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Russland-Deal: Mali hat sich verzockt – Kampf mit Rebellen eskaliert


Kämpfe eskalieren
Malis Russland-Deal könnte sich nun rächen

MeinungVon Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programmes der KAS

15.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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Russlands Präsident Wladimir Putin und Malis Interimspräsident Assimi Goïta: Die Militärregierung hatte Warnungen vor einem Chaos beiseite gewischt. (Quelle: Mikhail Metzel/Tass/imago images)

Mali hat die westlichen Partner hinausgeworfen und setzt stattdessen auf Russland. Nun eskalieren die Kämpfe mit Rebellen. Bricht das Land nun endgültig zusammen?

In Mali eskaliert mit dem Abzug der Bundeswehr der Konflikt zwischen Regierung, Rebellen und Dschihadisten im Norden des Landes. Mehr als hundert Menschen sind in den vergangenen Tagen bei Anschlägen und Kämpfen ums Leben gekommen. Und eine UN-Einheit suchte gar das Weite, um nicht zwischen die Fronten zu geraten. Bricht Mali jetzt endgültig zusammen?

Dieser Frage geht Ulf Laessing, Leiter des Sahel-Programmes der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Hauptstadt Bamako, in einem Gastbeitrag für t-online nach:

Mit dem Abzug flammt ein alter Konflikt wieder auf

Während Naturkatastrophen in Marokko und Libyen derzeit die Nachrichten aus Afrika dominieren, versinkt Nord-Mali eher unbemerkt in einer Gewaltspirale. Dschihadisten, Rebellen und die malische Armee versuchen, ein Vakuum auszunutzen, das mit dem Abzug der Bundeswehr und der restlichen Blauhelmtruppen – zu der die Bundeswehr gehört – entsteht.

(Quelle: Zoubeir Souissi)

Zur Person

Ulf Laessing leitet das Regionalprogramm Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit Sitz in der malischen Hauptstadt Bamako.

Der Bundeswehr-Einsatz ist viel kritisiert worden, weil sich die Sicherheitslage in Mali seit der Ankunft der Blauhelme vor zehn Jahren stetig verschlechtert hat. Doch jetzt zeigt sich: Die UN-Truppen hielten die Konfliktparteien auseinander; mit dem Abzug flammt der Konflikt um die Kontrolle des Nordens nun wieder voll auf.

Es begann vor drei Wochen, als UN-Truppen vorzeitig einen Stützpunkt nahe der Stadt Timbuktu in Nord-Mali verließen – und als die malische Armee und angeblich russische Söldner plötzlich begannen, vorzurücken. Die Regierung in Bamako wollte ein Zeichen der Stärke setzen. Doch Tuareg-Rebellen, die 2012 die Region kurzzeitig erobert hatten und dort noch immer viel Einfluss ausüben, ließen sich dies nicht gefallen. Sie zogen ebenfalls Einheiten zusammen, worauf Kämpfe zwischen Armee und Rebellen ausbrachen.

Dschihadisten greifen Schiff an

Seitdem überschlagen sich die Ereignisse: Dschihadisten, die lose mit den Tuareg-Rebellen kooperieren, haben alle Zufahrtswege nach Timbuktu, eine der größten Städte des Nordens, blockiert und ein Passagier-Schiff auf dem Niger-Fluss mit Mörsergranaten beschossen. Mehr als hundert Menschen kamen dabei um. Der Fluss galt bislang als sichereres Verkehrsmittel als die Straße. Nun nahmen Rebellen auch noch kurzzeitig eine Stadt in der Nähe ein.

Dies alles erinnert an 2012, als Dschihadisten und Rebellen den Norden eroberten, bis die französische Armee sie wieder von dort vertrieb. Auch am Bundeswehr-Standort Gao nimmt die Gewalt zu. Dort griffen Rebellen einen Armeestützpunkt unweit des Flughafens an.

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Die Lage dürfte in den nächsten Monaten noch schlimmer werden, wenn die Bundeswehr und die UN bis Ende Dezember ihre zwölf Stützpunkte räumen. Zehntausende Menschen werden dann ihre Jobs verlieren und viele damit ihre Existenzgrundlage, da Förderprojekte wie Berufsqualifizierungen auslaufen. Die UN waren im Norden so etwas wie ein Ersatz für einen kaum existierenden Staat. Viele werden in das Nachbarland Niger fliehen oder sich möglicherweise aus Verzweiflung den Dschihadisten anschließen.

Hat sich Bamako mit dem Rausschmiss der UN verzockt?

Die Militärregierung hatte den schnellen Abzug gefordert und Warnungen vor einem Chaos beiseite gewischt. Die aktuelle Entwicklung zeigt: Möglicherweise hat sie sich mit einer Partnerschaft mit Russland verzockt. Bamako setzt nun voll auf die militärische Karte. Sie hat sich bei Russland mit Söldnern sowie Dutzenden Flugzeugen und Hubschraubern eingedeckt. Die malische Armee ist derzeit dabei, Kräfte im Norden zu konzentrieren, um die Rebellen zurückzudrängen und die UN-Stützpunkte zu übernehmen, doch eine gravierende Schwäche bleibt: Die Malier haben bislang kein Territorium halten können.

In Bamako ist die Lage noch ruhig, doch mit Norwegen macht nach Tschechien ein weiteres europäisches Land seine Botschaft dicht. Nicht nur die Sicherheitslage spielte bei der Entscheidung eine Rolle, sondern auch die Frage, wo man in Mali angesichts der Gewalt und Bamakos Kooperation mit Moskau noch Projekte der Entwicklungszusammenarbeit umsetzen kann.

Die KAS ist eine der CDU ideell nahestehende Denkfabrik, die sich unter anderem für die europäische Verständigung einsetzt.

Da lohnten die Kosten einer Botschaft einfach nicht, heißt es bei Diplomaten. Und die Ruhe in der Hauptstadt ist trügerisch. Die Dschihadisten könnten versuchen, in Bamako Anschläge zu verüben, um die Armee mit einer zweiten Front zu zwingen, Einheiten aus dem Norden wieder abzuziehen.

Krise in Nord-Mali könnte auch bald Niger erreichen

Der Bundeswehr-Abzug geht unterdessen dem Vernehmen nach planmäßig weiter, soweit die Sicherheit hält. Die Deutschen fliegen jetzt Material von Gao über Bamako und Senegal nach Deutschland aus, da die Route nach Niger aufgrund des dortigen Putsches praktisch versperrt ist.

Die Krise in Nord-Mali könnte auch bald Niger erreichen: Dort hatten sich Ende Juli Offiziere an die Macht geputscht. Seit dem Sturz des demokratischen Präsidenten sind die Militärs damit beschäftigt, ihre Macht zu festigen und eine französische Anti-Terror-Einheit loszuwerden; das sorgt innenpolitisch für Pluspunkte.

Ein Abzug der Franzosen und ein Ende der Kooperationen mit Europa dürfte die nigrische Armee aber schwächen. Ein Schwerpunkt der Europäer war, Niger zu helfen, die 800-Kilometer lange Grenze zu Mali zu sichern, aber die Projekte sind wegen des Putsches auf Eis gelegt worden. Die Dschihadisten in Nord-Mali könnten dies ausnutzen, um auch Niger weiter zu destabilisieren.

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