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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aktivrentner ohne Aktivrente "Viele müssten noch nicht in Rente gehen"

Während Politiker noch über die Aktivrente diskutieren, arbeiten etliche Rentner schon heute. Was motiviert Menschen, im Alter noch oder wieder tätig zu sein? Drei Erfahrungsberichte.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas schickt das erste Rentenpaket der neuen Bundesregierung auf den Weg. Darin bislang nicht enthalten, aber für später angekündigt: die Aktivrente. Mit ihr sollen Rentner künftig bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei zur Rente oder sonstigen Einkünften hinzuverdienen dürfen.
Doch manche wollen nicht warten, bis dieser Plan umgesetzt wird. Sie haben sich auch ohne Aktivrente für eine Weiter- beziehungsweise Wiederbeschäftigung entschieden. Zwei Männer und eine Frau erklären die Beweggründe für ihre Arbeit im Alter.
"Ich bin froh, dass ich unter Menschen bin"
"Ich finde es sehr gut, dass Friedrich Merz sagt, in Deutschland müsse wieder mehr gearbeitet werden", verrät Gabriele Paech. Bürgergeldempfänger werden ihrer Ansicht nach zu lasch behandelt und von der Forderung nach mehr Work-Life-Balance hält sie nichts. Anstatt Arbeitszeit zu reduzieren, befürwortet die Rentnerin den Beibehalt einer 40-Stunden-Woche.
Sie selbst hat 50 Jahre lang in Vollzeit gearbeitet und erwartet auch von anderen eine solche Leistungsbereitschaft. Seit fünf Jahren ist sie Rentnerin, arbeitet dennoch weiter. Ihr Arbeitgeber ist eine Veranstaltungsfirma, in der sie insgesamt schon seit 26 Jahren kaufmännisch tätig ist.
Mit Renteneintritt wechselte sie von einer Vollzeitstelle in einen Minijob, den sie zwei Jahre lang ausübte. Betrieblich ergab es sich, die wöchentliche Stundenzahl von zehn auf zwanzig zu erhöhen und aus dem Mini- einen Midijob zu machen. Doch das wurde ihr zum Verhängnis: Während der Minijob ein steuerfreier Zuverdienst war, werden für den Midijob Steuern fällig.
"Ich war naiv und wusste nicht, was das steuerlich für mich bedeutet", gesteht sie. "Als der Bescheid kam, ich müsse 4.200 Euro nachzahlen und ab jetzt quartalsweise 560 Euro vorauszahlen, habe ich einen Schlag gekriegt und bin seitdem stocksauer. Im Grunde ziehen die mir das ab, was ich mehr arbeite. Ich fühle mich durch die Steuerbelastung so betrogen. Das ist eine Abzocke und ein Affront gegen arbeitswillige Bürger."
Wie sie das Geld bezahlen soll, weiß Gabriele Paech noch nicht. "Ich muss es irgendwie zusammenkratzen", sagt sie im Gespräch mit t-online. Erbost fährt sie fort: "Ich finde das so unverschämt von dem Staat und ich frage mich, wer solche Gesetze erlassen hat. Ich gehöre doch zu denjenigen, die eigentlich gewünscht sind, indem sie länger arbeiten und sich einbringen. Trotzdem werden mir solche Steine in den Weg gelegt."
Die 70-Jährige meint, die Aktivrente hätte es schon vor Jahrzehnten gebraucht. "Man hätte da auch schon früher drauf kommen können", sagt sie. "Nun hoffe ich, dass sie so schnell wie möglich kommt." Bis es so weit ist, überlegt sie nun, aufgrund der hohen Steuerlast aus dem Midi- wieder einen Minijob zu machen, obwohl das für den Betrieb von Nachteil wäre. Außerdem tun ihr die 20 Wochenstunden nicht weh, im Gegenteil:
"Es macht mir Spaß, ich arbeite gerne und ich bin froh, dass ich unter Menschen bin. Wenn man alleinstehend ist, ist sozialer Kontakt wichtig. Denn ich will nicht zu Hause meine Zeit vertrödeln."
"Mir fiel die Decke auf den Kopf"
So geht es auch Roland Hoffmann. Der Rentner beendete im November 2024 seine 35-jährige Selbstständigkeit als Handelsvertreter in einem Unternehmen, das Tiefkühlkost verkauft. Er konnte aber nicht lange untätig sein. "Nach vier Wochen Rentnerdasein fiel mir die Decke auf den Kopf", sagt er.
Also hörte er sich in seinem Freundeskreis nach möglichen Tätigkeiten um und ließ sich so rasch zwei kleine Jobs vermitteln. In dem einen kommissioniert er einen Tag in der Woche Waren für einen Online-Versandhandel. In dem anderen kümmert er sich an einem weiteren Tag um Grünanlagen.
"Ich möchte nicht nur zu Hause sitzen, dafür bin ich einfach noch zu aktiv im Leben. Ich arbeite seit meinem 16. Lebensjahr, bin Arbeiten also gewohnt und mache es sehr gerne – zwar keine fünf Tage pro Woche mehr, aber mit zweien bin ich sehr zufrieden. Meine Gesundheit lässt das noch zu und meine Frau sagt: 'Du bist dadurch ausgeglichen, so wie früher.'"
Roland Hoffmann ist gelernter Dachdecker und arbeitete zunächst viele Jahre in diesem Beruf, bis er in die Handelsvertretung "reinrutschte" und dort bis zum Renteneintritt blieb, wie er sagt. Seine staatliche Rente betrage zwar nur rund 600 Euro, er schloss jedoch als Selbstständiger mehrere Lebensversicherungen ab, die ihn nun hauptsächlich absichern. "Ich komme gut mit dem Geld aus und finanzielle Gründe sind für meine Weiterbeschäftigung nicht ausschlaggebend", verrät der 69-Jährige.
Ihm ist jedoch bewusst, dass seine gute körperliche Verfassung nicht auf jeden zutrifft: "Ich hatte nie das Gefühl, ausgepowert zu sein. Dass aber ein Arbeitnehmer, der am Band oder im Bau arbeitet, nicht bis 70 arbeiten möchte, kann ich vollkommen verstehen."
"Viele müssten noch nicht in Rente gehen"
Einer, der ebenfalls körperlich und geistig noch zum Weiterarbeiten fähig ist, ist Stefan Otto-Bach. Ursprünglich wollte er sich aus dem Arbeitsleben verabschieden, noch bevor er offiziell in Rente hätte gehen können. Denn seine Arbeit an einer Förderschule war so anstrengend, dass er die letzten Monate bis zum Renteneintritt lieber Arbeitslosengeld beziehen und dann ein entspanntes Rentnerdasein führen wollte.
"Ich merkte aber nach sechs Wochen, dass Nichtstun nicht mein Ding ist", sagt er t-online. Also bewarb er sich beim Integrationsfachdienst, wurde genommen und macht dort seit etwa zwei Jahren Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen.
"Ich mache das nicht primär aus finanziellen Gründen. Natürlich ist es schön, jetzt eine Menge Geld zur Verfügung zu haben, aber meine Motivation, während der Rente weiterzuarbeiten, ist, dass es mir zu Hause zu langweilig wäre. Und was ich tue, ist gesellschaftlich wichtig. Ich fühle mich privilegiert, dass ich etwas machen kann, was mir Spaß macht und was ich gut kann."
Der Nordrhein-Westfale war sein Leben lang bei unterschiedlichen sozialen Trägern tätig und vermittelte Problemgruppen in Arbeit, zeitweise auch als Arbeitsvermittler bei der Arbeitsagentur. Schon aus beruflicher Erfahrung weiß er, wie wertvoll es ist, verschiedene Menschen für den Arbeitsmarkt zu gewinnen. Deshalb sagt er:
"Ich finde es völlig richtig, dass der Staat schaut, welche Potenziale bestehen, um den Fachkräftemangel zu beseitigen. Da kann man über viele Gruppen nachdenken, auch über Rentner. Wir sind eine gut erholte Rentnergeneration. Die Qualifikationen, die wir haben, sind alle noch gut verwertbar. Viele Leute in meinem Alter sind hoch qualifiziert und müssten noch nicht in Rente gehen."
Der 68-Jährige ist aber nicht missionarisch unterwegs, um Altersgenossen zu überzeugen, es ihm gleichzutun. Dennoch wünscht er sich nicht nur für seinen eigenen finanziellen Vorteil die Einführung einer Aktivrente, sondern auch als Anreiz für andere, weiter tätig zu sein oder wieder tätig zu werden. "Ich hoffe, dass sie bald kommt und nicht erst in ein paar Jahren."
- Telefoninterviews mit t-online-Nutzern