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Hass-Botschaften gegen Hopp: Darum ist Bayerns Plakat jetzt kein Skandal


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Hass-Plakate gegen TSG-Mäzen
Warum der Skandal um Hopp nichts Neues ist

  • Lars Wienand
Von Lars Wienand

Aktualisiert am 02.03.2020Lesedauer: 7 Min.
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Dietmar Hopp stand lange allein im Kampf gegen Schmähungen gegen seine Person da: Nach vielen Klagen, Briefen, Interviews und Anzeigen schwenken die Funktionäre nun auf seinen Kurs gegen die Beleidigungen um.Vergrößern des Bildes
Dietmar Hopp stand lange allein im Kampf gegen Schmähungen gegen seine Person da: Nach vielen Klagen, Briefen, Interviews und Anzeigen schwenken die Funktionäre nun auf seinen Kurs gegen die Beleidigungen um. (Quelle: dpa-bilder)

Nach den Beleidigungen gegen Dietmar Hopp ist vom Skandal in Hoffenheim die Rede. Der Milliardär erlebt solche Szenen aber schon lange. Sein Kampf dagegen hat Folgen – Erfolg eher nicht.

Vor gut 16 Jahren war alles noch anders in Hoffenheim. "Das lassen wir uns nicht bieten", empörte sich Dietmar Hopp im Dietmar-Hopp-Stadion laut jemandem, der dabei war: "So geht man nicht mit einem Dorfverein um, auch wenn man vom FC Bayern aus München kommt." Hopp hatte gerade seinen Freund Franz Beckenbauer angerufen, um sich zu beschweren: "Das wird ein Nachspiel haben!"

Hoffenheims damaliger Trainer Hansi Flick war noch im VIP-Raum, aber Hermann Gerland, gereizter Trainer des Gasts FC Bayern München II, hatte die Pressekonferenz im lauten Stimmengewirr abgebrochen und war schimpfend abgedampft. Es war der 24. Oktober 2003, das Spiel in der Regionalliga Süd endete 2:2, und Hopp vermisste Respekt.

Gut 16 Jahre später hat Hopp zumindest eines geschafft: Offizielle des Rekordmeisters FC Bayern aus München und der DFB erweisen dem Dorfverein-Milliardär mehr Respekt und Schutz, als sie es in vergleichbaren Fällen für Münchner Langzeit-Präsidenten Hoeneß und ihren Torwart-Titan Kahn je getan haben. Wegen der üblen Spruchbänder gegen Dietmar Hopp eilen der einst mit Affenlauten und Bananen bedachte Bayern-Vorstand Oliver Kahn und der frühere Hoffenheim- und heutige Bayern-Trainer Flick wütend in die Fankurve: Die Hopp-Schmähungen sollen aufhören. Hoeneß, jahrzehntelang von gegnerischen Fans als "Hurensohn" tituliert, kritisiert sie als "ungeheuerliche und völlig deplatzierte Anfeindungen". Die Spieler gehen vom Platz, die Partie wird unterbrochen. Auf anderen Plätzen passiert Ähnliches. DFB und Vereinsfunktionäre setzen Zeichen.

Hopp wollte Erstliga-Aufstieg zum 70. Geburtstag

Passiert ist aber nichts anderes als in den vielen Jahren zuvor, in denen sich Dietmar Hopp schon über Verbalattacken von Fans beklagt hat. In diesen Jahren wurden in Hoffenheim viele Briefe geschrieben, viele Interviews gegeben, es wurden Gerichte bemüht und sogar Fouls begangen, um die Anfeindungen zum Verstummen zu bringen. Geändert haben sich aber nicht die Ultras und deren Sympathisanten, geändert hat sich der Umgang der Fußballfunktionäre.

Vom angefressenen Hoffenheim-Mäzen beim Spiel gegen die Bayern-Amateure muss man nur bis ins Jahr 2007 vorspringen und landet bereits bei den Sprüchen, die heute wie ein beispielloser Skandal wahrgenommen werden. "Der Mob hasst Hopp" und "Hure Hoffenheim" ist auf Bannern zu lesen. Hoffenheim empfängt da in seiner ersten Zweitliga-Saison den 1. FC Kaiserslautern.

Den Namen FCK hatte Hopp nur 60 Kilometer vom Lauterer Stadion entfernt auch mal für sein Fußballprojekt erwogen, K wie Kurpfalz. Diese Provokation blieb den Kaiserslauterern erspart; nicht umgehen konnten die Lauterer aber das Zusammentreffen mit der für damalige Verhältnisse stattliche 18,4 Millionen Euro verstärkten TSG Hoffenheim. Deren damaliger Trainer Ralf Rangnick "kann so viel Geld ausgegeben, wie er will", hatte die "Welt" zum Saisonstart geschrieben. Hopp wünsche sich, dass sein Klub zu seinem 70. Geburtstag im April 2010 um den Bundesliga-Aufstieg spielt. "Es kann ruhig schon ein Jahr früher passieren", sagte damals Rangnick, der Hoffenheims Spieler da schon mal "Projektmitglieder" nannte.

Doch das "Projekt" stößt auf Kritik: "Schade, dass so eine Mannschaft einen der 36 Plätze im Profi-Fußball wegnimmt", ließ sich der damalige Mainzer Manager Christian Heidel in einem Interview zitieren. Der Fan wolle nicht "allein irgendeinen Qualitätsfußball schauen, dessen Wurzel nur das Geld ist".

Hoffenheim erklärt Kritik zu "infamer Diffamierung"

Hopp gibt damals Heidel die Schuld für das "beispiellose" Geschehen im Spiel gegen Kaiserslautern. "Es ist kein Zufall, dass diese Dinge nach den Heidel-Aussagen eskaliert sind." Hopp schreibt einen Brief an den 1. FSV Mainz und an so ziemlich alle Funktionsträger bei DFL und DFB. "Wir würden uns wünschen, dass man Diskriminierung, wie sie Herr Heidel betreibt, mit Konsequenz verfolgt. Diese infame Diffamierung unseres Klubs, die wohl bewusst den Hass auf Hoffenheim schüren soll, ist auch geeignet, Gewalt gegen uns auszulösen." Diese Taktik wird häufiger zu sehen sein: Dietmar Hopp gibt Vereinsmanagern mit massiver Kritik Schuld an den Beleidigungen durch Fans.

Heidel versteht die Welt nicht mehr: "Wenn es heute nicht erlaubt sein soll, dass man sich kritisch äußert, dann sind wir im falschen Spiel." Lautern-Fans geht es ähnlich: "Diese Proteste entstammten viel eher der Seele all jener, für die Fußball eine Leidenschaft und eine Liebe ist", schreiben sie in einem offenen Brief, der schnell Kreise zieht. Fanszenen quer durch die Republik sehen, dass Hopp anspringt und mit ungeschriebenen Regeln der Fankultur bricht: Beleidigungen wurden ertragen, als Teil der oft proletenhaften Fankultur hingenommen.

In fast allen Stadien gibt es in der Saison Spruchbänder, ein Blog hat Dutzende Fotos gesammelt. Fans fühlen sich zusätzlich gereizt, als Hopp so auf die "Retorten-Klub"-Kritik reagiert: "Das ganze Gerede von Traditionen verstehe ich nicht. (...) Microsoft oder Google würde es mit dieser Denke nie geben."

Unsägliches Fadenkreuz-Motiv seit 2008

Beim Finale der Deutschen B-Jugend-Meisterschaft im Juni 2008 ist dann ein Motiv zu sehen, das künftig immer wieder mal auftaucht. Der Kopf von Hopp ist in der Fankurve des Gegners Borussia Dortmund mit einem Fadenkreuz anvisiert.

Notiz von der geschmacklosen Botschaft nimmt die Öffentlichkeit aber erst drei Monate später im September 2008. Hoffenheim als Erstliga-Neuling empfängt Dortmund, und ein BVB-Fan hält einen Doppelhalter mit Hopp im Fadenkreuz. Hopp erstattet Anzeige. Er fordert noch während des Spiels eine Entschuldigung von BVB-Offiziellen (und bekommt sie), und spricht ausführlich davon, wie beschämend das für die Borussia sei und wie sehr den Dortmunder Fans die 1:4-Niederlage zu gönnen sei.

Es ist der Beginn einer besonders innigen gegenseitigen Abneigung. Sie ist vor einigen Tagen in einem Urteilsspruch des DFB gegipfelt: In den beiden nächsten Spielzeiten dürfen BVB-Fans wegen wiederholter Gesänge und Plakate nicht zum Auswärtsspiel nach Hoffenheim. Eine Strafe für alle Fans, weil der Verein unter Bewährung stand und weil beim Spiel in Hoffenheim kurz vor Weihnachten 2019 wieder viele Anhänger der Schwarz-Gelben Schmähungen skandierten.

Seit dieser Entscheidung des DFB vom 21. Februar zum Schutz von Hopp ist der Protest gegen den Hoffenheimer in Ultraszenen neu entfacht. Es geht endgültig nicht nur um Hopp und sein Projekt Hoffenheim, sondern auch um das Thema Kollektivstrafen und um den Umgang des DFB mit Hopp. Es ist auch das Ringen darum, wie sehr in einer sich wandelnden Gesellschaft Regeln im Fußballstadion umgeschrieben werden können.

Fans sehen beim DFB eine Sonderregelung für den Milliardär

Schon im September 2008 kündigt der DFB an, das Verhalten gegenüber dem Milliardär intensiver zu beobachten. "Es reicht nicht mehr aus, wenn wir nun schon seit Längerem ständig Fairness für Dietmar Hopp anmahnen", sagt DFB-Vizepräsident Rainer Koch. Die Pöbeleien würden künftig sportgerichtlich geahndet. Für die Fans ist das ein neues Kapitel: Der DFB hat in ihren Augen eine Sonderregel, eine sogenannte "Lex Hopp", geschaffen und einen einzelnen Mann unter besonderen Schutz gestellt. Aber muss sich auch Hopp üble Beleidigungen gefallen lassen, weil jahrzehntelang kein anderer Betroffener dagegen vorgegangen ist?

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Am Wochenende darauf ist der Protest in den Kurven fast aller Traditionsvereine zu sehen. Fans von Rot-Weiss Essen malen: "Er allein wird geschützt vor Spott und Hohn, denn Hopp zahlt den Lohn für Zwanzigers Sohn." Der Sohn des damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, Ralf Zwanziger, ist Leiter der Frauenfußball-Abteilung in Hopps Verein.

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Am geistreichsten ist die Kritik vielleicht bei Fortuna Düsseldorf: "Dass dich keiner leiden kann, stand wohl nicht im Businessplan", steht damals auf einem Fan-Plakat. Dass ihn keiner leiden kann, stimmt nicht: In seiner Heimat Kraichgau ist Hopp beinahe schon Verehrung gewohnt, der SAP-Milliardär unterstützt mit seiner Stiftung soziale Projekte. Allein für die "alla hopp!" genannten Bewegungs- und Spielplätze flossen rund 50 Millionen Euro.

Mit den Schmähungen kann Hopp offenbar nicht recht umgehen, er äußert sich widersprüchlich: Er greift die Beleidigungen immer wieder mal auf, obwohl er auch sagt, er wolle das nicht thematisieren. Es könne sich irgendwann mal totlaufen, erklärt er Ende 2009 der Heilbronner "Stimme". "Vielleicht in der dritten, vierten Saison [in der ersten Bundesliga]."

Tröten-Terror sollte Krakeeler mundtot machen

Die Hoffnung erledigt sich spätestens, als der Hoffenheimer Schallkanonen-Skandal bekannt wird. Gästefans, etwa aus Dortmund, Frankfurt und Köln, sind mit einer Sirenenanlage in der Gästekurve beschallt worden, sobald sie zu Schmähgesängen ansetzten. Hopp sagt, davon nichts gewusst zu haben, und berichtet, wie er sich bei den Rufen fühlt, die seine Mutter schmähen: "Total hilflos. Ohnmächtig." Ein Mitarbeiter habe das "eigeninitiativ" gemacht, um Hopp zu helfen, heißt es vom Verein.

Der DFB verhängt gegen die TSG nicht einmal eine Geldstrafe wegen "unsportlichen Verhaltens", weil es als geringfügig einzustufen sei. Zuvor hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Körperverletzung eingestellt.


Schon vor dem Heimspiel 2013 gegen Dortmund wird öffentlich, dass sich Hopp mit einem Brief im Stadionheft an sie richtet. Die Schmähungen schmerzten ihn nicht mehr, "sie enttäuschen nur noch", schreibt er. Rufe gegen ihn selbst verzeihe er, Rufe gegen die Familie aber verübele er.

Und dafür nutzt er die Justiz, die zum Teil auch sehr eigeninitiativ tätig wird. Ein Oberstaatsanwalt beruft 2018 eine Art Krisentreffen ein. Ermittler erinnern Hopps Anwalt, dass ein Strafantrag von ihm fehlt, um weitermachen zu können. In Hunderten Stunden Ermittlungsarbeit haben sie einige Rufer identifiziert. Sinsheim ist das einzige Stadion, in dem es zur hochauflösenden Videoüberwachung auch Richtmikrofone gibt, um Sprechchöre einzelnen Fans zuordnen zu können.

Fans im Wochentakt auf der Anklagebank

Strafverfahren wegen Beleidigung sind in der Regel der Privatklage überlassen. Bei Hopp sieht die Staatsanwaltschaft "öffentliches Interesse" und handelt von sich aus. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Heidelberg erklärt das so: Die Krakeeler hätten in dem Wissen beleidigt, dass das Spiel im Fernsehen läuft und sie Hopp so bewusst vor einer Vielzahl von Menschen diffamieren. "Dass die Rechtsordnung ein solches Verhalten nicht dulden kann, dürfte sich verstehen." Es ist wieder Hopp, der neue Maßstäbe setzt.

Einige Monate lang sitzen im Wochentakt Fans von Köln und Dortmund zwei Kilometer vom Stadion entfernt auf der Anklagebank, vierstellige Geldstrafen werden verhängt.

Die Rufe verstummen deshalb aber nicht. "Wenn ich nur wüsste, was diese Idioten von mir wollen", sagt Hopp am Sonntag bei Sport1. Eine Idee hatte er schon 2009: dass er aufgibt. "Das ist doch deren Ziel", sagte er. "Und den Gefallen tu’ ich ihnen nicht." Wegbleiben, sagt er am Sonntag, müssten die "Personen, die das anrichten". Er spricht dabei von Tausenden der lautesten und treuesten Fans in den Herzen der Fankurven. Es sieht aus wie ein Kampf, in dem es keine Sieger geben kann.

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