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HomeSportFußballKolumne - Stefan Effenberg

Effenberg: Warum Lyon dem FC Bayern in der Champions League gefährlich wird


Als Bayern 0:3 gegen Lyon verlor
Was nach der legendären Beckenbauer-Rede wirklich passierte

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 18.08.2020Lesedauer: 4 Min.
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Franz Beckenbauer 2001. Seine Rede nach dem 0:3 gegen Olympique Lyon ist legendär.Vergrößern des Bildes
Franz Beckenbauer 2001. Seine Rede nach dem 0:3 gegen Olympique Lyon ist legendär. (Quelle: bonn-sequenz/imago-images-bilder)

Vor 19 Jahren wurde Olympique Lyon zum Augenöffner auf dem Weg zum Titel. Nun trifft Bayern erneut auf die Franzosen. Das wird ähnlich schwierig wie damals.

Das ist letztlich eine große Überraschung: Zwei deutsche und zwei französische Mannschaften bestreiten die Halbfinals in der Champions League. Vier Vereine also, die in den vergangenen Wochen eine lange Pause und im Gegensatz zu Spaniern, Italienern oder Engländern keinen Spielrhythmus hatten. Die Vertreter aus diesen Nationen verfolgen die Spiele stattdessen von der Couch aus, weil sie teilweise extrem enttäuschten.

Beckenbauer war schonungslos ehrlich

Leipzig gegen Paris St. Germain und Bayern gegen Olympique Lyon – letzterer ist ein Gegner, an den ich natürlich starke Erinnerungen habe, wenn auch keine guten.

Es war die Zwischenrunde in der Champions-League-Saison 2000/01, die es damals noch gab. Lyon war ein unangenehmer Gegner, der aus vier Chancen drei Jahrhunderttore gemacht und uns 3:0 geschlagen hat. Im Anschluss sprach unser damaliger Präsident Franz Beckenbauer: "Das hat nichts mit Fußball zu tun. Das ist eine andere Sportart. Das ist Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft, Altherrenfußball." Das war schonungslos – aus heutiger Sicht aber auch einfach schonungslos ehrlich.

Unsere Niederlage 2001 gegen Lyon war ein Augenöffner

An so einen Tag und so eine Niederlage erinnert sich niemand gern, der beim FC Bayern spielt. Dennoch war es im Nachhinein betrachtet ein Augenöffner, der uns gut getan hat.

Am kommenden Vormittag sind wir zurück nach München geflogen und direkt zur Säbener Straße zum Training. Ich hatte unseren Trainer Ottmar Hitzfeld gebeten, ein paar Worte an die Mannschaft richten zu dürfen. Wir saßen ohne Trainer und Trainerteam zusammen und ich habe gesagt, dass wir nie mehr so auftreten dürfen, weil wir sonst gar nichts gewinnen. Wir müssen in jedem Spiel ans Limit gehen – und dürfen das so nicht auf uns sitzen lassen. Dann werden wir auch erfolgreich sein.

Ich habe auch gesagt, dass es für mich nach der Saison maximal eine weitere Chance auf den Champions-League-Titel gibt und meine Karriere dann vorbei ist.

Wir haben anschließend alle weiteren Spiele und die Champions League gewonnen.

Das 8:2 hat gezeigt, wie man Bayern schlagen kann

Einen Augenöffner braucht der FC Bayern an diesem Mittwoch wohl nicht. Im Halbfinale ist allen klar, wie man da aufzutreten hat. Und dennoch birgt dieses Duell eine große Gefahr.

Der 8:2-Sieg gegen Barcelona war natürlich fantastisch, doch er hat auch die einzige Möglichkeit offengelegt, wie man den FC Bayern schlagen kann: mit langen Bällen hinter die Viererkette und damit in den Rücken der Außenverteidiger. Sowohl Joshua Kimmich als auch Alphonso Davies agieren sehr offensiv. Das extreme Pressing auf Gegner und Ball führt dazu, dass meist neun oder zehn Spieler im Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte unterwegs sind. Diese Spielweise werden sie in den verbliebenen ein bis zwei Spielen nicht mehr ändern, sie entspricht der Handschrift von Trainer Hansi Flick. Aber sie bietet eine Angriffsfläche.

Bei Barcelona muss einiges passieren

Der FC Barcelona hat es nicht vermocht, daraus Kapital zu schlagen, weil er es mit Kombinationsfußball von hinten heraus probiert hat, so wie er in seiner DNA verankert ist. Das fing bei Torwart Marc-Andre ter Stegen an. Versucht es Lyon auch mit Kombinationen von hinten heraus, werden sie keine Chance haben. Mit langen Bällen und schnellen Kontern dagegen können sie Bayern extrem gefährlich werden. Gefährlicher übrigens als Manchester City es hätte werden können. Auch die Mannschaft von Pep Guardiola steht für Kombinationen.

Guardiola und Manchester City sowie der FC Barcelona und auch Juventus Turin – das sind für mich die größten Enttäuschungen dieser Champions-League-Finalrunde. Juventus und Barcelona haben sich bereits von ihren Trainern getrennt. Guardiola und Manchester dagegen traue ich zu, noch einen weiteren gemeinsamen Anlauf in der kommenden Saison zu nehmen.

Wann ist eine Ära vorbei? In Barcelona ist das wohl jetzt der Fall. Die Mannschaft hat uns jahrelang unglaublich viel Freude bereitet – nun muss eben ein großer Umbruch her, das ist offensichtlich. Die Trennung von Trainer Quique Setien reicht nicht. Nun ist die Frage, wer ihm nachfolgt – und wie der dann die Mannschaft umbaut.

Tuchel, Flick, Nagelsmann: alle drei wollen den Titel holen

Ich muss sagen, dass ich einen riesigen Respekt vor Gerard Piqué habe, der als erster Spieler seinen Abgang angeboten hat, sofern dieser gewünscht ist. Ich kann mir auch vorstellen, dass die Zeit von Arturo Vidal vorbei ist. Vor dem Spiel hat er den Mund voll genommen und verkündet, dass Barca die beste Mannschaft der Welt ist. Das mag einen Gegner einschüchtern – aber hinterher muss schon auch irgendetwas folgen. Zumindest etwas anderes als ein 2:8. Wer auch immer der neue Trainer sein wird, zu beneiden ist er um diese Aufgabe nicht.

Ganz anders natürlich die drei deutschen Trainer im Halbfinale. Der Druck auf Thomas Tuchel bei Paris und Hansi Flick bei Bayern ist natürlich ungleich höher als der auf Julian Nagelsmann bei Leipzig. Aber: Alle drei wollen jetzt nur noch diesen Pokal gewinnen. Alle drei sind herausragende Trainer, sehr empathisch – und alle drei haben hervorragende Perspektiven in ihren Klubs. Nagelsmann hat erfolgreiche Jahre vor sich, ob bei Leipzig oder irgendwann bei einem anderen Topklub. In Paris könnte es sich auszahlen, dass sie an Tuchel festgehalten haben trotz der weniger erfolgreichen Jahre auf internationaler Bühne. Und Hansi Flick hat perfekte Voraussetzungen, um über fünf, sechs Jahre eine Ära bei Bayern zu prägen.

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Bierhoff braucht wohl einen anderen Nationaltrainer als einen der drei

Ich kann mir aufgrund dieser Aufgaben auch nicht vorstellen, dass einer der drei in den nächsten drei, vier Jahren Nationaltrainer wird. Da wird sich Oliver Bierhoff wohl anderswo umschauen müssen, wenn Joachim Löw nach der Europameisterschaft 2021 Schluss machen oder ausgetauscht werden sollte.

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Ich wünsche mir nun natürlich ein deutsches Finale zwischen Leipzig und Bayern, auch wenn Paris gegen RB Favorit ist.

Das Gute an der Halbfinal-Konstellation: Am Finale beteiligt sind wir aus deutscher Sicht definitiv. Ein deutscher Trainer wird es mindestens ins Finale schaffen. Wenn alles optimal läuft, stehen am Sonntag zwei deutsche Trainer mit zwei Bundesliga-Mannschaften in Lissabon auf dem Platz. So oder so erwarten uns megaspannende Spiele und drei absolute Highlights in dieser Woche.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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