Beruf & Karriere Reinhold Würth liest Mitarbeitern die Leviten - IG Metall reagiert verärgert
Das Würth-Management hat sich ein Ziel gesetzt, die Mitarbeiter sollen es erfüllen. Wenn die Vorgaben nicht erreicht werden, könnten Konsequenzen drohen. So kann man einen Brandbrief vom Vorsitzenden des Stiftungsaufsichtsrates, Reinhold Würth, interpretieren.
Die "Stuttgarter Zeitung" hatte Auszüge des siebenseitigen Briefes veröffentlicht. In dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, liest der Vorsitzende des Stiftungsaufsichtsrates der Künzelsauer Würth-Gruppe seinen Außendienstmitarbeitern kräftig die Leviten.
Würth: Firmengewinn könnte unter Druck geraten
Im ersten Halbjahr 2012 hätten sie nur 3,3 Prozent Wachstum erzielt. Dabei wolle der Konzern bis zum Jahr 2020 20 Milliarden Umsatz erwirtschaften, also den Umsatz in den kommenden acht Jahren verdoppeln. Wegen der "miserablen Umsatzzuwachsrate" des ersten Halbjahrs könne der Firmengewinn so unter Druck geraten, "dass wir uns von Außendienstlern, die vielleicht nicht mehr als ihre eigenen Kosten verdienen, trennen müssten".
Würth zitiert die Weisheit "Morgenstund' hat Gold im Mund" und legt den Außenmitarbeitern nahe, sich ein Beispiel am Innendienst zu nehmen. Die Angestellten in der Zentrale seien mit Mittagspause von 7.30 bis 17.15 Uhr im Dienst. "Sind Sie um 7.30 Uhr beim ersten Kunden?"
"Geduld der Zentrale nicht überfordern"
Seine 63-jährige Berufserfahrung sage ihm, dass ein großer Teil der Außendienstmitarbeiter die Arbeitszeit nur zu 60 bis 70 Prozent nutze. "Ausdrücklich: Ich denke nicht daran, den Außendienst abzuschaffen, appelliere aber an Sie alle, die Geduld der Zentrale nicht zu überfordern."
Die Gewerkschaft IG Metall ist entsetzt: "Eine solche Schärfe, was den Vertrieb angeht, kenne ich nur aus dem Betrieb Würth", sagte Gewerkschaftsbevollmächtigte Heide Scharf. Sie habe das Unternehmen schon länger im Blick: "Nach außen hin ist alles super, aber wenn man nur ein bisschen kratzt, ist gleich der Lack ab."
Kein Betriebsrat
Trotz knapp 66.000 Mitarbeiter weltweit und mehreren tausend in der Region gebe es bei Würth keinen Betriebsrat - nur einen Vertrauensrat ohne jegliche rechtliche Grundlage. Es sei höchste Zeit, einen Betriebsrat zu wählen, forderte Scharf. Auch müssten die Gehälter der Mitarbeiter mit einem Tarifvertrag geregelt werden. Die Initiative müsse allerdings von den Mitarbeitern kommen. "Doch die Leute haben einfach Angst und trauen sich nicht."
Norbert Heckmann, Vorsitzender der Würth-Geschäftsführung, antwortete schriftlich auf die Veröffentlichung des Briefes: Ziel sei es, die Kunden zu begeistern. "Daher ist die Führung leistungsbezogen und darauf aus, eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit zu generieren, getreu unserer Kulturregel "Je größer der Erfolg umso höher die Freiheitsgrade"." In jährlichen anonymisierten Mitarbeiterbefragungen werde ihnen eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit im Außendienst bestätigt.