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Orthorexie nervosa: Die wichtigsten Fakten zur Essstörung


Zwanghaft gesund essen
Orthorexie: Die wichtigsten Fakten zur Essstörung

tl (CF), fsch

Aktualisiert am 26.06.2018Lesedauer: 4 Min.
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Orthorexie ist eine Essstörung, bei der der Wunsch nach gesunder Ernährung zum Zwang wird.Vergrößern des Bildes
Orthorexie ist eine Essstörung, bei der der Wunsch nach gesunder Ernährung zum Zwang wird. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Von Orthorexie (Orthorexia nervosa) spricht man, wenn Menschen zwanghaft bemüht sind, sich gesund zu ernähren.

Orthorexie – Was ist das?

Orthorexie beschreibt ein Essverhalten, bei dem gesunde Ernährung mehr als nur ein erstrebenswertes Ziel ist. "Orthorexie ist eine Fixierung auf den Verzehr von ausschließlich gesunden Lebensmitteln", erklärt Friederike Barthels vom Institut für experimentelle Psychologie der Universität Düsseldorf.

Der Begriff Orthorexie (griech. orthos = richtig, orexis = Verlangen, Appetit) wurde 1997 erstmals vom US-amerikanischen Alternativmediziner Steven Bratman verwendet. Dieser verfolgte selbst eine sehr extreme Diät und ernährte sich zeitweise nur von Gemüse, das biologisch angebaut und höchstens 15 Minuten vor der Zubereitung geerntet wurde.

AIm Gegensatz zu Essstörungen wie Magersucht (Anorexia nervosa) und Bulimie (Bulimia nervosa) ist Orthorexie in der Schulmedizin kein anerkanntes Krankheitsbild. Im ICD-10, dem Diagnoseklassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation, sucht man den Begriff vergeblich. Nach Ansicht von Experten hängt die Essstörung aber eng mit Magersucht zusammen. "In beiden Fällen selektieren Betroffene ihre Nahrung sehr genau und streichen viele Lebensmittel vom Speiseplan", sagt Barthels. Orthorektiker achten dabei allerdings weniger auf die Menge als auf die Qualität dessen, was sie essen.

Info: Wie viele Menschen zwanghaft an gesundes Essen denken, ist statistisch nicht untersucht. Nach ersten Schätzungen aus einer Studie der Universität Düsseldorf sind circa ein bis zwei Prozent der Menschen in Deutschland geradezu besessen vom Bestreben, sich gesund zu ernähren. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer.

Typische Symptome der Orthorexie

Die Grenze zwischen gesundem und zwanghaft gesundem Essen ist oft fließend. "Man spricht immer dann von einer psychischen Störung, wenn sie das Alltagsleben der Betroffenen dominiert", sagt Cora Weber, Fachärztin für Psychosomatische Medizin an der Berliner Charité. Kritisch wird es also, wenn Genuss und Freude am Essen zunehmend in den Hintergrund treten und Essen zur Ersatzreligion wird, um die alle Gedanken kreisen.

Orthorexie macht sich dadurch bemerkbar, dass Betroffene alle vermeintlich ungesunden Nahrungsmittel vermeiden – vor allem solche, die viel Zucker und Fett enthalten. Die Kriterien für "gesund" und "ungesund" sind dabei subjektiv gewählt und orientieren sich nur bedingt an allgemeinen Ernährungsempfehlungen. Oft wird zum Beispiel Gluten gemieden, auch wenn keine Glutenunverträglichkeit vorliegt. Viele verzichten aufgrund eventueller Schadstoffe auf Produkte aus konventionellem Anbau, andere meiden Nahrungsmittel, die als krebserregend gelten. Im Extremfall ernähren sich Orthorektiker nur noch von Gemüse und Obst. Deshalb sind Vegetarier oder Veganer oft Orthorektiker.

Typisch für Orthorexie ist auch, dass sich die Betroffenen bestimmte Zubereitungsarten oder Zeitpläne machen. So dürfen Nahrungsmittel beispielsweise nur in bestimmten Kombinationen oder zu bestimmten Zeiten gegessen werden. Einkauf, Organisation und Zubereitung der Mahlzeiten nehmen eine große Rolle ein.

Abweichungen vom selbst auferlegten Speiseplan lösen bei Betroffenen meist Groll und Unruhe aus. Der Verzehr von ungesunden Nahrungsmitteln führt zu Schuldgefühlen und wird durch noch extremerer Selbstkasteiung versucht wieder auszugleichen. Im Gegensatz gibt ihnen das Einhalten der Diät das Gefühl von Kontrolle und Sicherheit.

Typische Symptome für Orthorexie sind:

  • sehr einseitige Ernährung
  • bestimmte Regeln und Rituale in Bezug auf Zubereitung und Verzehr von Lebensmitteln
  • starke Auseinandersetzung mit dem Thema Ernährung sowie den Inhaltsstoffen von Lebensmitteln
  • frühzeitiges Planen von Mahlzeiten (oft mehrere Tage im Voraus)
  • schlechte Laune nach dem Verzehr von ungesunden Lebensmitteln
  • zwanghaftes Kontrollieren und Dokumentieren der Ernährung

Mögliche Folgen der Orthorexie

Wer an Orthorexie leidet, verliert häufig stark an Gewicht. Teilweise ist das Essverhalten so einseitig und eingeschränkt, dass es zu Mangelerscheinungen und körperlichen Beeinträchtigungen kommt. So sind Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen und bei schwerem Verlauf sogar niedriger Blutdruck und verlangsamter Puls häufige Folgen von Orthorexie. Auch die Gefahr, dass Orthorektiker in eine lebensbedrohliche Magersucht abrutschen, ist erhöht.

Häufig leiden soziale Kontakte unter der Erkrankung: Für Betroffene ist gesundes Essen meist der einzige Lebensmittelpunkt, Hobbys oder Interessen bleiben oft auf der Strecke. Orthorektiker nehmen kaum noch Einladungen oder Verabredungen zum Essen mehr an – aus Angst, keine Kontrolle über die Zutaten zu haben, und nicht zu wissen, was genau in den jeweiligen Lebensmitteln steckt.

Die AOK macht darauf aufmerksam, dass auch Familie und Freunde sich häufig zurückziehen, weil Erkrankte oft versuchen, ihr Umfeld von ihrer Vorstellung einer gesunden Ernährung zu überzeugen. Die Folge ist eine soziale Isolation, die Betroffene wiederum anfälliger für weitere psychische Krankheiten machen kann, beispielsweise Depressionen.

Mögliche Ursachen der Essstörung

Hinter Orthorexie steckt meist die Sorge, durch vermeintlich ungesunde Ernährung dem Körper zu schaden. Nicht um abzunehmen, haben sie Schnitzel und Pommes vom Speiseplan gestrichen, sondern um einem Herzinfarkt vorzubeugen. Manche verzichten auf bestimmte Lebensmittel, um chronische Leiden zu lindern.

Häufig verbinden sich diese Sorgen bei Betroffenen mit dem Wunsch, schlank zu sein. Bei vielen entwickelt sich die Krankheit daher auch in Folge einer Diät. Das Risiko für Orthorexie ist daher auch bei Frauen besonders hoch.

Weber zufolge handelt es sich auch um ein Zeitgeist-Phänomen, das mit der Rückbesinnung auf die Natur, aber auch mit den Lebensmittelskandalen der jüngsten Zeit zu tun hat. "Es ist der Wunsch nach Kontrolle und Gesundheit." Auch aus dem jüngst veröffentlichten Werte-Index des Trendforschers Peter Wippermann geht hervor, dass Gesundheit für die Deutschen die höchste Bedeutung hat – noch vor Freiheit und Erfolg.

Wie kann man Orthorexie heilen?

Bei der Behandlung wird Orthorexie selten als eigenständige Krankheit angesehen. Da sie oft ein ähnliches Krankheitsbild wie Anorexie, also Magersucht, aufweist, erfolgt eine Therapie häufig als Gruppentherapie gemeinsam mit Magersüchtigen oder als Verhaltenstherapie beim Psychotherapeuten. In schweren Fällen kann auch eine mehrwöchige, stationäre Therapie in einer Klinik für Essstörungen erfolgen.

Test: Wann ist gesunde Ernährung krankhaft?

Steven Bratman hat einen Selbsttest entwickelt, mit dem Sie einschätzen können, ob Ihr Ernährungsverhalten gestört ist. Können Sie vier oder mehr Fragen mit JA beantworten, leiden Sie womöglich unter Orthorexie und sollten sich an einen Arzt werden.

  1. Denken Sie mehr als drei Stunden am Tag über Ihre Ernährung nach?
  2. Planen Sie Ihre Mahlzeiten mehrere Tage im Voraus?
  3. Ist Ihnen der ernährungsphysiologische Wert Ihrer Mahlzeit wichtiger als die Freude an deren Verzehr?
  4. Hat die Steigerung der angenommenen Lebensmittelqualität zu einer Minderung Ihrer Lebensqualität geführt?
  5. Sind Sie in letzter Zeit strenger mit sich geworden?
  6. Verzichten Sie auf Lebensmittel, die Sie früher gerne gegessen haben, um sich nun "richtig" zu ernähren?
  7. Steigert sich Ihr Selbstwertgefühl durch gesunde Ernährung?
  8. Schauen Sie auf andere herab, die dies nicht tun?
  9. Fühlen Sie sich schuldig, wenn Sie von Ihrer Diät abweichen?
  10. Sind Sie durch Ihre Essensgewohnheiten sozial isoliert?
  11. Wenn Sie sich gesund ernähren, fühlen Sie sich dann glücklich, dass Sie alles unter Kontrolle haben?
Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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