Flick-Nachfolger? Was Julian Nagelsmann für den DFB aufgeben müsste

Nach seiner Entlassung beim FC Bayern im März ist es um Julian Nagelsmann ruhig geworden. Mit einem DFB-Angebot würde sich das schlagartig ändern.

Wie schnell es mit einem Trainerwechsel gehen kann, wenn ein anderer Toptrainer auf dem Markt verfügbar ist, das erlebte Julian Nagelsmann Ende März selbst auf äußerst unangenehme Art und Weise. Nach einer 1:2-Niederlage in Leverkusen wurde er in der darauffolgenden Länderspielpause von seinen Aufgaben als Trainer des FC Bayern entbunden und durch Thomas Tuchel ersetzt. Von der Nachricht über sein plötzliches Aus wurde er damals im Skiurlaub überrascht.

Seitdem ist Nagelsmann selbst auf dem Markt und dort einer der begehrtesten Trainer in ganz Europa. Mit verschiedenen Klubs aus England und Frankreich war er im Gespräch – unter anderem Tottenham Hotspur, der FC Chelsea sowie Paris Saint-Germain zeigten Interesse an ihm. Der 36-Jährige lehnte aber letztlich überall wegen eigener Bedenken ab. Die richtige nächste Aufgabe war offenbar nicht dabei. Noch nicht.

Nagelsmann ist Topkandidat als Flicks Nachfolger

Seit der Entlassung von Bundestrainer Hansi Flick ist nun aber zumindest eine äußerst reizvolle Option für ihn dazugekommen: Nagelsmann gilt als heißer Kandidat für den Job als neuer Nationaltrainer, der endlich neue Euphorie entfachen und die DFB-Elf im kommenden Jahr zu einer erfolgreichen Heim-Europameisterschaft führen soll. Eine höchstwahrscheinlich einmalige Möglichkeit in seiner Laufbahn, auch wenn Nagelsmann noch immer am Anfang seiner Karriere steht und zum jüngsten deutschen Bundestrainer aller Zeiten werden würde.

Ein Angebot von Real Madrid gilt allerdings ebenfalls als Traum aller Trainer, der nur für wenige auch in Erfüllung geht. Die "Königlichen" suchen für kommenden Sommer einen Nachfolger für ihren Chefcoach Carlo Ancelotti, der sich dann zur brasilianischen Nationalmannschaft verabschieden wird. Auch Nagelsmann soll ein Kandidat sein. Sollte Real Nagelsmann tatsächlich ein Angebot machen, wäre es eines, das eigentlich kein Trainer der Welt ablehnen könnte.

Der DFB sollte sich bei seiner Entscheidungsfindung also besser nicht mehr allzu lange Zeit lassen. Viele sehen in Nagelsmann jetzt den logischen Nachfolger von Flick. Es gibt aber auch kritische Stimmen. "Ich glaube, dass er noch nicht so weit ist, dass er lieber die tägliche Arbeit mit einer Mannschaft will und braucht", meint Rekordnationalspieler Lothar Matthäus. Nagelsmann gilt eher als Entwickler, denn als Feuerwehrmann.

Auch bei den DFB-Entscheidern soll es Vorbehalte geben. Mancher hält Nagelsmann für überschätzt, andere sehen in ihm ein zu junges "Trainertalent". Karl-Heinz Rummenigge hatte Nagelsmann in der Vergangenheit immer wieder als solches und eben noch nicht als Toptrainer bezeichnet. Auch Berti Vogts würde Nagelsmanns Verpflichtung für "risikoreich" halten, wie er der "Rheinischen Post" sagte. Der Ex-Nationaltrainer plädierte stattdessen für "einen erfahrenen Mann als Bundestrainer, der die Spieler und die Menschen begeistern kann".

Nagelsmann kennt die traditionell starke Bayern-Achse der Nationalelf aber auch wie kein Zweiter. Führungsspieler wie Joshua Kimmich oder der gerade von Flick ausgebootete Leon Goretzka betrauerten sein Aus in München öffentlich. Nach dem 2:1-Erfolg der Nationalelf gegen Frankreich sagte Leroy Sané: "Julian ist ein guter Trainer und auch auf jeden Fall eine gute Person. Wir schauen, was passiert oder ob er Bock darauf hat. Na klar, wäre es schön, ihn wiederzusehen und mit ihm zu arbeiten, aber wie gesagt, wir gucken mal."

Lässt Bayern Nagelsmann ablösefrei gehen?

Dem Vernehmen nach wäre der Rekordmeister sogar bereit, Nagelsmann, der noch bis 2026 unter Vertrag steht, ablösefrei an den DFB abzugeben, um dessen üppiges Jahresgehalt einzusparen. "Der FC Bayern ist ja da nie gefragt worden, aber ich bin mir ziemlich sicher, ich habe das jetzt nicht abgestimmt mit unseren Leuten, aber am FC Bayern würde das sicher nicht scheitern", sagte der Münchner Ehrenpräsident Uli Hoeneß am Dienstagnachmittag bei der Einweihung des Denkmals für Stürmer-Ikone Gerd Müller an der Allianz Arena zu einer möglichen Freigabe.

"Das sind natürlich alles Spekulationen, da ist noch nichts entschieden", ergänzte Bayern-Präsident Herbert Hainer bei der gleichen Veranstaltung. Nagelsmann sei aber "ein sehr guter Trainer. Wir brauchen jetzt Aufbruchsstimmung für die Europameisterschaft im eigenen Land." Da gebe es einige Kandidaten, "aber Julian Nagelsmann ist sicherlich einer von ihnen". Auf die Nachfrage, ob der DFB denn bereits offiziell bei Bayern wegen Nagelsmann angefragt habe, antwortete Hainer: "Also bei mir nicht." Und auch Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen erklärte, dass ihm noch keine entsprechende Anfrage vorliege.

Wie Nagelsmann selbst zu den Avancen des DFB steht und ob er den Bundestrainerposten tatsächlich als einmalige Chance oder doch eher als Himmelfahrtskommando sieht? Laut Sport1 soll der DFB mittlerweile Kontakt zu ihm aufgenommen haben. Dem Bericht zufolge könne sich Nagelsmann die Herausforderung Heim-EM gut vorstellen. Hans-Joachim Watzke, seines Zeichens Vizepräsident des Verbandes, dementierte die Kontaktaufnahme allerdings.

Nagelsmann selbst hält sich aber weiter bedeckt. Der Landsberger hat sich seit seiner Entlassung bei seinem erklärten Herzensverein ohnehin größtenteils zurückgezogen, gibt keine Statements zu seinen Zukunftsplänen ab.

Von ihm selbst oder aus seinem Umfeld gab es in den vergangenen Monaten keinerlei Kommentare. Das hat sich auch jetzt nicht geändert. Auf t-online-Anfrage hieß es auch zur brisanten Bundestrainerfrage nun wieder, dass es dazu nichts zu sagen gäbe.

Nagelsmann seit Bayern-Aus abgetaucht

Auch in den sozialen Netzwerken findet Nagelsmann momentan nicht statt – zumindest auf den eigenen Kanälen. Der letzte Post auf seinem Instagramprofil ist vom 9. März und zeigt eine jubelnde Bayern-Mannschaft nach dem Achtelfinaltriumph in der Champions League gegen Paris vor der Fankurve in der Allianz Arena.

Ende Mai wurde Nagelsmann trotzdem mal wieder auf einem Foto bei Instagram gesichtet: Darauf posierte er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Lena Wurzenberger und einem Labrador-Welpen, den die beiden soeben bei der Züchterin in Tutzing am Starnberger See abgeholt hatten. Das neue Familienmitglied hört auf den Namen "Little Rosalie".

Anfang Juli schaute das Paar, das weiterhin in München lebt, dann gemeinsam mit seinem Neuzugang an der Leine beim Polo Cup in Holzkirchen vorbei.

Und zuletzt war Nagelsmann Anfang August erneut auf einem Instagramfoto. Darauf zu sehen war er bei der Schlüsselübergabe eines Luxus-Wohnmobils, das er sich zugelegt hat. Knapp sechs Wochen hatte er nun Zeit, sein neues Gefährt auszuprobieren.

Nagelsmann scheint seine Auszeit aus dem Fußballgeschäft und die damit verbundenen Freiheiten zu genießen, ein wenig seinen Traum vom privaten Glück zu leben. Gut möglich, dass er all das aber schon demnächst wieder aufgeben muss. Zumindest dann, wenn der DFB bei seinem Wunschkandidaten Ernst macht und ihn von einem Engagement als Nationaltrainer überzeugen kann.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Nagelsmann auf Flick folgen und dessen vormalige Mannschaft übernehmen würde. Als der 2021 zum DFB wechselte, löste Nagelsmann ihn schließlich bereits bei Bayern als neuer Chefcoach ab. Weil er eine möglicherweise einmalige Chance ergreifen wollte.