich unter den rund 2.000 Namen – wie auch weitere Funktionäre des Deutsch-Russischen Forums. Dazu auffallend viele niedersächsische Gewerkschafter, Kirchenfunktionäre und ältere Intellektuelle.

Sie alle scheinen noch immer nicht verstanden zu haben: Die romantische Vorstellung einer Erneuerung der Entspannungs- und Ostpolitik im Geiste von Willy Brandt und Egon Bahrs "Wandel durch Annäherung" gehören der Vergangenheit an. Sie lassen sich nicht übertragen auf die Gegenwart, in der Putin versucht, mit aggressivem Imperialismus Russland um jeden Preis als Weltmacht zu behaupten.

Steinmeiers Russland-Kurs: Bestenfalls naiv

Brandts und Bahrs Politik haben zu Recht die politischen Karrieren und die Leben vieler Sozialdemokraten und ihr Selbstverständnis geprägt. Als erster sozialdemokratischer Außenminister seit Willy Brandt versuchte Frank-Walter Steinmeier dessen Kurs weiterzuverfolgen. Diese Strategie wird wohl bestenfalls als naiv in den Geschichtsbüchern bewertet werden. Denn ihr lag ein fehlgeleitetes Bild Russlands unter Putins Herrschaft zugrunde. Dieses Bild, das auch viele Politiker anderer Parteien und Nationen teilten, ermöglichte erst den russischen Angriff auf die Ukraine.

Zwar schreibt die Initiative "Frieden schaffen" unmissverständlich von einem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und lehnt die Gewalt im Krieg generell ab. Doch muss auch ihr klar sein, dass die Ukraine ohne Waffenlieferungen aus dem Westen in ihrer jetzigen, demokratischen und freien Form nicht mehr existieren würde – und eine Debatte daher gar nicht mehr stattfinden könnte.

Sicher, auf das Bekenntnis, dass die Welt eine Waffenruhe in der Ukraine braucht, können sich alle Seiten einigen. Entscheidend ist aber doch die Frage: "Wie?", wenn es für mindestens eine Seite, Russland, nur ein Lippenbekenntnis ist.

An den Fronten werden die blutigen Kämpfe also ohnehin fortgesetzt. Der russische Aggressor begeht dabei offenbar reihenweise Kriegsverbrechen: Erst in der vergangenen Woche sorgte ein grausames Enthauptungsvideo eines mutmaßlich ukrainischen Soldaten weltweit für Entsetzen.

Putin braucht einen großen Erfolg

Egal ob "Frieden schaffen" oder das "Manifest für Frieden": All diese Friedensinitiativen ignorieren, dass Diplomatie trotz der Brutalität des russischen Vorgehens weiterhin stattfindet. Bundeskanzler Olaf Scholz etwa telefoniert noch immer "hin und wieder" mit Wladimir Putin. Nur rückt dieser von seinen Maximalforderungen nicht ab.

Verständlicherweise, denn für den per Haftbefehl gesuchten Kremlchef würden Zugeständnisse, wie etwa die Aufgabe der Krim, nicht nur sein politisches, sondern vermutlich auch sein persönliches Ende bedeuten. Und dann bleibt da noch die Frage nach Reparationszahlungen an die Ukraine. Im Grunde kann Putin nicht verhandeln – selbst wenn er das wollte. Er braucht einen großen Erfolg.

Hannovers SPD muss ihre Vergangenheit aufarbeiten

Die Angst vor einem Atomkrieg ist zwar nachvollziehbar, doch Putin nutzt sie und mit ihr verunsicherte Pazifisten gezielt als Waffe, um den Westen auszubremsen. Angst ist Putins größte Stärke.

Es wird Zeit, dass die Sozialdemokraten, insbesondere jene in Hannover, dies endlich anerkennen. Sie sollten sich erneuern – und ihre eigene Vergangenheit und Russlandpolitik aufarbeiten.

Warum bleibt die Kritik an der Rolle von Bundespräsident Steinmeier nahezu komplett aus? Welche Rolle spielte der ehemalige russische Honorarkonsul Heino Wiese für die deutsche Russlandlandpoltik? Wie sehr war Gerhard Schröder tatsächlich eine Marionette von Wladimir Putin? Und wieso biedert sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich in der Taiwan-Frage nun China an und zeigt damit, dass er aus der fehlgeschlagenen Russlandpolitik nichts gelernt hat? Und wann kommt endlich Licht an den Nord-Stream 2-Skandal um Manuela Schwesig, die Klimastiftung MV und eine Steuerakte, die offenbar in einem Kamin verbrannt wurde?

Immerhin Bundesverteidigungsminister und Ex-Hannover-Politiker Boris Pistorius (SPD) hat verstanden: "Das Ende der Waffenlieferungen bedeutet das Ende der Ukraine. Und zwar sofort", sagte der dem Nachrichtenportal "The Pioneer".

"Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie davor", so Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner "Zeitenwende"-Rede, der Regierungserklärung zum Krieg in der Ukraine im Bundestag. Das muss endlich und ganz grundsätzlich auch in seiner eigenen Partei verstanden werden.

Verwendete Quellen
  • friedenschaffen.net: Website der Friedensinitiative
  • faz.net: "Was Egon Bahr mit Putin zu tun hat"
  • fr.de: "Frieden schaffen!"
  • tagesspiegel.de: ""Im Nachhinein ist man immer klüger": Steinmeier-Vertrauter rechtfertigt Russland-Politik"
  • bpb.de: "Die westdeutsche Ostpolitik und der Zerfall der Sowjetunion"
  • atlanticcouncil.com: "NATO poses a threat to Russian imperialism not Russian security"
  • "Die Moskau-Connection: Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit" von Markus Wehner und Reinhard Bingener (2023)
  • thepioneer..de: "Pistorius kündigt weitere Waffenlieferungen an - "As long as it takes""
  • Eigene Recherche
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