Insolvenzrechtsreform: Keine Welle von Verbraucherpleiten
Berlin (dpa) - Die Corona-Krise bringt viele Menschen in finanzielle BedrĂ€ngnis. Die befĂŒrchtete Welle von Verbraucherpleiten nach der Reform des Insolvenzrechts ist bislang jedoch ausgeblieben.
Seit derVerkĂŒrzung der Restschuldbefreiungauf drei Jahre ist die Zahl der Insolvenzen trotz Kurzarbeit und EinkommenseinbuĂen in der Pandemie nur leicht gestiegen, wie Insolvenzrechtsexperten und VerbraucherschĂŒtzer berichten. Mit einer Pleitewelle in diesem Jahr rechnen sie nicht.
Anstieg der Insolenzen prognostiziert fĂŒr 2021
"Wir erwarten in diesem Jahr einen deutlichen, aber keinen dramatischen Anstieg der Verbraucherinsolvenzen", sagte Christoph Niering, Vorsitzender des Berufsverbands der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID). Im ersten Quartal habe er nur einen leichten Zuwachs festgestellt.
Verbraucher und Firmen werden bei einer Insolvenz inzwischen nach drei Jahren statt wie bisher weitgehend ĂŒblich nach sechs Jahren von ihren restlichen Schulden befreit. So sollen sie schneller wieder aktiv am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen können. Die VerkĂŒrzung gilt rĂŒckwirkend fĂŒr alle Insolvenzverfahren, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. Experten hatten damit gerechnet, dass Ăberschuldete dieĂnderungabwarten wĂŒrden und die Insolvenzzahlen anschlieĂend deutlich steigen.
"Keiner geht gerne zum Insolvenzgericht. Das passiert in der Regel nur, wenn der Druck zu groà wird, zum Beispiel weil die Bank das Konto sperrt oder das Finanzamt vollstreckt", berichtete Insolvenzrechtsanwalt Niering. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie gebe es aber kaum Vollstreckungen von FinanzÀmtern und Krankenkassen, zugleich gebe es Empfehlungen der Regierung mit Stundungen kulant umzugehen. "Das nimmt Druck von den Menschen."
Speicherfirst, Schufa und die BonitÀt der Verbraucher
Christoph Zerhusen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen berichtet ebenfalls von gestiegenen Anfragen und mehr AntrÀgen bei der Schuldnerberatung seit Inkrafttreten der Reform zu Jahresbeginn. Er rechne zwar mit einem Anstieg der Verbraucherinsolvenzen im Laufe des Jahres, eine Welle zeichne sich bisher aber nicht ab.
Auch wenn das Verfahren nach drei Jahren beendet ist, bleiben die Daten der Betroffenen weitere drei Jahre bei Auskunfteien wie der Schufa gespeichert. "Die BonitĂ€t der Verbraucher ist damit immer noch mit einem Makel behaftet", kritisierte Zerhusen. Sie hĂ€tte dadurch Schwierigkeiten, Handy-VertrĂ€ge abzuschlieĂen, Kreditkarten zu bekommen oder eine neue Wohnung zu mieten. "Wenn den Menschen eine echte zweite Chance eingerĂ€umt werden soll, muss die Speicherfrist auf ein Jahr verkĂŒrzt werden", forderte Zerhusen.
In der sogenannten Wohlverhaltensphase, die mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt, mĂŒssen Schuldner zudem nicht nur Vermögen aus Erbschaften, sondern auch Schenkungen zur HĂ€lfte herausgeben. Gewinne aus Lotterien mĂŒssen sie vollstĂ€ndig abgeben. "Es gibt eine groĂe Anzahl von AntragshĂŒrden, die die Betroffenen nehmen und Regeln, die sie beachten mĂŒssen. Trotz der auf drei Jahre verkĂŒrzten Laufzeit wird den Verbrauchern der Neuanfang immer schwerer gemacht", kritisierte Niering.