• Home
  • Politik
  • Ukraine
  • Gewalt an Frauen im Ukraine-Krieg: "Zieh dich aus oder ich erschieße dich"


Schlagzeilen
AlleAlle anzeigen

Symbolbild fĂŒr einen TextRussland droht NorwegenSymbolbild fĂŒr einen TextTexas: Neue Details zu toten MigrantenSymbolbild fĂŒr einen TextWĂ€rmepumpen fĂŒr alle? Neue OffensiveSymbolbild fĂŒr einen TextFahrer erleidet Verbrennungen: VW-RĂŒckrufSymbolbild fĂŒr einen TextUS-Senator legt sich mit Sesamstraße anSymbolbild fĂŒr einen TextCameron Diaz feiert ComebackSymbolbild fĂŒr einen TextTennis: Deutsche attackiert PartnerinSymbolbild fĂŒr einen TextBritney Spears' Mann spricht ĂŒber EheSymbolbild fĂŒr einen TextWerder Bremen mit Transfer-DoppelschlagSymbolbild fĂŒr einen TextZDF-Serienstar von Freundin getrenntSymbolbild fĂŒr einen TextLeipzigerin von Scientology verschleppt?Symbolbild fĂŒr einen Watson TeaserLena Meyer-Landrut plant radikalen SchrittSymbolbild fĂŒr einen TextSchlechtes Hören erhöht das Demenzrisiko

"Er befahl mir: 'Zieh dich aus oder ich erschieße dich'"

  • Marianne Max
Von Marianne Max

19.04.2022Lesedauer: 6 Min.
Berichte ĂŒber Massenvergewaltigungen und Ermordungen: Immer mehr Belege tauchen auf ĂŒber Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung. (Quelle: Glomex)
Facebook LogoTwitter LogoPinterest LogoWhatsApp Logo

Verschleppt, verletzt und vergewaltigt: Immer mehr Frauen berichten davon, im Krieg in der Ukraine sexualisierte Gewalt erfahren zu haben. Was ist bekannt ĂŒber diese FĂ€lle – und wie können die Verbrechen geahndet werden?

Zwei russische Soldaten verfolgten sie von einem Laden bis in ihr Haus. "Sie zogen mich aufs Bett und drĂŒckten mich mit dem Maschinengewehr nieder", erzĂ€hlt Elena* "Euronews". Die etwa 50-JĂ€hrige kommt aus Cherson, einer Stadt im SĂŒden der Ukraine. Erst nachdem sie ĂŒber 13 Stunden vergewaltigt worden war, sollen die Soldaten von ihr abgelassen haben.

Anna* wohnt in einem Vorort von Kiew. Ein fremder Soldat trat in ihre Wohnung und zerrte sie in ein nahe gelegenes Haus, erzĂ€hlt sie der "BBC". "Er befahl mir: 'Zieh dich aus oder ich erschieße dich.'" Dann vergewaltigte er sie. SpĂ€ter habe sie ihren Mann gefunden, eine klaffende Schusswunde in seinem Bauch. Er soll versucht haben, sie zu retten. Nun ist er tot.

Vera* ist 83 Jahre alt. Sie berichtet "CBS News" von einem russischen Soldaten, der sie im Nacken packte und vergewaltigte. "Ich könnte deine Mutter sein. WĂŒrdest du wollen, dass das mit deiner Mutter passiert?", habe sie ihn gefragt. Doch er brachte sie zum Schweigen. Als er fertig war, gab er mit seinem Gewehr mehrere SchĂŒsse in die Luft ab. Anziehen durfte sich Vera nicht, berichtet sie. "Er hĂ€tte mich erschießen sollen, statt mir das anzutun."

ANZEIGEN
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Meistgelesen
Warum Putin nicht verhaftet wird
Wladimir Putin: Der russische PrÀsident besuchte erstmals nach Beginn des Ukraine-Krieges mit Tadschikistan und Turkmenistan zwei auslÀndische Staaten.


Eine Frau in Borodyanka: Auch Àltere Frauen werden, den Berichten nach, nicht von russischen Soldaten verschont.
Eine Frau in Borodyanka: Auch Àltere Frauen werden, den Berichten nach, nicht von russischen Soldaten verschont. (Quelle: Metthew Hatcher/ZUMA/imago-images-bilder)

Fotos zeigen schwere Verletzungen

Die Erlebnisse von Vera, Elena und Anna stehen stellvertretend fĂŒr eine Vielzahl von FĂ€llen, in denen russische Soldaten Frauen wĂ€hrend des Krieges in der Ukraine sexualisierte Gewalt angetan haben sollen. Bereits Mitte MĂ€rz sorgte Dmytro Kuleba, der Außenminister der Ukraine, fĂŒr Aufsehen, als er von "zahlreichen FĂ€llen" berichtete, in denen Besatzungstruppen der russischen Armee ukrainische Frauen vergewaltigt hĂ€tten. Beweise legte er damals nicht vor.

Doch mit der Zeit wenden sich immer mehr Betroffene an die Öffentlichkeit. Menschenrechtsorganisationen dokumentieren ihre Erlebnisse, die sich teils mit Zeugenaussagen und Fotos belegen lassen. So soll etwa ein Bild, das der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" vorliegt, tiefe Schnittwunden im Hals und Gesicht einer Frau zeigen, die berichtet, von einem russischen Soldaten mehrfach vergewaltigt worden zu sein. Immer wieder habe er sie dabei mit einem Messer attackiert.

"Die grausame Konsequenz aus ungleichen MachtverhÀltnissen"

Robert Nagel, Konfliktforscher am Institute for Women, Peace and Security der Georgetown-UniversitÀt in Washington, hegt keinen Zweifel an der Wahrheit solcher Schilderungen, erklÀrt er der "Tagesschau".

▶ Erstens hĂ€tten Truppen, die Russland unterstehen, schon in der Vergangenheit sexualisierte Gewalt an Frauen ausgeĂŒbt – etwa im Tschetschenienkrieg, bei der Annexion der Krim oder auch in der Ostukraine.

▶ Zweitens seien die russischen StreitkrĂ€fte im Krieg gegen die Ukraine keine Freiwilligen, sondern Wehrpflichtige. "Wir wissen aus der Forschung, dass Zwangsrekrutierung ein hĂ€ufiger vorausgehender Faktor von sexueller Gewalt in Konflikten ist", so Nagel. Wenn KĂ€mpfer einander kaum kennen wĂŒrden und keine sozialen Bande untereinander hĂ€tten, könnten gemeinsam begangene sexualisierte Gewaltakte sie besser zusammenschweißen. "Sie lassen den einzelnen KĂ€mpfer Teil der Gruppe werden und weisen ihm einen Platz in der Hierarchie einer von einer bestimmten MĂ€nnlichkeitsidee geprĂ€gten, bewaffneten Organisation zu", erklĂ€rt Nagel.

Frauen und MĂ€dchen in Syrien: In dem Land wurden Tausende FĂ€lle von sexualisierter Gewalt durch MilitĂ€rangehörige dokumentiert – durch Soldaten, die Russland nun im Krieg gegen die Ukraine helfen sollen.
Frauen und MĂ€dchen in Syrien: In dem Land wurden Tausende FĂ€lle von sexualisierter Gewalt durch MilitĂ€rangehörige dokumentiert – durch Soldaten, die Russland nun im Krieg gegen die Ukraine helfen sollen. (Quelle: Marina Lystseva/TASS/imago-images-bilder)

▶ Drittens habe Russland Berichten zufolge Söldner aus Tschetschenien und Syrien in seine Truppen aufgenommen. Mehr dazu lesen Sie hier. "Über solche söldnerartigen Kampfgruppen hat die militĂ€rische FĂŒhrung stets weniger Kontrolle als ĂŒber ihre regulĂ€ren StreitkrĂ€fte", erklĂ€rt Nagel. In den HerkunftslĂ€ndern der Söldner habe man zudem ein großes Ausmaß sexualisierter Gewalt beobachtet können. Allein in Syrien berichtete die UN-Untersuchungskommission 2018 von Tausenden FĂ€llen, in denen ĂŒberwiegend Frauen und MĂ€dchen von Regierungstruppen und verbĂŒndete Milizen vergewaltigt und körperlich misshandelt wurden.

▶ Und es gibt noch einen vierten Grund: "Auch in Friedenszeiten sind sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt, Benachteiligung und sexistische Abwertung fĂŒr viele Frauen und MĂ€dchen eine Alltagserfahrung", sagt Sara Fremberg von der Frauenrechtsorganisation "medica mondiale" zu t-online. Im Krieg und in Krisen wĂŒrden sich solche Strukturen in verschĂ€rfter Form fortsetzen. "Vergewaltigung als Mittel der KriegsfĂŒhrung ist letztlich die grausame Konsequenz aus den ungleichen MachtverhĂ€ltnissen", so Fremberg.

Vergewaltigung – ein strategisches Kriegsverbrechen

Die Menschenrechtsorganisationen "Human Rights Watch" und "Amnesty International" forderten schon nach den ersten Hinweisen eine Untersuchung wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen Russlands. Dazu zĂ€hlen nach dem humanitĂ€ren Völkerrecht auch Vergewaltigungen, neben beispielsweise Folter, Tötung, Nötigung oder Vertreibung von Zivilisten.

Frauen und MĂ€dchen seien "besonders Zielscheibe sexueller Gewalt", schreibt der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution aus dem Jahr 2008, in der er Vergewaltigungen in die Liste der Kriegsverbrechen aufnahm. "Sexualisierte Kriegsgewalt kann organisiert erfolgen und Teil der Kriegsstrategie sein", sagt auch Fremberg von "medica mondiale".

Putin: "Ob es gefĂ€llt oder nicht – halt es aus, meine Schöne"

Die militĂ€rische FĂŒhrung toleriere dann, dass Soldaten Frauen vergewaltigen oder ermutige sie sogar dazu. Putin etwa habe oft eine sexuell aufgeladene Sprache genutzt, wenn er ĂŒber die Ukraine sprach, sagt Konfliktforscher Nagel zur "Tagesschau".

Wladimir Putin, PrĂ€sident Russlands: Mit den Worten "ob es gefĂ€llt oder nicht – halt es aus, meine Schöne", sprach der Kremlchef ĂŒber die Ukraine.
Wladimir Putin, PrĂ€sident Russlands: Mit den Worten "ob es gefĂ€llt oder nicht – halt es aus, meine Schöne", sprach der Kremlchef ĂŒber die Ukraine. (Quelle: Kremlin Pool/imago-images-bilder)

So entgegnete der russische PrĂ€sident vor seinem Angriff auf die Ukraine etwa auf die Frage eines Journalisten, ob das Minsker Abkommen noch gĂŒltig sei: "Ob es gefĂ€llt oder nicht – halt es aus, meine Schöne." Russische Soldaten hĂ€tten dies wohl gehört und seien dadurch in ihren Taten bestĂ€rkt worden, vermutet Nagel.

"Neben der Verletzung, DemĂŒtigung und EntwĂŒrdigung der Frauen ist dann das Ziel, die gegnerische Kriegspartei zu erniedrigen und das soziale GefĂŒge zu zerstören", erklĂ€rt Frauenrechtlerin Fremberg. Die Gewalt sei ein Symbol der Erniedrigung des Gegners, der "seine" Frauen nicht schĂŒtzen könne.

Menschenrechtsorganisation berichtet von "sexualisierter Gewalt in Schutzbunkern"

Doch auch außerhalb dieser strategischen KriegsfĂŒhrung seien Frauen von sexualisierter Gewalt betroffen, merkt Fremberg an. "Wir sind mit mehreren Organisationen im Austausch, darunter die ukrainische Menschenrechtsorganisation 'La Strada'. Sie berichten von Vergewaltigungen durch russische Soldaten, aber auch von sexualisierter Gewalt in den Schutzbunkern", sagt die Frauenrechtlerin. Um wie viele FĂ€lle es sich dabei handelt, ist nicht bekannt.

Loading...
Loading...
Loading...

Grund dafĂŒr sei jedoch hĂ€ufig, dass soziale Strukturen zusammenbrechen wĂŒrden und es an RĂŒckzugs- und SchutzrĂ€umen fehle. "Das ganze Umfeld befindet sich in einem Ausnahmezustand", erklĂ€rt Fremberg. Anlaufstellen, wie FrauenschutzhĂ€user oder Notrufe, mĂŒssten oft aus SicherheitsgrĂŒnden oder, weil die Ressourcen fehlen, schließen.

Expertin: "Nur so können die TÀter spÀter verurteilt werden"

Aber wie können TĂ€ter dann ĂŒberhaupt belangt werden, wenn "Ausnahmezustand" herrscht? Bereits in Friedenszeiten ist die Verurteilungsquote bei sexualisierter Gewalt sehr niedrig. "In Deutschland werden laut Studien nicht einmal zehn Prozent der Taten angezeigt und davon nicht einmal zehn Prozent verurteilt", erklĂ€rt Fremberg.

Sara Fremberg, Leiterin der Abteilung Politik und Kommunikation bei der Frauenrechtsorganisation "medica mondiale": Sie fordert eine konsequente Strafverfolgung bei sexualisierter Gewalt – auch im Kriegsgeschehen.
Sara Fremberg, Leiterin der Abteilung Politik und Kommunikation bei der Frauenrechtsorganisation "medica mondiale": Sie fordert eine konsequente Strafverfolgung bei sexualisierter Gewalt – auch im Kriegsgeschehen. (Quelle: Hannah El-Hitami/medica mondiale/leer)

Die Zahlen zu sexualisierter Kriegsgewalt – ob durch russische Soldaten oder durch ebenfalls Schutzsuchende in den Bunkern – ließen sich wĂ€hrend des laufenden Kriegsgeschehens noch schwerer ermitteln oder systematisch dokumentieren. Genau das sei aber nach der medizinischen und psychosozialen UnterstĂŒtzung fĂŒr die Betroffenen wichtig, auch im Sinne der PrĂ€vention von sexualisierter Gewalt. "Nur so können die TĂ€ter spĂ€ter verurteilt und kann die weit verbreitete Straflosigkeit bei sexualisierter Kriegsgewalt durchbrochen werden", sagt Fremberg.

EU-Mission soll Kriegsverbrechen aufklÀren

Die EU will den Berichten nun nachgehen – zusammen mit dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC). Die MitgliedslĂ€nder beschlossen am vergangenen Mittwoch, das Mandat der sogenannten EU-Beratungsmission fĂŒr die Reform des zivilen Sicherheitssektors in der Ukraine (EUAM) zu Ă€ndern.

Statt wie bislang seit 2014 die Rechtsstaatlichkeit und den Sicherheitssektor im eigenen Land zu stĂ€rken, soll die Mission nun die ukrainischen Behörden dabei unterstĂŒtzen, Straftaten wĂ€hrend des russischen Angriffskriegs – darunter Vergewaltigungen – zu verfolgen, hieß es in einer Mitteilung. Auch wurde nach Angaben eines Kommissionssprechers bereits eine Ermittlungsgruppe aus Experten der Ukraine und der EU-Mitgliedsstaaten aufgebaut, die die Arbeit des ICC stĂŒtzen sollen, indem sie vor Ort Beweise fĂŒr mögliche Kriegsverbrechen sammeln.

Neben dieser AufklĂ€rung fordert Fremberg von "medica mondiale" qualifizierte UnterstĂŒtzung fĂŒr die betroffenen Frauen und MĂ€dchen. "Es sind jetzt kostenlose, flĂ€chendeckende Angebote zu psychologischer Beratung notwendig, sowohl vor Ort als auch in den aufnehmenden LĂ€ndern", sagt sie. Auch sei es fĂŒr die Betroffenen wichtig, dass Vergewaltigungen als erlittenes Unrecht benannt wĂŒrden, das gesellschaftlich nicht toleriert werden darf.

Hinweis: Wenn Sie Betroffene von sexualisierter, aber auch jeder anderen Form von Gewalt sind, finden Sie hier Hilfe. Das Hilfetelefon fĂŒr Gewalt gegen Frauen ist 24 Stunden am Tag erreichbar und berĂ€t Betroffene in insgesamt 17 Sprachen.

*Die Namen wurden zum Schutz der Frauen geÀndert.

Facebook LogoTwitter LogoPinterest LogoWhatsApp Logo
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingANZEIGEN

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
  • David Schafbuch
Von David Schafbuch
ChersonEUKiewPolenRusslandSyrienTagesschauUkraineVergewaltigungWashingtonWladimir Putin
Aktuelles zu den Parteien

Politik international




t-online - Nachrichten fĂŒr Deutschland
t-online folgen
FacebookTwitterInstagram

Das Unternehmen
Ströer Digital PublishingJobs & KarrierePresseWerbenKontaktImpressumDatenschutzhinweiseDatenschutzhinweise (PUR)Jugendschutz



Telekom
Telekom Produkte & Services
KundencenterFreemailSicherheitspaketVertragsverlÀngerung FestnetzVertragsverlÀngerung MobilfunkHilfeFrag Magenta


TelekomCo2 Neutrale Website