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Moderator Jan Henkel – Diskussion über Montagsspiele? "Reiner Populismus"


Jan Henkel
Debatte über Montagsspiele? "Das war reiner Populismus"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 29.01.2020Lesedauer: 8 Min.
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Jan Henkel: Der Moderator steht nicht mehr bei Eurosport unter Vertrag.Vergrößern des Bildes
Jan Henkel: Der Moderator steht nicht mehr bei Eurosport unter Vertrag. (Quelle: Martin Hoffmann/imago-images-bilder)

In den vergangenen zwei Jahren moderierte Jan Henkel die Bundesliga bei Eurosport. Im Interview mit t-online.de spricht der 46-Jährige unter anderem über die Zusammenarbeit mit Matthias Sammer sowie die Montagsspiele in der Bundesliga.

Jan Henkel ist Mr. Bundesliga. Insgesamt 24 Spielzeiten hintereinander stand der Moderator für Premiere (später Sky) und Eurosport vor der Kamera. 2017 wechselte Henkel von Sky zu Eurosport und präsentierte dort gemeinsam mit Matthias Sammer als Experte die Bundesliga.

Immer freitags und zu ausgewählten Spielen am Sonntag und Montag standen Henkel und Sammer vor der Kamera und probierten sich dabei in der etwas anderen Sportberichterstattung.

Tiefgründig in der Analyse, akribisch im Detail, gänzlich auf den reinen Sport konzentriert und ohne Plattitüden: In diesem Gewand mauserte sich das Moderationsduo in der öffentlichen Wahrnehmung zum fachmännisch Besten, was es in Sachen Sportberichterstattung im Fußball zu sehen gab.

Im vergangenen Sommer verlor Eurosport/Discovery die Rechte an den Streaminganbieter DAZN. Damit endete auch die Zeit von Sammer und Henkel. Im großen t-online.de-Interview spricht Henkel nun über die Zusammenarbeit mit dem aktuellen BVB-Berater Sammer, darüber, was der italienische Fußballzuschauer dem deutschen voraushat, und warum er die Diskussion über die Montagsspiele für populistisch hält.

t-online.de: Herr Henkel, schauen Sie eigentlich die Australian Open?

Jan Henkel: Wenn ich Zeit habe, ja. Dieses Jahr habe ich noch nicht so viel gesehen, werde aber hoffentlich bald einsteigen.

Matthias Stach und Boris Becker analysieren die Spiele für den TV-Sender Eurosport, bilden seit einigen Jahren das Moderationsduo. Wie finden Sie die Berichterstattung?

Weltklasse. Die zwei sind großartig, das ist qualitativ auf einem ganz hohen Level. Das Zusammenspiel der beiden, auch unter den schwierigen Produktionsbedingungen – das kann man gar nicht hoch genug bewerten

Matthias Sammer und Sie bildeten ebenfalls zwei Jahre lang ein Moderationsduo. Sie waren das Gesicht für Eurosport bei den Bundesliga-Übertragungen. Wie sehr schmerzt es Sie heute noch, dass es nicht weiterging?

Das waren zwei großartige Jahre, die unglaublich viel Spaß gemacht haben. Und da es so gut geklappt hat, hätten wir furchtbar gerne weitergemacht. Matthias Sammer hatte aber deutlich vor der offiziellen Bekanntgabe des Endes schon mitgeteilt, dass er aus persönlichen Gründen nicht weitergemacht hätte.

Sie galten in Fachkreisen als das Beste, was es im deutschen Fernsehen zum Thema Fußball zu sehen gab. Wie blicken Sie mit etwas Abstand auf diese Zeit?

Das waren für mich zwei entscheidende, lehrreiche Jahre. Matthias Sammer spricht immer von den zwei Prozent, die den Unterschied machen. Und er hat sie – auf allen Ebenen. Wie er Situationen im sportlichen Bereich bewertet, wie er Alltagssituationen analysiert, das ist schon begeisternd. Oft waren wir gemeinsam unterwegs und ich dachte mir: Auf den Gedanken wärst du gar nicht gekommen. Ich kenne Matthias schon lange und erinnere mich an ein Spiel vor 15 Jahren beim Confederations Cup.

Das Vorbereitungsturnier ein Jahr vor der WM 2006.

Das Turnier hat damals Premiere übertragen. Ich hatte das Zweitrundenmatch Griechenland gegen Japan und Matthias Sammer war damals für dieses Spiel der Experte.

Er rief mich ein paar Tage vor dem Spiel aus dem Urlaub an und fragte mich, ob ich ihm die DVDs von den Erstrundenspielen Japans und Griechenlands in den Briefkasten werfen könnte. Nachts hat er sich beide Spiele reingepfiffen und kannte tags darauf jeden Griechen und jeden Japaner. Das ist Substanz, das ist Qualität, das ist einfach Weltklasse.

Wie unterscheidet er sich in der Herangehensweise von den anderen Experten im deutschen Fußball?

Matthias bereitet sich sehr akribisch vor: das Scouting-Feed analysieren, die Mannschaften auseinandernehmen, Spielszenen vergangener Partien heraussuchen. Er war immer auf eine Art und Weise vorbereitet, wie ich es noch nie zuvor bei einem Experten erlebt habe.

Haben Sie ein negatives Gegenbeispiel?

Ich habe es häufig erlebt, dass ein Experte aufgrund seiner fußballerischen Vergangenheit eingeladen wurde und dann im Studio die Frage stellt: "Was machen wir denn heute?" Von daher war die Erfahrung mit Matthias Sammer eben eine ganz besondere.

Sammer hörte als Experte auf, aber auch für Sie ging es nicht weiter bei Eurosport. Warum konnten Sie sich nicht auf die Fortsetzung einer Zusammenarbeit einigen?

Die Bundesliga war weg. 24 Spielzeiten lang war ich in dieser Liga im Einsatz und fühle mich ihr zugehörig. Als klar war, dass die Rechte von Eurosport zu DAZN gehen, war für mich auch klar, dass es für mich dort nicht weitergeht.

Seit 2017 leben Sie in München. Zuvor lebten Sie 16 Jahre in Italien, bezeichneten die Sportberichterstattung dort im Podcast "Rasenfunk" als "sexy und taktisch". Wie genau unterscheiden sich Italien und Deutschland in der Berichterstattung?

Der italienische Zuschauer hat ein taktisch höheres Niveau und versteht von Fußball mehr als der deutsche. Der Grund ist simpel: Die Journalisten im Fernsehen als auch in der schreibenden Zunft beschäftigen sich mehr mit dem Sport an sich als mit der Rucksackfarbe von Leroy Sané. Durch die neue Trainergeneration in Deutschland hat sich das Spiel zwar gewandelt, aber wir Journalisten haben uns nicht mit gewandelt.

Sie waren mit Eurosport bei den Spielen immer vor Ort, DAZN sendet bei vermeintlich kleineren Spielen aus den Studios und hat teilweise nur einen Fieldreporter vor Ort.

Ich könnte jetzt darauf schimpfen, aber man muss immer auch die andere Seite der Medaille sehen. Ich gehe felsenfest davon aus, dass DAZN gerne jedes Spiel aus dem Stadion übertragen würde – aber das kostet eben Geld. Und wenn das nicht da ist, dann kannst du es nicht ausgeben.

Apropos Geld: In den kommenden Wochen wird das Bietungsverfahren um die Bundesliga-Rechteperiode 2021/22 bis 2024/2025 eröffnet. DAZN und Sky sind die bisherigen Rechteinhaber, auch die Telekom und Amazon zeigen Interesse. Wem räumen Sie die besten Chancen ein?

Ich glaube nicht an eine Konstellation reiner Streaminganbieter, wie sie in der Champions League zustande gekommen ist. Das ist nach den letzten Berichten auch gar nicht möglich. Sky ist als großer Tanker auf dem Markt noch zu groß, hat über fünf Millionen Abonnenten, da kommt die DFL nicht dran vorbei.

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Christian Seifert sagte jüngst: "Wir wollen den optimalen und nicht den maximalen TV-Vertrag." Wenn ich da eins und eins zusammenzähle, wird Sky weiterhin die Basis für die Bundesliga sein. Dazu rechne ich mit mindestens einem, vielleicht sogar zwei Streaminganbietern.

Sky steht nach dem Verlust der Champions-League-Rechte stark unter Druck. Ist das eine Do-or-die-Vergabe für Sky?

Sky hat eben auch das Problem, dass die Rechte unfassbar teuer sind. Wenn ich sie nicht refinanziert bekomme, kann ich sie nicht einfach kaufen. Also muss ich irgendwie mit dem Geld auskommen, das ich zur Verfügung habe.

Amazon sollte dieses Problem aber nicht haben.

Sicher nicht. Amazon möchte den Einkaufswagen vollbekommen. Sie wollen Menschen auf ihre Plattform ziehen und kümmern sich vielleicht auch darum, dass die ganzen Bundesliga-Fanshops darüber laufen. Da hätten die Bundesligisten, da hätte Amazon was von – eine klassische Win-win Situation. Auch das steckt hinter einem möglichen Einstieg.

Vor zwei Jahren sagten Sie, dass Sky aufgrund des klassischen Verbreitungswegs, was die Rechtevergabe angeht, in der Pole-Position sein wird: Wie ist Ihre Meinung heute?

Die Zukunft sieht wie folgt aus: Lineares Fernsehen nutzen immer weniger Menschen. In der kommenden Rechteperiode ab 2021 ist Deutschland technologisch aber noch nicht so weit, dass die Bundesliga komplett auf Streamingplattformen laufen kann und wird. Bei der übernächsten Vergabe ab 2025 sollten dann aber circa 95 Prozent der Haushalte erreicht werden können. Darum sage ich auch: Noch kommt die DFL nicht an Sky vorbei.

Christian Seifert und auch Karl-Heinz Rummenigge äußerten sich optimistisch, dass die Erlöse von zuletzt insgesamt 4,64 Milliarden Euro noch mal gesteigert werden können.

Wenn die das sagen, dann nicht ohne Grund. Es sind unglaublich viele Anbieter auf dem Markt. Aber Sky, DAZN, Amazon und die Telekom sind für mich die vier, die das Ganze unter sich ausmachen werden.

Und wie sieht es 2025 aus?

Die entscheidende Frage wird in der Tat sein: Wie groß ist der Unterschied zwischen optimal und maximal? Mal gesponnen: Wenn "Mr. Amazon" 1,5 Milliarden Euro und damit beispielsweise das Doppelte von Sky zahlt und die DFL darauf eingehen würde, dann schauen die Konferenz am Ende keine 1,5 Millionen Zuschauer, sondern eben nur 300.000. Die DFL muss aufpassen, dass die Bundesliga eines Tages, sollte sie diesen Weg gehen, nicht von der großen Bildfläche verschwindet.

Parallele Fußballübertragungen von zwei Sendern gibt es kaum, oft ist die Rede von der "Kannibalisierung des Marktes". In anderen Sportarten, zum Beispiel Skispringen, ist es aber Usus, dass zwei Sender das gleiche Programm zeigen.

In finde es grundsätzlich nicht gut, ein Event von zwei Fernsehanstalten übertragen zu lassen.

DFL und Vereine könnten möglicherweise mehr Gelder generieren.

Vom Pay-TV wollen sie das Geld, vom Free-TV wollen sie die Masse und die Öffentlichkeit. Ich fände es nicht gut, ein Spiel vom Bezahlfernsehen zusätzlich ins frei empfangbare zu packen. Ich muss doch dem Hauptgeldgeber so viel Exklusivität wie möglich geben. Und in Deutschland gibt es ja recht zeitnah nach Spielschluss die Highlights in der Sportschau – das ist mit anderen Ländern gar nicht zu vergleichen.

Die Freitagsspiele sind aber erst fast einen Tag später zu sehen.

Der Deutsche jammert ganz gerne und ist nie damit zufrieden, was er hat. Ihn interessiert auch nicht, dass in Bezug auf die Spieltags-Zersplitterung im europäischen Vergleich der Status Quo in Deutschland nach wie vor der beste in allen Topligen ist. Ich meine: Spanien hat zehn verschiedene Anstoßzeiten. Darum kann ich zum Beispiel auch die populistische Diskussion um die Montagsspiele nicht mehr ertragen.

Warum populistisch?

Da geht mir der Kamm schon wieder hoch. So ein Schwachsinn. Das wurde einfach nur ausgeschlachtet, weil keiner zu den Menschen hingegangen ist und gesagt hat: Freunde, ihr habt eine Matheschwäche.

Wie meinen Sie das?

Seit es die fünf Montagsspiele gibt, gibt es nur noch zwei Englische Wochen – und nicht mehr wie zuvor drei. In einer Englischen Woche müssen insgesamt neun Fangruppen zu Auswärtsspielen reisen.

Bei fünf Montagsspielen sind es nur fünf Gruppen. Effektiv ergibt das die Rechnung neun minus fünf. Also hat sich die Situation für die Fans effektiv verbessert. Ob ich Dienstag, Montag oder Mittwoch reise – das ist völlig egal. Das war reiner Populismus.

Dann hätte das die DFL aber deutlich transparenter erklären müssen.

Nicht nur die DFL, auch die Vereine. Alle 36 Mannschaften haben damals gesagt: Ja, wir wollen die Montagsspiele – jetzt wurden sie wieder für die neue Rechteperiode abgeschafft. Da haben die Vereine klein beigegeben. Das geht so nicht. Das war eine unangebrachte Diskussion. Ich kann es mir nicht erklären und kann es nicht begreifen. Das ganze Thema hat eine Eigendynamik bekommen und einen Hass auf den Montag ausgelöst, sodass sogar der geliebte Montagstermin für die zweite Liga abgeschafft wurde.

Ab 2021 läuft das Zweitligaspiel dann wohl am Samstagabend nach dem Bundesliga-Topspiel.

Genau, wer guckt sich das dann noch an? Ich kann die Entscheidung bezüglich des Montags nicht nachvollziehen, weder was die zweite noch die erste Liga angeht. Da hat der Populismus und nicht die Rationalität gewonnen.

Die Sorge der Fans, dass der Spieltag mehr und mehr zerstückelt wird, ist aber doch durchaus nachvollziehbar.

Klar. Ich finde aber auch, dass das Rad noch nicht überdreht ist. Die Kernzeit am Samstag um 15.30 bleibt. Die Konferenz ist ein deutsches Produkt, es gehört zur Unterhaltung mit dazu. Wenn wir das nicht mehr haben, dann würde dem Fußball hierzulande etwas fehlen. Aber so wie es derzeit aufgeteilt ist, ist es gut verträglich. Ein guter Mittelweg ist wichtig – und ich glaube, dass Christian Seifert den finden wird.

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