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WM 2022 in Katar: Wo sind denn eigentlich die Katarer? Ein Bericht aus Doha


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Wo sind denn hier die Katarer?

MeinungVon Benjamin Zurmühl, Doha

Aktualisiert am 30.11.2022Lesedauer: 4 Min.
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Deutsche Fans in der U-Bahn von Doha: Es ist gar nicht so einfach, in Katar katarische Staatsbürger zu treffen. (Quelle: Robbie Jay Barratt/AMA/Getty Images)

In Katar sind derzeit Fans aus der ganzen Welt unterwegs. Und Millionen von Gastarbeitern. Da fallen die Katarer weniger auf.

Guten Morgen aus Doha,

es gibt ein Team, das ich bei dieser WM in allen Gruppenspielen gesehen habe. Es ist die Nationalelf Katars. In allen drei Partien waren die "Weinroten" sehr bemüht, aber doch klar unterlegen. Es hat allein aufgrund der individuellen Qualität einfach nicht gereicht. Verständlich, denn Katar ist ein kleines Land. Es hat keine große Fußballtradition wie die meisten WM-Teilnehmer und lediglich 6.000 registrierte Fußballspieler. In Deutschland sprechen wir von Millionen.

Ich bin aber nicht nur zu den Spielen Katars gegangen, um mir den Fußball anzusehen. Ich wollte auch mit Katarern ins Gespräch kommen. Denn das ist mir sonst in Doha nur selten gelungen. Nicht, weil sie mich ignorierten und nicht mit mir reden wollten, sondern weil ich sie schlichtweg kaum antraf. Nach meinen ersten zwei Tagen in Katar stellte ich mir die Frage, wo denn eigentlich die Katarer sind. Wenn ich in der Nähe unseres Hotels einkaufen ging, begegneten mir in erster Linie andere Europäer, Südamerikaner oder Nordafrikaner. Auch die Mitarbeiter unseres Hotels stammen eher aus Indien, Nepal oder Kenia. Gleiches gilt für die Verkäufer in den anderen Läden.

Was ich vor der Einreise gelesen hatte, sah ich nun mit eigenen Augen: Es gibt in Katar verhältnismäßig wenig Katarer. Knapp 90 Prozent der Einwohner sind Gastarbeiter. Über 3 Millionen Menschen leben hier, aber nur 330.000 sind auch Staatsbürger. Dazu kommen in diesen WM-Wochen Hunderttausende Fußballfans aus aller Welt. Der Anteil an Katarern ist bis zum 18. Dezember also noch geringer.

Vor der WM habe ich mit dem Politikwissenschaftler und Katar-Experten Dr. Nicolas Fromm über die Haltung der Katarer zum Turnier gesprochen. Er hatte mir versichert, dass die Fußballbegeisterung im Land groß sei. Gleichzeitig fügte er an: "Es gibt natürlich auch Katarer, die das Land verlassen werden, weil sie das alles schlecht finden. Die Grenzen nach Saudi-Arabien sind inzwischen ja wieder offen, und es gibt einige, die dort Familie oder ein Ferienhaus haben, wohin sie 'flüchten' können." Wie viele das betrifft, ist schwer zu sagen. Aber es sind wohl eher wenige.

Als ich gestern beim letzten der drei Gruppenspiele Katars gegen die Niederlande war, um mit Katarern ins Gespräch zu kommen, hielt ich Ausschau nach Menschen in weißen Gewändern, sogenannten Thawbs. Ein traditionelles, luftiges Kleidungsstück, das viele Katarer wählen. Der erste Mann, den ich ansprach, kam leider aus Saudi-Arabien. Aber danach hatte ich Erfolg.

Ich sprach mit Abdulrahman, ich sprach mit Ali. Sie erzählten mir etwas mehr von der katarischen Kultur. Sie betonten die Gastfreundschaft hierzulande und das ihrer Meinung nach falsche Image im Ausland. Sie erzählten mir mehr zu den zwei Gesichtern Dohas. Den modernen Wolkenkratzern aus Glas auf der einen und den traditionellen Häusern aus Stein auf der anderen Seite.

Am Ende fragte Ali mich, wo ich herkomme. Als ich mit "Deutschland" antwortete, grinste er und erzählte mir von einer Reise nach Bonn vor fünf Jahren. Eine für mich neue Reaktion. Denn beim vorherigen WM-Länderspiel Katars sagte mir ein katarischer Fan im Gespräch mit ernstem Blick: "Aus Deutschland kommt nur Negatives." Er meinte damit nicht mich, sondern die "One Love"-Thematik, die ihm missfiel.

Und so habe ich in diesen fast zwei Wochen hier in Doha verschiedene Begegnungen erlebt. Ich bin mir sicher, es werden noch viele weitere hinzukommen. Bestimmt auch mit Katarern. Obwohl die Nationalmannschaft bei dieser WM ausgeschieden ist.

WM-Anekdote

Das Katar-Spiel fand um 16 Uhr deutscher Zeit im Al-Bayt-Stadion statt. Das steht in al-Chaur, rund 50 Kilometer nördlich von Doha. In Doha direkt befindet sich das Al-Thumama-Stadion, in dem das zweite Spiel für mich an diesem Abend stattfand: USA gegen Iran. Ich hatte nicht viel Zeit zwischen den Partien, weshalb ich auf eins der Medienshuttles der Fifa zurückgriff.

Als ich nach ein paar Minuten Fahrt auf Google Maps nachschaute, wie lange es noch dauern würde, zeigte mir die App 38 Minuten an. Da meist rund um die Stadien etwas Stau ist, rechnete ich mit 50 Minuten. Kurz vor dem Ziel schaute ich noch mal in die App und sah, dass wir in der Nähe des Stadions waren, jedoch in die falsche Richtung fuhren. Zehn Minuten später waren wir wieder an einem anderen Punkt, dem Stadion aber nicht näher. Weitere fünf Minuten vergingen, bis ich merkte, dass auch die anderen Journalisten im Bus unruhig waren.

Ich nahm meine Kopfhörer aus den Ohren und realisierte, dass einige von ihnen auf den Busfahrer einredeten. An einer Autobahnausfahrt riefen mehrere: "Right! Right! It says Media!" Doch der Busfahrer fuhr nicht nach rechts. Er bremste lediglich scharf, kam zum Stehen – und setzte plötzlich zum Rückwärtsgang an. Auf der Autobahnausfahrt. Tatsächlich funktionierte das waghalsige Manöver und wir konnten doch noch rechts abfahren. Dafür gab es Applaus – und von meinem libanesischen Nebenmann noch ein: "Habibi".

Heutige WM-Spiele

16 Uhr, Gruppe D: Frankreich gegen Tunesien und Dänemark gegen Australien
20 Uhr, Gruppe C: Argentinien gegen Polen und Saudi-Arabien gegen Mexiko

Weitere Hinweise

Die Spiele am Mittwoch bieten viel Spannung. Alle acht Teams können noch weiterkommen, aber nur eins hat seinen Platz im Achtelfinale sicher. Es ist die französische Auswahl, die einen Fluch gebrochen hat.

Zuvor waren die letzten drei Weltmeister in der Gruppenphase ausgeschieden: Italien 2010, Spanien 2014 und Deutschland 2018. Chapeau an die "Équipe Tricolore".

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